Ein Lichtblick für Kinder

Mitten in Neukölln haben Karen Hoffmann und Melanie Rothe einen Ort geschaffen, an dem Kinder Kunst sinnlich und kreativ erleben können – die aktuelle Ausstellung im KinderKünsteZentrum widmet sich der Sonnenenergie.

Wie lange braucht ein Lichtstrahl von der Sonne bis auf die Erde? Wo finde ich Italien zwischen der Karl-Marx- und der Sonnenallee? Die Antwort liegt jeweils im KinderKünsteZentrum in Neukölln versteckt. Es ist das Berliner Kompetenzzentrum für frühkindliche kulturelle und künstlerische Bildung. Durch die trubeligen, bunten Straßen rund um das Rathaus Neukölln, mit ihrem vielfältigen Einzelhandel und dem breiten Angebot an Imbissen, gelangt man in die Ganghofer Straße, zum Stadtbad Neukölln und damit auch zum KinderKünsteZentrum.

Das 1914 fertig gestellte Schwimmbad gehört zu den schönsten Bädern Berlins und ist in seinem Entwurf angelehnt an antike Thermenanlagen. Im selben Bauabschnitt wurde auch eine Bibliothek gebaut, die durch ein wunderschönes Atrium mit einem umlaufenden Säulengang, mit dem Stadtbad verbunden ist. Die Idee des Architekten Heinrich Best war, nach der körperlichen Hygiene und physischen Ertüchtigung auch den Geist zu pflegen. Insofern hat das KinderKünsteZentrum seinen Platz im besten Sinne des Erbauers gefunden, denn nun wird die ehemalige Bibliothek, für Kunst und die Bildung ganz junger Geister genutzt.

In dem Moment, in dem man den grünen Innenhof des KinderKünsteZentrums betritt, vergisst man die Hektik der Stadt und begibt sich auf eine sinnliche Reise in eine andere Zeit. Plötzlich fühlt man sich nach Italien versetzt, schlendert durch den Säulengang, betrachtet die Skulpturen und Installationen im Hof die von der künstlerischen Arbeit vieler Kinder erzählen. Ein Musentempel für Kinder, so beschreibt Karen Hoffmann die Leiterin des Zentrums, diesen Ort.

Der Gedanke, ein künstlerisches Angebot für die Kleinsten, im Alter von zwei bis acht Jahren, zu schaffen, begleitete das Arbeitsleben der Kunstpädagogin schon sehr lange. In Artikel 31 der UN Kinderrechtskonventionen ist festgehalten, dass jedes Kind das Anrecht auf freie Teilnahme an kulturellem und künstlerischem Leben hat. Da nicht alle Familien das leisten können, sieht das KinderKünsteZentrum darin seine Aufgabe: Angebote zu schaffen und künstlerische Bildung zu vermitteln. Innovativ und diskursoffen werden neue Ideen gestaltet und umgesetzt.

2012 war es dann soweit und das KinderKünsteZentrum fand seinen Platz als eigenständiges Zentrum und die Arbeit konnte nun gebündelt von einem Ort organisiert werden. Von Beginn an arbeiten Karen Hoffmann und Melanie Rothe mit einem großen Team aus Künstlerinnen und Künstlern, das bundesweit agiert. Die bildenden Künstler kommen immer aus unterschiedlichen Fachbereichen, die kooperierenden Kitas und Grundschulen fahren aus allen Stadtbezirken nach Neukölln, um hier gemeinsam zu arbeiten.

Die Ausstellungen werden interdisziplinär in einem demokratischen Prozeß entwickelt. Anregungen, Ideen und Gedanken von Kindern, Schwerpunkte aus dem pädagogischen Alltag, aber auch gesellschaftsrelevante Themen werden für die Ausstellungskonzepte miteinander durchdacht und verknüpft. Die teilnehmenden Künstler werden passend zum Thema gesucht und arbeiten dann in einem Team mit einer pädagogischen Fachkraft zusammen. Der Gestaltungsprozess soll möglichst offen und transparent bleiben, so dass alle Komponenten auf den Bedarf der kleinen Künstler angepasst werden können.

Entscheidend ist hierbei immer der Weg, die Möglichkeit, Zusammenhänge zu verstehen, etwas über die Welt zu erfahren. Das Ziel ist nicht ein Endprodukt. Kunst ist eine Methode, die Welt erfahrbar zu machen. Im KinderKünsteZentrum ist dieser Prozess nicht nur für die Kleinen gelungen. Jeder lernt von jedem, da jeder seine Kompetenzen einbringen kann und muss.

Das Ausstellungskonzept sieht eine große thematische Ausstellung und eine Art Werkschau pro Jahr vor. Außerdem gibt es Workshops für Kitas, Grundschulklassen, Fortbildungen für Erzieherinnen und Erzieher und den offenen Familiensonntag. Es gab bislang Ausstellungen zum Thema „Glück, Kunst + Sprache“ und „KlangKunst“. Für diese unterschiedlichen Themenschwerpunkte hat das KinderKünsteZentrum ein großes Portfolio an Unterstützern gewinnen können. Angefangen bei den pädagogischen Hochschulen in Berlin und Potsdam, über die Volkshochschulen in Mitte und Neukölln oder das Kulturamt Neukölln.

Für die aktuelle Ausstellung zum Thema Sonne und Energie konnte der  Künstler Olafur Eliasson als Schirmherr gewonnen werden. Die Idee zur Zusammenarbeit ist aufgrund der sonnenblumenförmigen Solar Lampe Little Sun entstanden. Little Sun wurde von Olafur Eliasson gemeinsam mit dem Ingenieur Frederik Ottesen entwickelt. Sonnenlicht und die damit verbundenen Energie ist ein wichtiger Bestandteil des künstlerischen Schaffens des dänisch-isländischen Künstlers Eliasson. Der selbstverständliche Umgang mit Licht und Energie in den westlichen Industrieländern ist nicht repräsentativ für den Rest der Welt.

Möchte ein Kind in Deutschland am Abend noch lesen, knipst es seine Nachttischlampe an und liest. Um Kindern in anderen Regionen der Welt dies zu ermöglichen, wird Little Sun vertrieben. Die Solar Lampe wird über ein beständig wachsendes Netzwerk in Industrieländern verkauft, um damit die Anschaffungspreise in Ländern ohne flächendeckendem Zugang zu Strom niedrig zu halten. Mit ihren zwei Nutzungsstufen schafft die kleine Lampe fünf oder zehn Stunden helles, regeneratives und preiswertes Licht.

Im KinderKünsteZentrum ist Little Sun ein aktiver Teil der Ausstellung sowie der Aktionskunst der Kinder selbst. Mit ihr können sie zur Sonne werden und mit Körpern Schatten erzeugen. Sie können CO² erzeugen und Motoren zum Laufen bringen. So wie für Olafur Eliasson Kunst und gesellschaftspolitisches Engagement zusammen gehören ist auch den Macherinnen des KinderKünsteZentrums ein breites inhaltliches Spektrum wichtig.

Die Sonne macht hell, sie wärmt, sie lässt Pflanzen wachsen und wenn sie schlafen geht wird es kalt und dunkel. Aber wie ist die Sonne beschaffen? Ist sie ein Stern, ein Planet, hat sie eine glatte Oberfläche, können wir mit einer Rakete zur Sonne reisen? Wofür ist Sonnenenergie gut, wie können wir sie nutzen, wie speichern? Diese und noch viel mehr Fragen werden im kreativen Prozess auf unterschiedlichste Arten beantwortet.

Die Solar Lampen von Little Sun leuchten von nun an den Museumskindern den Weg durch die Ausstellung. Betritt man den Vorraum des ehemaligen Bibliotheksgebäudes, hängen sie an der linken Seite an einem großen Kubus. Geht man in diesen Kubus hinein, befindet man sich in einem begehbaren Weltall Diorama – einem Schaukasten mit fliegenden Planeten, Sternen und einem Baum, der als Symbol für das Leben auf der Erde steht. Den Weg hindurch leuchten die Kinder sich selbst.

Der dunkle Kubus wird erfüllt von sphärischen Klängen die uns bei unserem Flug durch das All begleiten, denn wir sind Sonnenstrahlen auf dem Weg zur Erde. Alle acht Minuten und 19 Sekunden bricht die Musik ab, denn dann hat unser Strahl die Erde berührt.

Im nächsten Raum erleben wir die Sonne in ihren verschiedenen Facetten. Hier können wir die Arbeit von Simone Schandau, Rainer Untch und den Kindern der Schilling Schule aus Neukölln bewundern. Die Künstlerin Simone Schandau hat sich über mehrere Wochen mit den Schülern des Förderzentrums Schilling Schule getroffen. Sie beginnen ihre Recherche zum Thema mit Bildern, Büchern und Filmen, um ihnen das nötige Hintergrundwissen zu vermitteln. Dann finden die ersten Treffen im KinderKünsteZentrum statt.

Die Tage bekommen ihre eigene Struktur, mit gemeinsamem Frühstück, Entwickeln von Geschichten, Entwurf von Kostümen und Hintergründen. Anschließend wurden die Kostüme genäht, es wird gebaut, gebastelt und geleimt. Das gemeinsame Erarbeiten von Inhalten, das Gestalten und Formgeben dieser Ideen und die damit verbundene Arbeit und Auseinandersetzung lässt die Kinder stark und selbstbewusst in ihrer Kunst werden. Es entsteht eine Rakete aus einem Rollstuhl, Sonnen- und Wolkenkostüme aus Leinwand und Farbe und eine riesige Sonne mit einer lebhaften papiernen Struktur.

Heute können alle Besucher der Ausstellung in die Kostüme schlüpfen und sich als Sonne oder Wolke verkleiden, Wetter oder Tag und Nacht spielen. Der Ablauf des Sonnen Projektes lässt sich in einem wunderbaren Film miterleben. Die Freude, mit der die Kinder ihre Geschichten erzählen, Kunst machen und aus ihren Händen eine neue Welt entstehen lassen, springt auch auf die  Ausstellungsbesucher über. Vor allem wenn sich die kleinen Kosmonauten in die Rakete setzen dürfen und den Saal im Raketenrollstuhl erkunden. Vorbei am Lamellenhaus, hin zu den drei vertrauten Gestirnen die im Raum schweben. Auf welchem können wir landen? Sonne, Erde oder auf dem kleinen Trabanten der Erde, dem Mond? Für wenn man sich auch immer entscheidet, die Rakete ist auf jeden Fall ein Highlight des Museumsbesuches!

In vergleichbaren Projekten haben die anderen Teams ein Lichtballett zum Tanzen gebracht, Sterne und Polarlichter vom Himmel geholt, sich im Schatten der Lamellenhäuser versteckt und glitzernde Weltraumkleidung entworfen. Auch diesen Werken liegt eine vergleichbare Struktur zugrunde. Die Künstler und Künstlerinnen treffen mit den Kindern in ihrem gewohnten Kita-Umfeld zusammen, lernen sich kennen und entwickeln gemeinsam Ideen. So besteht auch für andere Gruppen und Erzieher die Möglichkeit, den Verlauf zu beobachten und eventuell künstlerisches Handwerk zu erlernen.

Die finale Präsentation findet dann im Museum statt. Die über Wochen entstandenen Werke werden an einem neuen Ort so platziert, dass sie gut zu sehen, zu verstehen und erfahrbar für andere sind. Die Kinder erleben, wie es ist, wenn ein eigenes Werk im öffentlichen Raum zugänglich ist und was es vielleicht für andere Kinder bedeuten kann. Das macht sie stolz und vermittelt ihnen auch den Respekt vor anderer kreativer Arbeit, da sie nun selbst Teil einer künstlerisch agierenden Gruppe sind.

Ein weiterer interessanter Baustein sind die vielfältigen solarbetriebenen Objekte, die zum Gelingen einiger Versuche beitragen. Zum Beispiel die ClicLites der Berliner Firma Sonnenrepublik. Das ist ein modularer, solarer Baukasten. Auch im wintergrauen Berliner Himmel findet man hin und wieder einen Lichtstrahl, der den mobilen Rotor, angeschlossen an die ClicLites, in Bewegung bringen kann. Sammeln wir genügend Sonnenenergie mit Hilfe der ClicLites ein, dann produzieren wir Wind. Technik, die begeistert und Zusammenhänge erfahrbar macht. Und so geht es weiter mit Sauerstoff produzierenden Pflanzen mit dem gefährlichen Namen Wasserpest oder den Weckgläsern mit Solarlichtern für den Garten. Jede Altersgruppe kann etwas für sich finden und verstehen.

Nun könnte man denken, die ganze kreative Arbeit wäre schon getan. Das ist aber nicht die Idee des KinderKünsteZentrums. Jeder Besucher wird aktiv eingebunden in die Ausstellung. Einerseits durch die aktive Erkundung der Objekte, aber auch durch die angebotenen Workshops. Die meisten Exponate erschließen sich erst, wenn man sich mit ihnen beschäftigt.

Die Sternbilder sehen zum Beispiel sehr schön aus, noch reizvoller werden sie vor allem dann, wenn die Reflektion der kleinen Spiegel mit einem Transparentpapier wieder eingefangen wird. Die eigene schöpferische Kreativität kann beim Basteln von Weltraumschmuck aufblühen, bei dem manchmal ganze Familien mit glitzernden Anhängern versehen werden oder beim Modellbau der Lamellenhäuser.

Sonntags gibt es wechselnde Angebote für die ganze Familie, die von den Künstlern angeleitet werden. Die Kursbeschreibung und die Zeiten sind auf der Internetseite des KinderKünsteZentrums zu finden. Und wem es dann noch nicht genug ist, der kann im Anschluss im Stadtbad Neukölln noch Bahnen ziehen und saunieren oder noch ein wenig im Sternenzelt träumen.

Text und Fotos: Sibylle Baier, www.sibyllebaier.de

DIE AUSSTELLUNG „SONNE! ENERGIE + KUNST“ LÄUFT NOCH BIS ZUM 27.05.2016.

Am 26. und 27. Mai 2016 findet das Symposium „Sonne! Energie und Kunst“ im KinderKünsteZentrum statt. Das Programm, bestehend aus Vorträgen, Projekt-Präsentationen und Workshops, richtet sich speziell an Fachpublikum wie Kita-Träger, Kita-Leitungen, ErzieherInnen, KünstlerInnen und interessierte Eltern. (Anmeldung unbedingt erforderlich!)

Termine: Do, 26.05.2016 von 9:00:16.00, Fr, 27.05.2016 von 9:00-14:00 Uhr mit Voranmeldung. Alle Veranstaltungen sind kostenlos. Information und Anmeldung: Melanie Rothe: T: 030-89390730, rothe[at]kinder-kuenste-zentrum.de

Das ausführliche Programm folgt Anfang Mai 2016 auf der Seite des KinderKünsteZentrums: www.kinder-kuenste-zentrum.de