© Silke Weinsheimer

Hund, Katze, Lama – eine Ode an das Tier

Haustiere können Kinder in vielen Bereichen positiv beeinflussen. Finden wir ziemlich interessant, schließlich halten derzeit fast die Hälfte aller Haushalte in Deutschland eins oder mehr. Wir besuchten eine Katzenfamilie, einen Hundehaushalt und eine Familie mit 65 Lamas auf dem Hof.

OMG! Lieber keinen Artikel über die Anschaffung von Haustieren lesen, denkt ihr. Denn ihr wisst ganz genau, was jetzt kommt, denkt ihr: Das Kind hat zwei Wochen, zwei oder vielleicht auch gefühlt zweihundertzweiundzwanzig Monate konsequent gequengelt, dann hat es die lieben Eltern soweit. Und dann, ja, dann bleibt der ganze Kladderadatsch wie mit dem Hund Gassi gehen oder den Hamsterkäfig ausmisten an dem Einen hängen: an dem armen, gebeutelten Muttertier. An mir. Ha! Diesen Gedankengang kennen wir wahrscheinlich alle nur allzu gut. Wir aber wollen heute eine Lanze für das Halten von Haustieren brechen.

Himbeer Titelstory: Kinder Und Ihr Haustierwunsch: Hund // Himbeer
© Silke Weinsheimer

 

Weil wir natürlich lange vorher wissen, dass Kinder nicht für das Einhalten von langfristigen Vereinbarungen geschaffen sind, sondern sie einem feierlichst alles versprechen, was immer auch versprochen werden muss, um das zu bekommen, was sie gerade wollen.

Wir fragen stattdessen, was es eigentlich bedeutet, wenn Kinder mit Tieren groß werden? Haustiere haben, das wurde durch zahlreiche wissenschaftliche Studien* belegt, einen starken Einfluss auf die Kinder, die mit ihnen zusammen aufwachsen. Die positiven Auswirkungen der Bindung, die Kinder aus dem Umgang mit dem Tier lernen, sind bemerkenswert.

Wenn die Tiere artgerecht gehalten werden, können sie Kinder in vielen Bereichen positiv beeinflussen: emotional, gesundheitlich sowie in der kognitiven, motorischen und soziopsychologischen Entwicklung. Kinder zeigen eine größere Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung, sind viel geübter darin, die zahlreichen Nuancen nichtsprachlicher Kommunikation zu erkennen, im Alltag anzuwenden und haben insgesamt eine größere emotionale Stabilität.

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Derzeit halten rund 45 Prozent aller Haushalte in Deutschland mindestens ein Haustier. Das beliebteste Haustier ist dabei mit 13,7 Millionen die Katze. Und mit rund 11,8 Millionen machen die Hunde als zweitbeliebteste Wahl auch keinen schlechten Schnitt. Haustiere schaffen es bei uns also im echt großen Stil, dass wir Verantwortung übernehmen, und trösten unsere Seelchen. Eine Ode an unsere tierischen Freunde! Wir haben uns das mal in zwei Familien mit klassischen Haustieren angeschaut.

194 Quadratmeter, drei Menschen, zwei Katzen

Wir besuchen zunächst Ida und sind baff, in was für eine illustre Gesellschaft wir hier hineingeraten sind. Idas Eltern sind Künstler und das sieht man dem großzügig geschnittenen Altbau sofort an. Zuerst fällt uns der stolze, rote Kater Bertolt auf. Obwohl: Eigentlich kam der, tatsächlich nach Brecht benannte, Kater nur dazu, vorher hatte hier allein Mimi das Sagen, grinst Idas Mutter Claudia.

Himbeer Magazin Für Berlin Mit Kind, Ausgabe April-Mai 2019: Kinder Und Ihr Haustierwunsch // Himbeer
Ida und Mimi. © Silke Weinsheimer

In der wunderschönen Wohnung mit Fischgrätparkett, Stuck und Schiebetüren schleicht sie vorsichtig, aber höchst grazil von Ecke zu Ecke, als sie sieht, dass wir ihr mit einer merkwürdige Geräusche machenden, wahrscheinlich für sie riesenhaften Kamera zu Leibe rücken wollen. Besser, man schaut sich die Eindringlinge doch erstmal von einem sicheren Punkt der Wohnung an, man weiß ja nie …

Oh ja, davon könnte Katze Mimi ein Lied singen. Ihre Schwester Pünktchen ist drei Monate nach dem Umzug vor zwei Jahren hierher gestorben. Alles ging unheimlich schnell, ohne dass man rausfinden konnte, was genau die Ursache ihrer Qualen war.

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Kater Bertolt ist nicht verschmust. Ida schon. © Silke Weinsheimer

Wie Ida lernte, Abschied zu nehmen

Eine wirklich schreckliche Geschichte, die zusätzlich zu den vergeblich gezahlten tausend Euro Tierarztkosten viele Tränen bei allen Familienmitgliedern kostete. Mit nur zweieinhalb Jahren war ihr kurzes (erstes?) Katzenleben viel zu schnell vorbei. Dann lag ihr toter Körper ein paar Tage in der Tierklinik, als Leiche im Gefrierfach. Was nun? Mark, Claudias Partner, erzählt, lebhaft unterstützt von der elfjährigen Ida, wie sie überlegten, dass sie die tote Pünktchen auf keinen Fall einfach so weggeben lassen wollten, nicht ohne ein ihr würdiges Ende.

Gemeinsam entschieden sie, das tote Tier lieber mit zu sich nach Hause zu nehmen. Und jetzt? „Wir haben sie in unser eigenes Gefrierfach gelegt!“, strahlt Ida und amüsiert sich köstlich, als ich leicht zusammenzucke. Die drei überschlagen sich beim Erzählen des gemeinsamen Beschlusses, Pünktchen im Park gleich nebenan zu beerdigen. Sah ich da einige Augenpaare verschwörerisch blitzen?

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Das schweißte die Familie zusammen

Klar, es ist illegal und kostet viele tausend Euro Strafe. Trotz alledem wurde in diesem Haushalt ein Spaten angeschafft. Und ja, es wurde des Nächtens versucht zu graben. Doch der Boden war zu hart, so sehr sie es auch versuchten. Ein Plan B musste her. Er kam: Dann soll das Tier eben eingeäschert werden. Claudia berichtet, wie eindrucksvoll die Erfahrung für sie alle war, ihr totes Tier ins Krematorium zu überführen: Ein Ehepaar, ganz in schwarz gekleidet, kam mit einer Reißverschlusstasche. Etwas zum Mitgeben für das tote Wesen durften sie auch aussuchen. Alles ist gefühlsmäßig fast so wie bei einer menschlichen Einäscherung gestaltet.

Die drei deuten liebevoll lächelnd auf ihren Kühlschrank: „Und hier steht Pünktchens Urne seitdem.“ Also, ich bin beeindruckt, wie aufgeräumt und klar die Sechstklässlerin von diesem Abschied des Familienmitglieds spricht. Auf die von Claudia und Mark so liebevoll gestaltete Weise lernte sie zu akzeptieren, dass der Tod zum Leben mit dazugehört. Wie gut, das in so einem Rahmen lernen zu dürfen.

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Katzen sind eigenwillige Mitbewohner, die ihre Krallen wetzen, wo sie wollen. © Silke Weinsheimer

Und dann kam Bertolt. Alle erinnern sich noch gut, wie die Katzenpsychologin kommen musste, weil er immer auf den Herd pinkelte. Die Psychologin war nur einmal da, dann war alles wieder gut. Vielleicht, weil alle ein kleines bisschen dazugelernt haben.

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Mimi macht auf Befehl „Sitz“. Gut, oder? © Silke Weinsheimer

Jedenfalls empfindet Claudia es für ihr Einzelkind als sehr gut, wenn „noch eine andere Art von Leben in der Wohnung ist“. Auch, wenn ihre beiden Katzen keineswegs die anhänglichsten und verschmustesten Vertreter ihrer Art sind, sondern äußerst souveräne Wesen mit einer leicht überlegenen Attitüde: Über Love and Respect hat Ida offensichtlich schon sehr viel verstanden.

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Idas Mutter, Claudia, hätte zu den zwei Katzen gerne noch einen Hund. © Silke Weinsheimer

Drei Kinder und ein riesengroßer Hund

Liegt’s am Tier? Interessanterweise ist diese Familie tiefenentspannt: Am Vorabend unseres Treffens haben sie einen Wasserschaden. Es herrscht Chaos in der Wohnung, und wenn man weiß, dass es nur wenige Tage später auf eine dreimonatige Reise nach Zentralamerika gehen soll, fällt die kollektive Leistung kolossal positiv auf: Alle fünf Familienmitglieder sind so redselig, lustig und locker, als ob nichts gewesen wäre. Hi Mathilde (5), Gregor (9) und Tilmann (11), Kathi und Heiko.

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Dobermannhündin Elda ist Trubel von Klein auf gewöhnt, sie stammt aus einem Wurf von 14 Welpen. © Silke Weinsheimer

Über die Riesin Elda, die eigentlich Gisela heißen sollte

Im ersten Moment erkenne ich die Rasse nicht, erst nach ein paar Sekunden fällt der Groschen: keine kupierten Ohren, keine kupierte Rute, eine sehr hübsche Dobermanndame! Sie holten Elda mit zwölf Wochen zu sich, einen von 14 Welpen. Nach seiner damaligen Hündin, Käthe Jablonski, hatte Heiko sich schon lange mit sich selbst auf einen Namen committet. Gisela. Frau Hund. Doch Gregor, der Harry Potter Fan, hat den Rest der Bande mit seiner kreativen Abwandlung vom Elderstab überzeugt.

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Das erste Jahr war schwer

Es ist wunderschön zu sehen, wie alle miteinander umgehen. Herzlich, inniglich. Auch die Fünfjährige geht beeindruckend verständig mit dem großen Tier um. Tilmann verrät mir, dass die Kinder ihre Hündin mit ins Bett nähmen. Meist in Gregors Bett, wo sie immer mindestens zu zweit wären, sonst gerne zu dritt. Tilmanns Hochbett bleibt oft leer.

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Kathi lacht. „Jetzt ja“, sagt sie. „Das erste Jahr war so was von schwer.“ Klar, alle wollten zum Spielplatz, im Sommer zum Baden. Mit dem Hund natürlich das totale No-go. Rausfahren mit dem Auto? Geht in der Woche auch schlecht, wenn man mitten in der Stadt lebt. Es war anfänglich schon eine Belastung für alle. „Ich hätte lieber Zwillinge genommen.“, gibt Kathi zu.

Die von allen erlernte, heute bestehende enorme Vertrautheit und das funktionierende Miteinander kommt nicht von ungefähr. „Sie hat durch ihre Geschwister eine hohe Sozialkompetenz “, erklärt Heiko. Der Mann weiß, wovon er spricht: Er hat eine Ausbildung als Problemhundtherapeut mit dem Spezialgebiet aggressive und ängstliche Hunde. Obwohl ihr Jagdhundmix sicherlich leicht als Kampfhund abgeurteilt werden könnte, hätten sie auf der Straße noch nie böse Stimmen gehört.

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So vertraut Mathilde und Elda auch sind, alleine rausgehen dürfen die Kinder nicht mit der Hündin. © Silke Weinsheimer

Kathi erinnert sich, dass sie selbst am Anfang schon Angst gehabt hätte. Vorurteilen von Fremden gegenüber ist Heiko sehr ruhig eingestellt: Wenn sie Eldas Wesen kennenlernen, verlöre sich die anfängliche Sorge. Er empfand es vielmehr als die größte Herausforderung, seinen Kindern nachhaltig zu erklären, was ein Hund wirklich braucht. Einen ganz eigenen Platz. Genügend Ruhe. „Oder das berühmte Thema: Der guckt so süß … darf ich dem Hund was geben?“ Diese Lernprozesse waren ihm extrem wichtig. Zu recht. „Die Angst ist weg, weil Elda hört.“

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Von alledem haben im Übrigen nicht nur Kathis und Heikos Kinder profitiert. Auch für Heikos Demenzpatienten änderte sich Einiges. Seitdem Heiko seinen Job wechselte, von der Intensivstation im Krankenhaus ins Büro zur stellvertretenden Pflegedienstleistung in der Hauskrankenpflege, ist die Dobermannhündin von klein auf an die alten Menschen gewöhnt. „Sie freut sich immer über ein Marmeladenbrot.“ schmunzelt er.

Lamas sind die neuen Einhörner

Für alle, die erstmal kein Haustier haben können, haben wir uns noch die Möglichkeit angeschaut, ein Zusammen-Agieren auf Zeit zu lernen. Zwar nicht mit einem klassisch europäischen Haustier, sondern mit einem Haustier aus den Anden. Mit einem Besuch auf einem Lama- und Alpakahof oder sogar einer Patenschaft für ein Jahr können Kinder nämlich auch ganz hervorragend den Respekt im Umgang mit Tieren lernen und ihre sozialen Kompetenzen stärken.

Himbeer Titelstory: Kinder Und Ihr Haustierwunsch: Lamas Und Alpakas // Himbeer
Ein Besuch bei Lamas ist auch für Allergiker wie Allegra eine tolle Möglichkeit, Tieren nahe zu kommen. © Silke Weinsheimer

„Lamas mussten arbeitswillig sein und sozial verträglich. Deswegen wurden Lamas wesentlich netter als die Alpakas“, erläutert Anita-Selig Smith, Besitzerin einer 56 Tiere großen Herde im Vorfeld einer Lamawanderung. Man lernt dabei eine Menge über das Wesen der sanftmütigen Neuwelt-Kameliden. Die zehnjährige Allegra, die wegen ihrer Allergie kein eigenes Haustier haben kann, saugt jedes Wort mit strahlenden Augen auf. Hier ist sie richtig, denn die Faser von Lamas und Alpakas ist antiallergen.

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Allegra lernt, dass Alpakas die Kleinen und Lamas die Großen sind. Beides Wiederkäuer. Apropos Gebiss: Mehrere Zähne werden den Kindern gezogen. Obwohl sie glauben, dass es nichts Schöneres auf der Welt gäbe, als mit diesen fluffig weichen, uns neugierig mit ihren Knopfaugen anblickenden Gesellen zu kuscheln, wollen die Lamas selbst das eigentlich so überhaupt gar nicht. Sie lassen es nur zu, weil sie trainiert sind, aber so richtig toll finden sie es nicht.

Allegra lernt aber auch, dass die Leisetreter uns nicht aus lauter Jux und Dollerei anspucken wollen. Stattdessen tun sie dies nur aus Futterneid, beim Paarungsverhalten und aus Gründen der Rangfolge in ihrer Herde. Die Ausnahme ist, wenn der Tierarzt kommt und sie spritzen will. Sehr sympathisch, oder nicht? Überraschenderweise finden wir Allegra schon nach wenigen Minuten eng an einen Hals angekuschelt: Prinz Igor ist jetzt doch auf Schmusekurs. Na also, wieder was gelernt!

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„Nur zwei Stunden? Ich wäre gerne länger gegangen!“ – solche Sätze hört man von Kindern auf Wanderungen sonst eher selten. © Silke Weinsheimer

Aber bitte mit Sahne

Wer nicht so wanderfreundlich eingestellt ist wie die intelligenten Trekkingtiere, hat auch die Möglichkeit, das Wesen der begierigsten Schmuser kennen- und lieben zu lernen: in Katzencafés! In München wurde 2013 das erste deutsche Katzencafé gegründet, in Berlin im selben Jahr.

Die allereinfachste Alternative ist jedoch diese: Einfach mal bei den Nachbarn klingeln und fragen, ob man den Hund ausführen dürfte. Auch in meiner Erinnerung bleibt es eine der schönsten Kindheitserfahrungen, voller Stolz den wunderschönen Hund des Nachbarn an der Leine um den Block geführt haben zu dürfen. Und die Nachbarn? Waren sicher auch extrem glücklich, einmal Gassi weniger an der Backe zu haben …

 

Lamawanderungen: Wir waren zu Gast bei Ostdeutschlands größter Lamaherde auf Anita Selig-Smiths Hof, den man von Berlin aus mit S-Bahn und Bus gut öffentlich (noch innerhalb der C-Zone!) erreichen kann. Wichtig: Es gibt keine festen Öffnungszeiten, bitte immer vorher anmelden. Märkischer Lamahof, Freiherr-von-Loeben-Str. 2, 15749 Mittenwalde OT Schenkendorf, maerkischer-lamahof.de.

Weitere tierische Ausflugsziele im Berliner Umland

Katzencafés: Pee Pee’s Katzencafé: Thomasstr. 53, 12053 Berlin-Neukölln, peepeeskatzencafe.de
Katzenmusikcafé Zur Mieze, Wilmersdorfer Str. 158, 10585 Berlin-Charlottenburg, zur-mieze.de

* z. B. die Studie des Sozialpsychologen Professor Reinhold Berglers „Der Hund als Prävention und Therapie für Kinder in Scheidungskrisen“, Institut für Psychologie der Universität Bonn, 2016.