REINE BAUCHSACHE – Wieviel gesunde Ernährung braucht das Kind?
ALLES IM LOT? – Therapiemöglichkeiten für Kinder
Therapien im Überblick
GUTER BISS VON ANFANG AN – Tipps für gesunde und schöne Zähne
FIT WIE EIN TURNSCHUH – Warum Bewegung so wichtig ist
VON DREITAGEFIEBER BIS ZIEGENPETER – Kinderkrankheiten
Zum ersten Mal ist am 1. Juni 2016 unser HIMBEER Gesundheitsheft (Issuu-Ausgabe zum Online-Blättern) mit Inhalten erschienen, die uns neben den Veranstaltungs- und Kulturtipps, die ihr immer im HIMBEER Magazin findet, am Herzen liegen: gesunde Ernährung, Bewegungs- Hilfe- und Therapieangebote für Kinder und Familien. Von der Entwicklung gesunder Kinderfüße über die Frage, wann welche Therapie angezeigt ist, bis zu Zahngesundheit reicht das Spektrum der Themen und Fragestellungen, mit denen auch wir uns als Eltern konfrontiert sehen.
Schon Leonardo da Vinci wusste „Alles Leben ist Bewegung – Bewegung ist Leben“ und so ist es erst recht im Leben mit Kindern. Zwar können sie einerseits die größten Spießer überhaupt sein, die keine Veränderungen mögen, andererseits verändert sich im Leben mit Kindern ständig etwas. Kaum denkt man, jetzt läuft alles rund, man kriegt ganz gut alles unter einen Hut, schon wird ein Kind krank und bringt den ganzen Alltag durcheinander.
Kinder zwischen ein und vier Jahren leiden durchschnittlich acht bis neun Mal pro Jahr unter einer Erkältung, bis zu zwölf Infekte jährlich sind normal. Schließlich will das Immunsystem trainiert werden – unter unseren HIMBEER-Kindern gibt es einige, die im Kleinkindalter ein-zwei Jahre lang quasi jeden Infekt mitgenommen haben, dafür aber später mit robuster Gesundheit allen Grippe-, Magen-Darm- und sonstigen Erkrankungswellen um sich herum getrotzt haben. Das mag ein schwacher Trost sein, wenn man schon wieder mit einem kranken Kind zu Hause sitzt, aber da Jammern eh nichts hilft, kann man sich auch gleich darauf einlassen, dass man für ein paar Tage zu nicht viel kommen wird, und die Kuschelzeit mit dem kleinen Patienten so gut wie möglich genießen.
Viel Liebe, Ruhe und Trinken sind meist die besten Heilmittel. Viel Bewegung, frische Luft, ausreichend Schlaf und eine ausgewogene Ernährung hingegen tragen nicht nur dazu bei, dass man weniger infektanfällig durchs Leben geht, sondern beugen auch Zivilisationskrankheiten wie Diabetes Typ 2, Bluthochdruck, Übergewicht und Adipositas vor.
Nun muss man sich natürlich nicht in jeder Minute einem Gesundheitsdiktat unterwerfen – Lebensfreude beinhaltet eben auch, mal über die Stränge zu schlagen und unvernünftig zu sein. Aber wenn man seinen Kindern vorlebt, dass Fastfood, Fertigpizza und zuckrige Limonaden die Ausnahme statt die Regel sind und gemeinsam mit ihnen aktiv ist, dann gibt man ihnen eine gute Grundlage, um selbst zu einem gesunden Lebensstil zu finden.
Also bleibt in Bewegung und gesund!
Anja, Esther und Claudia
LASST ES EUCH SCHMECKEN!
Genussvoll zu essen gehört für uns in der HIMBEER-Redaktion zu den schönsten Dingen der Welt. Wir kochen mit Freude, tauschen Rezepte und Tipps aus und probieren gerne alles von Green Smothies über Superfood bis hin zu veganen Köstlichkeiten, die uns in der Vielfalt wunderbarer neuer Kochbücher und Foodblogs so begegnen. Unsere Kinder hingegen – abgesehen von zwei absoluten Ausnahme-Niemals-Mecker-Alles-Esser – ticken da allerdings oft gänzlich anders. Die Marketingmaschen der Lebensmittelindustrie verfangen auch bei ihnen, Neues wird ungerne probiert, erst recht, wenn es zu „gesund“ daher kommt, Und die Auswahl der Gerichte, auf die sich alle Familienmitglieder einigen können, ist manchmal recht beschränkt. Wie man den Spaß am Essen(machen) dennoch nicht verliert, auch monatelange Nudel-ohne-Sauce-Phasen übersteht und warum es keine gute Idee ist, Machtkämpfe übers Essen auszutragen …
Es ist ganz normal, dass kleine Kinder auch beim Essen Autonomiebestrebungen an den Tag legen, selbst bestimmen möchten, was sie essen, wie sie essen und wann sie essen. Und schon beginnt das lebenslange Elternspiel, die richtige Balance aus Grenzen setzen, Konsequenz und Respekt für die kindlichen Bedürfnisse zu finden.
Sobald die Kinder mehr Zeit außerhalb der Familie verbringen, entzieht sich ihr Essverhalten sowieso weitgehend der elterlichen Kontrolle, daher kommt den ersten prägenden Jahren eine besondere Rolle zu. Ganz gleich, ob man einer bestimmten Ernährungsphilosophie folgt oder sich keinen großen Kopf um ernährungswissenschaftliche Hintergründe macht – wenn man den Kindern eine ausgewogene Ernährung vorlebt, sie Freude am Kochen und Essen erleben lässt und möglichst auf Fertigprodukte verzichtet, gibt man ihnen das nötige Rüstzeug mit, ein gesundes Essverhalten zu entwickeln.
Auf Bauch oder Kopf hören
Ernährungsphilosophien gibt es viele – von den Anhängern steinzeitlicher Ernährung über Vegetarier, Veganer und Frutarier bis hin zur Instincto-Therapie. Während die Paleo-Ernährung davon ausgeht, dass der Mensch eigentlich nicht an die moderne Zivilsationskost angepasst ist und sich daher aus Nahrungsmitteln zusammensetzt, die bereits in der Steinzeit verfügbar waren, verzichten Vegetarier und Veganer gänzlich auf Fleisch, je nach Ausprägung auch auf Fisch, Eier und Milchprodukte. Frutarier hingegen essen nur Früchte, die geerntet werden, ohne die Stammpflanze zu schädigen, also Obst, Beeren, Nüsse und Samen. Für Kinder und Jugendliche geeignet sind diese Ernährungsformen nur bedingt – ihr Körper befindet sich im Wachstum und hat einen besonderen Bedarf an Nährstoffen.
Sowohl die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DEG) als auch der Verband der Kinder-und Jugendärzte raten daher von einer rein pflanzlichen Ernährung für Kinder ab. Tatsächlich aber kann es auch gelingen, Kinder gesund vegan aufwachsen zu lassen, wenn man verantwortungsvoll auf die ausreichende Versorgung mit allen wichtigen Vitaminen und Nährstoffen achtet, insbesondere mit Vitamin B12, Vitamn D, Zink, Eisen, Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren.
Infos zu Berliner veganen Restaurants und Einkaufsmöglichkeiten gibt es bei Berlin vegan. Das größte vegane Sommerfest Europas findet vom 19.-21.08.2016 auf dem Alexanderplatz statt: www.veganes-sommerfest-berlin.de
Manchmal sind es auch gar nicht die Eltern, die den vegetarischen oder veganen Lebensstil wählen, sondern das Kind selbst beschließt, fortan Vegetarier sein zu wollen. Doch egal, ob Vegetarier-Kind mit nicht vegetarischen Eltern oder Kind veganer Eltern mit Heißhunger auf Fleisch – wünschenswert ist ein offener und undogmatischer Umgang damit.
Zu verkopft sollte man vielleicht auch nicht an etwas herangehen, das doch im eigentlichen Sinne Bauchsache ist. Man muss es nicht so weit treiben, wie die Anhänger der Instincto-Therapie, die voll darauf vertrauen, dass ihr Geruchs- und Geschmackssinn sie instinktiv zur richtigen Nahrung (die aber naturbelassen sein muss) greifen lässt. Aber falsch ist der Grundgedanke nicht, dass der Körper schon fordert, was er braucht. Vor allem bei Kindern, deren Geschmackssinn noch nicht von künstlichen Zusätzen und einem Zuviel an Zucker und Salz verdorben wurde.
„Es ist praktisch unmöglich, aus dem Angebot, das die Lebensmittelindustrie als Kinderprodukte vermarktet, eine ausgewogene Ernährung zusammenzustellen.“ Foodwatch
Nur vermeintlich gesund
Wahnsinnig gesund, schön bunt und mit beliebten Comicfiguren versehen – besonders Produkte, die für Kinder gedacht sind, werden offensiv vermarktet und bedienen sich nicht selten irreführender Werbeversprechen. Laut der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch ist die Gewinnmarge bei Süßigkeiten, Softdrinks und Snacks etwa drei Mal so groß wie bei Obst und Gemüse.
In einem Marktcheck hat Foodwatch 1514 Kinder-Lebensmittel unter die Lupe genommen und nach der aid-Ernährungspyramide bewertet – im Ergebnis fielen fast drei Viertel der Produkte in die Kategorie „süße und fettige Snacks“, von denen Kinder maximal sprichwörtlich eine Handvoll essen sollten. Auch Bio-Kinderprodukte sind da nicht viel besser, von ihnen fielen knapp 58 % in die sogenannte rote Kategorie.
Seit 2012 müssen sich die Lebensmittelhersteller allerdings gesundheitsbezogene Werbeaussagen (sogenannte Health Claims) von der EU genehmigen lassen. Zugelassen sind laut der EU-Verordnung zu Health-Claims ca. 250 Werbebotschaften – vor allem für Vitamine und Mineralstoffe. Nur etwa jede zehnte der eingereichten gesundheitsbezogenen Aussagen hält einer wissenschaftlichen Überprüfung stand und so sind Werbelügen-Klassiker wie „Actimel aktiviert Abwehrkräfte“ seitdem Geschichte.
Dennoch sind zuckerhaltige Softdrinks weiterhin als Sportgetränke, Früchtetee ohne Früchte, Bonbons als „Vitamine und Naschen“ und salzige Würstchen als gesunder Snack für Kinder im Handel. Die Lobbyisten der Lebensmittelindustrie haben erfolgreich durchgesetzt, dass selbst Süßigkeiten ganz legal mit Gesundheitseigenschaften beworben werden dürfen, sobald ihnen beispielweise Vitamine zugesetzt sind.
Gesundes Essen beginnt beim Einkaufen
Dabei sind Vitaminzusätze bei einer vollwertigen Mischkost überflüssig. Die Lebensmittelpyramide, die in den meisten westlichen Ländern von den Gesundheitsbehörden empfohlen wird, setzt auf eine Ernährung, die sich aus reichlich Vollkornprodukten, Nudeln, Reis und Kartoffeln, viel Obst und Gemüse, ausreichend Milch und Milchprodukten sowie Fisch, Fleisch und Eiern in Maßen und nur gelegentlich etwas Süßem zusammensetzt.
Aus frischen Zutaten selber zu kochen ist nicht nur gesünder und meistens günstiger als Fertigprodukte, sondern lässt Kinder auch miterleben, wie und woraus ein Gericht entsteht. Gemeinsam einkaufen, schnibbeln, kochen, essen und vielleicht auch mal ein Familienausflug zum Bauernhof, aufs Erdbeerfeld, zur Gläsernen Molkerei oder zu einem regionalen Lebensmittelhersteller (die großen Bioladenketten wie denn‘s bieten regelmäßig Touren zu ihren Herstellern an) – so kommen Kinder früh damit in Berührung, welchen Wert eine gesunde Ernährung hat, wieviel Arbeit dahinter steckt und woher die Zutaten für unser Essen kommen.
Regionale Lebensmittelhersteller kann man bei den Entdeckertouren von denn’s Biomärkten www.denns-biomarkt.de besuchen oder im Rahmen der Brandenburger Landpartie www.brandenburger-landpartie.de. Spannend für Kinder ist auch ein Besuch der Gläsernen Molkerei in Münchehofe oder der Gläsernen Meierei in Dechow www.glaeserne-molkerei.de.
Saisonale Produkte aus der Region haben zudem durch kurze Lagerzeiten und Transportwege einen besonders hohen Vitamin- und Mineralstoffgehalt. Auch auf dem heimischen Balkon oder sogar der Fensterbank lassen sich eigene Tomaten, Gurken, Erbsen, Erdbeeren und Co ziehen – welch ein Erlebnis, wenn diese dann tatsächlich auf dem Teller landen. Sollten die Kinder dann Feuer fangen beim Gärtner, bieten sich von Gemeinschaftsgärten bis zu Mietackerflächen Möglichkeiten, diese Leidenschaft zu vertiefen.
In und um Berlin kann man Garten- und Ackerflächen mieten, um dort Obst und Gemüse selbst anzubauen, beispielsweise bei meine ernte www.meine-ernte.de, den Ackerhelden www.ackerhelden.de oder auf dem Landgut Pappelallee www.landgut-pappelallee.de. Infos zu verschiedenen Gartenprojekten in Berlin vom Allmende-Kontor bis zum Prinzessinnengarten findet man in unserem Infoartikel Natur erleben in Berlin. Angebote in München sind unter Natur erleben in München nachzulesen.
Das Auge isst mit
Man muss sich nicht gleich einen Wettkampf um die am schönsten ausstaffierte Brotbox liefern, aber erfahrungsgemäß werden gesunde Snacks lieber weggeknabbert, wenn sie ansprechend und mundgerecht daherkommen. Die Zeit zum Essen in den Schulpausen ist manchmal recht knapp bemessen – wenn man Apfel (mit Zitronensaft beträufelt), Möhre, Paprika, Gurke in Stückchen geschnitten oder Nüsse mitgibt, finden diese auch mal in kurzen Pausen den Weg in den Kindermund.
Die Investition in eine entsprechende Brotbox mit unterteilten Fächern lohnt sich – so bleiben die einzelnen Snacks ansehlich und frischer. Der gute alte Apfel schmeckt den meisten Kindern und ist ungleich gesünder und nahrhafter als jeder Riegel. Das vielzitierte Sprichwort „An apple a day keeps the doctor away“ kommt jedenfalls nicht von ungefähr: Ein Apfel enthält reichlich Ballaststoffe, Vitamine und Mineralstoffe. besonders Vitamin C und Kalium und den Ballaststoff Pektin. Dieser ist wichtig für eine gute Verdauung und ein lang anhaltendes Sättigungsgefühl.
Auch Paprika und Möhre sind geeignete Zutaten für die Brotdose und stecken voller Vitamine und Mineralstoffe. Etwa jedes fünfte Grundschulkind und ein Drittel der Jugendlichen in Deutschland gehen zur Schule, ohne dass sie vorher gefrühstückt haben. Die Gründe sind vielfältig und reichen von mangelnder Fürsorge der Eltern bis zu morgendlicher Hektik im Familienalltag, häufig widerstrebt es dem Kind aber einfach, so früh morgens etwas zu essen. Zwingen sollte man es nicht, aber darauf achten, dass es zumindest etwas trinkt und dann ein gehaltvolles (Vollkorn)Brot für die erste Pause mitgeben.
Das Salz in der Suppe
In früheren Jahrhunderten war Salz so kostbar, dass es als „Weißes Gold“ bezeichnet wurde – heute steht der Salzstreuer überall auf dem Tisch und ist das meistgebrauchte Würzmittel. Kochsalz, also Natriumchlorid, ist ein elementar wichtiger Mineralstoff für den menschlichen Körper und spielt eine wichtige Rolle beim Knochenaufbau, der Verdauung, der Erregbarkeit von Nerven und Muskeln und regelt den Wasserhaushalt.
Da unsere Nahrung allerdings schon viel Salz enthält, insbesondere Fertiggerichte, aber auch Brot, Käse und Wurstwaren, nehmen wir zuviel davon zu uns.
Sechs Gramm Salz pro Tag ist die empfohlene Maximalmenge für Kinder ab elf Jahren und Erwachsene. Kinder unter drei Jahren sollten täglich nicht mehr als zwei Gramm, Kinder unter sechs Jahren weniger als drei Gramm und Kinder zwischen sieben und elf Jahren höchstens fünf Gramm Salz zu sich nehmen.
Wie der Ernährungsbericht der DGE nachweist, konsumieren auch Kinder und Jugendliche deutlich zu viel Kochsalz. Dieses wird vor allem über die Nieren ausgeschieden, die durch einen dauerhaft überhöhten Salzkonsum geschädigt werden können. Auch Bluthochdruck und Schädigungen des Herzens werden damit in Zusammenhang gebracht.
Tatsächlich kann man sich mit Salz vergiften, ein Erwachsener müsste dafür allerdings mehr als zehn Esslöffel innerhalb eines Tages zu sich nehmen, was kaum versehentlich passiert. Anders bei Säuglingen und Kleinkindern, bei denen schon deutlich geringere Dosen zu einer Vergiftung mit Durchfall, Erbrechen und in schweren Fällen Tod infolge von Herz- und Atemstörungen führen können.
Besorgniserregendes Essverhalten
Im Regelfall kann man davon ausgehen, dass ein gesundes Kind, dem eine ausgewogene Ernährung angeboten wird, alle Nährstoffe zu sich nimmt, die sein Körper braucht. Auch Phasen scheinbar ziemlich eintöniger Ernährung müssen nicht gleich Grund zur Sorge geben – viele Kinder verweigern zeitweise z.B. die Sauce zu den Nudeln, ernähren sich wochenlang von nur einer Handvoll verschiedener Lebensmittel, nur Nahrung einer bestimmten Farbe oder sind einfach generell wahnsinnig wählerisch. Auch die Menge der aufgenommen Nahrung kann massiv schwanken.
Jede Familie muss für sich den eigenen Weg finden, damit umzugehen. Aber egal, ob eine Extrawurst gebraten wird, derjenige, der das Familienessen nicht mag, dann einfach nur eine Stulle bekommt oder ob zumindest probiert werden muss – das Essen sollte nicht zum Schauplatz von Machtkämpfen werden.
Mit Geduld kommt man weiter, die meisten Kinder, deren Abneigungen man toleriert und respektiert, kommen früher oder später selbst auf den Geschmack. Immer wieder anbieten und vorleben, dass man selbst mit Genuss isst, ist in jedem Fall besser als dass die Nahrungsaufnahme zum Zankapfel wird. Genausowenig, wie Essen als Belohnung oder Strafe eingesetzt werden sollte, führt es Kinder zu einem gesunden Essverhalten und einer natürlichen Wahrnehmung von Hunger und Sättigung, wenn man sie gegen ihren Willen zwingt, etwas (aufzu)essen.
Besorgte Eltern?
www.sekis-berlin.de listet alle Selbsthilfegruppen der Stadt
Wenn sich aber ein auffälliges Essverhalten über einen längeren Zeitraum hinzieht, ist es für Eltern manchmal nicht leicht, die Grenze zu erkennen, ob es sich schon um ein behandlungsbedürftiges Problem handelt oder ob man nicht durch das Problematisieren des Essverhaltens erst recht zu einem unnatürlichen Verhältnis zum Essen beiträgt.
Magersucht und Ess-Brech-Sucht können vereinzelt bereits im Kindesalter auftreten, auch Übergewicht und Adipositas bringen einige gesundheitliche Risiken mit sich. Eltern betroffener Kinder sind oft unsicher, wie sie sich richtig verhalten – man sollte sich nicht scheuen, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ein Alarmzeichen ist es, wenn man am Kind eine verzerrte Körperwahrnehmung beobachtet. Auch ein maßloses Essverhalten, wenn ein Kind nicht die Grenzen seiner natürlichen Sättigung spürt, sollte man zum Anlass zu einem Gespräch mit dem Kinderarzt nehmen.
Gemeinsam genießen
Wenngleich es im hektischen Familienalltag nicht immer zu realisieren ist – für das gemeinsame Kochen und Essen an einem schön gedeckten Tisch in entspannter Atmosphäre sollte man sich regelmäßig Zeit nehmen. Und man darf die eigene Küche auch mal kalt lassen – gemeinsame Restaurantbesuche haben nicht nur den Vorteil, dass sich jeder sein Wunschgericht aussuchen kann, auch die üblichen Streitereien darum, wer den Tisch deckt, abräumt, spült etc. bleiben außen vor und mehr Zeit fürs Miteinander.
Die Berliner Gastroszene hat jedenfalls für Kinder viel zu bieten. Etwas weniger Tischkultur, aber eine große kulinarische Vielfalt findet man auf den Streetfoodmärkten wie dem Street Food Thursday in der Kreuzberger Markthalle 9, Sonntagsmarkt in der Kulturbrauerei in Prenzlauer Berg, Brunnenmarkt im Wedding (jeweils am ersten Sonntag des Monats) oder in der warmen Jahreszeit beim Bite Club an der Spree in Treptow oder dem Umspannwerk in Kreuzberg – so kann man kulinarisch einmal entspannt um die Welt reisen.
Unsere Autorin Anja Ihlenfeld war als Kind selbst extrem picky und hat sich nur von einer Handvoll Lebensmittel ernährt – heute isst sie jedoch gerne und fast alles. Daher begegnet sie den Marotten ihrer Kinder gelassen – auch wenn es kaum etwas gibt, das allen vieren gleichermaßen schmeckt.
KINDERTHERAPIEN
NICHT ALLES WÄCHST SICH AUS
Therapien für Kinder – wann besteht Handlungsbedarf?
Nur wenig im Leben ruft so große Gefühle hervor wie die Geburt des eigenen Kindes. Plötzlich ist es da, dieses Kind, auf das man neun Monate gewartet hat und das erstmal alles auf den Kopf stellt. Und während man noch überschäumt vor Glück, stellt sich da auch etwas anderes ein, das Eltern ab jetzt immerfort begleiten wird, mal leise und im Hintergrund und mal laut und alarmierend – die Sorge um diesen kleinen Familienzuwachs.
Die Norm ist alles andere als der Regelfall und kein Kind funktioniert lehrbuchartig nach Plan.
Was in vielen Fällen bereits in der Schwangerschaft begonnen hat, setzt sich auch nach der Geburt oft weiter fort. Ist mit dem Baby alles in Ordnung? Bewegt es sich normal? Trinkt es genug? Weint es zuviel? Diese Sorge um unsere Kinder ist berechtigt und natürlich und hört auch im Teenageralter nicht auf, wenn wir Diskussionen um Ausgehzeiten und Schulfragen führen müssen. Stetig ist da diese Frage: Geht es meinem Kind gut?
An Hilfestellung mangelt es dabei nicht. Ratgeberliteratur für Eltern gibt es inzwischen zu jedem erdenklichen Problemfeld, und das nicht zu knapp. Wer möchte, kann sich ganze Regale damit füllen. Auch das Internet sprudelt über vor Elternblogs, Diskussionsforen und Infoportalen. Was die Entwicklung unserer Kinder angeht, scheint der Bedarf an Wissen und Austausch stetig zu steigen, die Unsicherheit, ob etwas nicht normal ist, zu wachsen. Eltern werden dabei immer sensibler, was mögliche Probleme betrifft und wollen schnell richtig handeln.
Gute Startgrundlagen
Um Probleme frühzeitig zu erkennen, sind die Vorsorgeuntersuchungen beim Kinderarzt die erste Station. Hier wird genau geschaut, ob die Entwicklung in allen Bereichen altersgerecht verläuft. Und auch wenn diese zeitlich recht variabel ist, geraten Eltern oft in Sorge, wenn bestimmte Schritte und Phasen auf sich warten lassen. Eine Rolle spielt dabei sicherlich auch der hohe Erwartungsdruck, unter den Eltern sich selbst stellen. Was vielleicht mit ein bisschen Zeit und Bauchgefühl erledigt wäre, wird schnell ein Problem, denn wenn mit dem Kind etwas nicht stimmt, suchen Eltern die Schuld bei sich und wollen zeitig gegensteuern. Denn niemand will sich später Vorwürfe machen, etwas an Förderung versäumt und die Kinder nicht optimal auf die Herausforderungen des Lebens vorbereitet zu haben. Schließlich werden jetzt die Grundsteine für das spätere Leben gelegt. Abweichungen von der Norm machen deshalb Angst.
Zwischen Geduld und Therapie
Dabei ist diese Norm alles andere als der Regelfall und kein Kind funktioniert lehrbuchartig nach Plan. Während einige Kinder schon früh mobil werden und es nicht abwarten können, auf eigenen Beinen zu stehen und die Welt zu erkunden, robben andere eben langsamer durchs Leben. Manche Kinder sind wahre Sprachtalente, die schon als Zweijährige ganze Geschichten erzählen, andere können sich nur langsam für das Reden erwärmen. Auch der Charakter spielt da eine Rolle, wenn einige Kinder schon früh gemeinsam mit Altersgenossen in Fantasiespielen versinken und manche sich im Kontakt mit anderen eher schwer tun. Bei vielen Dingen ist es sicher ratsam, das Kind so zu nehmen, wie es ist und ihm die Zeit zu geben, die es braucht. Denn vieles verwächst sich, wenn man entsprechende Erfahrungsräume zur Verfügung stellt. Auch ist es manchmal empfehlenswert, mehr Freiräume in den Alltag einzubauen anstatt Kinder schon früh in straffe Zeitpläne und Termindruck zu zwängen. Wann allerdings mehr nötig ist und wirklich Handlungsbedarf besteht, sollte immer der Kinderarzt beurteilen. Dieser kann einschätzen, wann die Entwicklung tatsächlich verzögert oder gestört ist und ob eine Therapie angezeigt ist.
Dass das immer häufiger der Fall ist, zeigen die Zahlen einer Umfrage der Techniker Krankenkasse von 2010. Die Studie ergab, dass inzwischen jedes zweite Schulkind in Deutschland bereits einmal in Therapie war. Dass dabei auch die veränderten Lebensbedingungen der Kinder eine Rolle spielen, zeigt sich ebenso: Die gestiegene Nutzung von elektronischen Medien wie Smartphone und Fernseher ist ebenso schädlich für die kindliche Entwicklung wie die mangelnde Bewegung.
Über die Verteilung der Therapien gibt der AOK Heilmittelbericht 2015 ein klares Bild. Spitzenreiter bei den ärztlich verordneten Therapien im Kindesalter ist die Ergotherapie. Dort waren 38,2 Prozent der Patienten Kinder unter 14 Jahre, der Verordnungsgipfel liegt bei Kindern zwischen fünf und neun Jahren. Auf Platz zwei findet sich die Logopädie: Der Anteil an Patienten unter 15 Jahren liegt bei über 60 Prozent und auch hier finden sich die meisten Verordnungen zu Beginn der Schulzeit. Offenbar scheint mit dem Schuleintritt auch die Sorge zu wachsen, dass Kinder aufgrund ihrer Defizite zurückfallen und den Anforderungen nicht gerecht werden können.
Der Anspruch, mitzuhalten, wächst. Welchen Stellenwert solche Behandlungen haben, zeigt sich mit einem Blick auf die Zahlen des GKV-Spitzenverbandes, dem Interessenverband der gesetzlichen Krankenkassen. 2014 lag der Umsatz an verordneten Heilmitteln, also therapeutischen Behandlungen der Ergotherapie, Logopädie, Physiotherapie in der Gruppe der Fünf- bis Neunjährigen bei über 4,4 Millionen Euro. Zum Vergleich: Die Gruppe der Null- bis Vierjährigen lag bei 1,3 Millionen Euro und die der Zehn- bis 14-Jährigen bei 1,5 Millionen Euro.
Fast jedes zweite schulpflichtige Kind hat bereits therapeutische Hilfe bekommen: Jedes vierte Sprachtherapie, jedes fünfte Ergotherapie und mindestens jede zehnte wurde psychotherapeutisch betreut.
Stellen Eltern also zu hohe Erwartungen an ihre Kinder und neigen dazu, schnell auf eine Therapie für ihr Kind zu bestehen, damit es den Anschluss nicht verliert? Zeigen diese Zahlen eine Tendenz zum Übertherapieren, zum optimierten Kind? Nein, meint Dr. Wolfgang Hartmann, Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte in Deutschland. Deutlich werde hier vor allem eine fehlende Förderung im frühkindlichen Bereich zur Vermeidung von Sprachdefiziten und Defiziten im Sozialverhalten, die für viele Kinder in fehlenden Schulabschlüssen und mangelhaften beruflichen und sozialen Aussichten münde. „Hätten wir ein quantitativ wie qualitativ ausreichendes pädagogisches System der sozialkompensatorischen frühkindlichen Förderung, wären solche Kinder dort sicher besser aufgehoben als im Medizinsystem. Wer Ausgabenanstieg bei Heilmittelverordnungen für Kinder anprangert, muss sich fragen lassen, warum die Gesellschaft nicht ausreichend Frühfördereinrichtungen zur Verfügung stellt und die Betreuungseinrichtungen für Kinder nicht so ausstattet, dass sie ihrem Bildungs- und Erziehungsauftrag nachkommen können.“
Bis dahin sind deshalb verordnete Therapien ein wichtiges Mittel, um für gute Startvoraussetzungen und Chancengleichheit zu sorgen und Problemen in der Entwicklung frühzeitig entgegenzusteuern. Welche Therapiemöglichkeiten es gibt, für wen sie geeignet sind und welche Methoden sie anwenden, zeigt im Folgenden eine kleine Übersicht.
THERAPIEN FÜR KINDER IM ÜBERBLICK
KINDERTHERAPIEN IM ÜBERBLICK
Ergotherapie
Logopädie
Physiotherapie
Ostheopathie
Integrative Lerntherapie
Gesprächs- und Verhaltenstherapie
Spieltherapie
Pferdegestützte Tiertherapie
Chiropraktik
Ergotherapie
Wenn Kleinkinder nicht anfangen wollen zu krabbeln, nicht altersgerecht spielen oder später im Schulalter häufig unkonzentriert und überfordert wirken oder Probleme beim Malen oder Schleifen binden haben, kommt in vielen Fällen eine Ergotherapie in Frage. Die kleine Auswahl zeigt dabei schon an, wie breit dieses Feld aufgestellt ist. Aber was genau verbirgt sich dahinter? Der Deutsche Verband der Ergotherapeuten (DVE) definiert als Ziel der Ergotherapie die Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit in allen alltäglichen Bereichen als Basis für die eigene Gesundheit. Bestehende Einschränkungen durch Krankheiten, Entwicklungsrückstände oder andere Beeinträchtigungen werden dabei mit verschiedenen Therapietechniken so behandelt, dass möglichst viel Selbstständigkeit wiedererlangt wird. Bei Erwachsenen kommt die Ergotherapie beispielsweise nach einem Schlaganfall oder bei Artrithis zum Einsatz, ein gutes Drittel der Patienten sind allerdings Kinder im Vorschul- und Grundschulalter. Gründe für eine Verordnung bei Kindern sind vor allem Verzögerungen in der Entwicklung und Warnehmungsstörungen, das Feld der Probleme reicht dabei von Schwierigkeiten bei der Feinmotorik bis zu Konzentrationsschwierigkeiten oder psychischen Auffälligkeiten.
Mit sportlichen Spielen, Koordinierung- und anderen Übungen fördert die Ergotherapie die körperliche und soziale Entwicklung von Kindern.
Das praxisorientierte Behandlunsgkonzept umschließt körperliche, seelische und soziale Faktoren und ist je nach Patient individuell gestaltet. Grundlage ist deshalb immer eine genaue Bestandsaufnahme im Erstgespräch unter Berücksichtigung des Entwicklungsstandes beim Kind. Je nach Problem wird dann ein persönlicher Therapieplan erstellt, wobei die Behandlung ganz unterschiedlich sein kann. Besonders häufig zum Einsatz kommt dabei zum einen die Sensomotorische Integrationstherapie, die davon ausgeht, dass Schwierigkeiten in der Wahrnehmungsverarbeitung zu Problemen wie fehlender sozialer Integration oder Bewegungsstörungen führen können. Mittels sportlicher Spiele, körperlicher Übungen, Koordinierungsaufgaben und auch gestalterischer Arbeiten soll die Verarbeitung der aufgenommenen Sinne besser strukturiert und dem Kind mehr Sicherheit in seinem Handeln gegeben werden. Bereits Säuglinge, die viel schreien und sich schlecht beruhigen lassen oder ungewöhnlich auf Berührungen reagieren, lassen sich so behandeln. Zum anderen werden mit dem Bobath-Konzept spielerisch Bewegungsmuster erlernt, die auch im Alltag angewendet und so langfristig abgespeichert werden können. Die Ergotherapie kann als Heilmittel ärztlich verordnet werden, die Behandlung wird von der Krankenkasse übernommen.
Logopädie
Während der eine schon als Zweijähriger die Mehrwortsätze in korrekter Aussprache schafft, sind andere noch mit vier eher wortkarg. Wie viele andere Bereiche der kindlichen Entwicklung auch ist der Spracherwerb äußerst variabel und verläuft selten normativ. Es ist also nicht gleich eine Therapie nötig, wenn das Kindergartenkind die sprachliche Unterscheidung zwischen weiß und weich oder zwischen kleckern und klettern nicht schafft. Auch Kinder, die mehrsprachig aufwachsen, haben manchmal einige Schwierigkeiten. Wer sich Sorgen macht, ist deshalb beim Kinder- oder Facharzt am besten aufgehoben, der im Fall einer Störung zum Logopäden überweisen kann. Insbesondere bei den Vorsorgeuntersuchungen wird genau hingeschaut und auch das Hörvermögen, eine Grundvoraussetzung für den Spracherwerb, getestet. Wo es bei manchen Kindern mit kleinen Sing- und Sprachspielen im Alltag getan ist, ist bei diagnostizierten Sprachstörungen eine logopädische Therapie angezeigt, um Folgeprobleme wie eine Lese-Rechtschreib-Schwäche zu vermeiden. Auch deshalb sind sprachtherapeutische Behandlungen auf Platz eins bei den verordneten Heilmitteln im Vorschulalter.
Wo es bei manchen Kindern mit Sing- und Sprachspielen im Alltag getan ist, bedarf es bei anderen einer logopädischen Therapie.
Unterschieden wird in der Logopädie zwischen Artikulationsstörungen, bei denen einzelne Laute nicht korrekt gesprochen werden, Sprachentwicklungsstörungen, die auch Grammatik, Wortschatz und das Verstehen betreffen, Redeflussstörungen und Stimmstörungen. Wie bei der Ergotherapie wird auch in der Logopädie ein individueller Therapieplan nach ausführlicher Befunderhebung erstellt, der insbesondere bei kleinen Kindern spielerisch einzelne Bereiche fördert. In der Regel erfolgt die Behandlung in Einzelsitzungen. So können einzelne Laute beim gemeinsamen Spiel mit dem Einkaufsladen geübt oder der Wortschatz mit Spielen wie Memory oder Koffer packen erweitert werden. Auch kleine Rollenspiele ebenso wie gemeinsames Singen können Aussprache und Satzbau verbessern, Pustespiele werden zur Verbesserung der Mundmotorik eingesetzt. Wichtig ist vor allem, dass nach Anleitung des Therapeuten auch Übungen in den Alltag übernommen werden und Eltern ihren Kindern helfen, das Erlernte zu festigen. Als anerkanntes Heilmittel werden die Kosten einer sprachtherapeutischen Behandlung mit ärztlicher Verordnung von den Krankenkassen übernommen.
Physiotherapie
Die Anleitung der Eltern zu alltäglichen Übungen und praktischen Maßnahmen spielt auch in der Physio-therapie eine wichtige Rolle. Was früher allgemein unter dem Begriff „Krankengymnastik“ lief, ist heute ein therapeutisches Feld mit weit größerem Handlungsspielraum. Mittels Bewegungstherapie und physikalischer Therapie wie Massagen oder Wärmebehandlungen werden nicht nur akute Erkrankungen und Probleme behandelt, Vorbeugung und Rehabilitation sind ebenso grundlegender Bestandteil der Physiotherapie. Durch aktiv ausgeführte Übungen sollen Schmerzen gelindert, Kraft und Ausdauer verbessert werden, außerdem werden gesunde Bewegungsmuster eingeübt. Kleine Kinder werden vorrangig von Kinder-Physiotherapeuten behandelt, die über spezielle Fortbildungen als Bobath- oder Vojta-Therapeut verfügen. Mit dem Bobath-Konzept werden in der Physiotherapie vor allem motorische Fehlentwicklungen behandelt. Das beginnt schon bei Säuglingen mit Schiefhaltungen, Verzögerungen in der Bewegungsentwicklung oder Wahrnehmungsstörungen bis zu Gleichgewichtsproblemen und Fehlhaltungen bei bereits älteren Kindern.
Dem Alter entsprechend wird mit Gymnastikbällen, Schaukeln, im Klettertunnel oder auf dem Boden kindgerecht ein gesunder Bewegungsablauf geschult und die motorische Entwicklung gefördert. Grundlage der Vojta-Therapie ist der Gedanke, dass sich durch bestimmte Reize der Teil des Gehirns beeinflussen lässt, der für Bewegung und Haltung zuständig ist, so die Definition des Deutschen Verbands für Physiotherapie. Angeborene Bewegungsmuster können so mit gezieltem Druck aktiviert werden. Was erstmal schwierig klingt, ist eigentlich recht einfach: Alle Bewegungsmuster, die es für eine gesunde Fortbewegung braucht, sind bereits im Kind angelegt. Probleme im Bereich des zentralen Nervensystems können die Ausbildung dieser Fähigkeiten blockieren. Durch die Stimulation der Druckpunkte durch die Therapeutin werden bestimmte Reflexe ausgelöst und elementare Bewegungsmuster hervorgerufen. Während mit dem Bobath-Konzept also erwünschte Bewegungsabläufe trainiert und unerwünschte gehemmt werden, liegt der Fokus in der Vojta-Therapie nicht auf dem Erlernen bestimmter Techniken, sondern setzt bei der Grundvoraussetzung für eine gesunde Entwicklung an. Beide Methoden sind als physiotherapeutische Maßnahmen anerkannt und werden von überweisenden Kinderärzten verordnet. Die Kosten der Behandlungen trägt die Krankenkasse.
Osteopathie
Die erste Zeit mit dem neugeborenen Familienzuwachs sollte für Mutter und Kind möglichst entspannt sein, um im neuen Lebensabschnitt anzukommen. Müdigkeit und Unsicherheit gehören sicherlich in dieser besonderen Zeit immer mit dazu, aber wenn der Nachwuchs unaufhörlich weint, immer schlechter schläft und sich nur schwer beruhigen lässt, kommen beide bald an ihre Grenzen. Eine klare Ursache lässt sich oft nicht finden und Eltern bleiben ratlos. Hilfe kann da oft der Gang zum Osteopathen bringen. Die Heilmethode stellt den Patient als Einheit von Körper und Geist in den Mittelpunkt, dessen Beschwerden niemals isoliert betrachtet werden. Vielmehr begreift der Osteopath den Körper als ein komplexes System von Knochen, Muskeln, Sehnen, Organen und Nerven, das von den Faszien zusammengehalten wird. Gesund ist der Körper dann, wenn in diesem System alles frei beweglich und mobil ist. Treten Störungen und Blockaden auf, kommt es zu Beschwerden. Über die Faszien und Nervenbahnen können diese Störungen auch Probleme an ganz anderen Köperbereichen verursachen. So kann bei Säuglingen ein eingeklemmter Nerv am Hals zu Verdauungsproblemen und schmerzhaften Blähungen führen. Der Osteopath spürt mit seinen Händen solche Blockaden als Ursache auf und löst sie mit manuellen Techniken.
Wenn der blockierte Nerv zu Verdauungsproblemen führt, kann der Gang zum Ostheopathen Abhilfe verschaffen – hier wird ganzheitlich geheilt.
Besonders bei Säuglingen und kleinen Kindern kommt häufig die Cranio-Sacral-Therapie, eine therapeutische Methode der Osteopathie, zum Einsatz. Diese beschäftigt sich vor allem mit der Verbindung zwischen Schädel und Wirbelsäule und wird oft bei Störungen angewendet, die auf Probleme bei der Geburt zurückzuführen sind. Wer sein Kind von einem Osteopathen behandeln lassen möchte, sollte sich an einen speziell ausgebildeten Kinderosteopathen wenden, der über ein entsprechendes Wissen zur kindlichen Entwicklung verfügt. Der Verband der Osteopathen Deutschland listet auf seiner Seite Therapeuten mit nachgewiesener mindestens vierjähriger osteopathischer Ausbildung, alle Therapeuten mit fachlicher Weiterbildung zur Behandlung von Kindern sind hier extra gekennzeichnet. Auch wenn die Osteopathie nicht zum Heilmittelkatalog der gesetzlichen Krankenkassen gehört, beteiligen sich inzwischen zahlreiche Kassen an den Kosten der Behandlung. Wieviel jeweils übernommen wird, ist dabei unterschiedlich.
Integrative Lerntherapie
Wer bereits Schulkinder hat, dem sind Sorgen und Probleme mit Hausaufgaben, Noten und Lernzeiten sicher keine Unbekannten. Selten durchlaufen Kinder ihre Schullaufbahn ohne Phasen von Unlust und Desinteresse, in der auch mal die Noten abfallen, oder Schwierigkeiten in Fächern, die ihnen einfach nicht so liegen. Häufig müssen Lücken dann mit Nachhilfe aufgeholt werden – doch das ist nicht mit einer Lerntherapie zu verwechseln. Diese kommt erst bei gravierenden Problemen wie einer diagnostizierten Lese-Rechtschreib-Schwäche, Legasthenie oder Dyskalkulie, aber auch bei ausgeprägten Konzentrationsstörungen oder enormen Schulängsten zum Einsatz und hat nicht zur Aufgabe, den Schulstoff nachzuholen, sondern dem Kind eine Basis zu schaffen, um lernen zu können. Die Therapie ist deshalb immer individuell auf das Kind, seinen Entwicklungsstand und seine Probleme abgestimmt und beinhaltet neben psychotherapeutischer Begleitung oft auch Elemente aus der Ergo- oder Kreativtherapie. Kernziel ist das Überwinden von Blockaden und die Stärkung des Selbstwertgefühls.
Eine Frage des Geschlechts: Unter den Fünf- bis Neunjährigen sind bei den Jungs bereits 24 Prozent therapieerfahren, bei den Mädchen lediglich 15 Prozent.
Viele Kinder, bei denen eine Lerntherapie indiziert ist, haben bereits viele Misserfolge und Diskriminierung durch Mitschüler in der Schule erlebt und sind dementsprechend frustriert. Hier gilt es, zunächst einen positiven Zugang zum Lernen zu schaffen. Zur Anwendung kommen unter anderem Konzentrations- und Wahrnehmungsübungen, Gedächtnisspiele, Bewegungsübungen, feinmotorische Übungen und kreative Ausdrucksmöglichkeiten. Wichtig sind die Ausbildung von Strategien für ein erfolgreiches Lernen als Fundament für einen langfristigen Erfolg. In einigen Fällen können die Kosten für eine integrative Lerntherapie auf Antrag vom Jugendamt übernommen werden.
Gesprächs- und Verhaltenstherapie
Wenn das normale emotionale Auf und Ab im Teenageralter zu einem ernsten Problem wird, ist es wichtig, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Das Bündnis Depression spricht von drei bis zehn Prozent der Jugendlichen zwischen zwölf und 17 Jahren, die an einer Depression leiden. Damit zählt die Depression zu den häufigsten psychischen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter. Erste Anzeichen können übermäßige Erschöpfung, Antriebslosigkeit, Aggressionen oder psychosomatische Beschwerden wie häufige Kopf- und Bauchschmerzen sein. Für Eltern ist es da nicht immer einfach abzuschätzen, ob die Beschwerden auf eine ernsthafte Krankheit hindeuten.
Neben belastenden Situationen wie Trennungen oder Verlusten kann auch zu großer Druck und zu hohe Erwartungen psychisch krank machen. Oft fühlen sich Jugendliche überfordert und fürchten, die gesteckten Ziele nicht zu erreichen: Immer mehr Therapeuten berichten von Jugendlichen mit sogenannten Burnout-Anzeichen. Auch Mobbing wird immer häufiger zu einem ernsten Problem. Wenn die Symptome über längere Zeit anhalten und sich nicht bessern, sollte fachlicher Rat eingeholt werden, um schwerwiegende Folgen zu vermeiden. Neben einer Depression sind auch Störungen im Sozialverhalten, Essstörungen und Suchterkrankungen bei Jugendlichen Gründe, die für eine Gesprächs- oder Verhaltenstherapie sprechen können. Welche Methode angezeigt ist, entscheidet der Therapeut nach der Analyse. In der Gesprächstherapie finden Kinder und Jugendliche einen geschützten Raum, um ihre Schwierigkeiten im Gespräch mit dem Therapeuten auszudrücken und nach Lösungen zu suchen.
Ziel ist immer zunächst, das Problem zu erkennen und das eigene Verhalten zu reflektieren. Ähnlich wie in der Gesprächstherapie wird auch in der Verhaltenstherapie nach den Ursachen des Problems geforscht, um auslösende Faktoren ausfindig zu machen. Aus den gewonnenen Ergebnissen leitet sich dann ab, welche Maßnahmen möglich sind, um neue Verhaltensweisen zu erlernen. Das kann die Verstärkung von positiven Elementen in der Selbstwahrnehmung sein, eine schrittweise Annäherung an beängstigende Situationen oder das Üben von Selbstkontrollmechanismen. Wie genau die Therapie abläuft, ist immer ganz vom Patienten abhängig. Sowohl die Gesprächs- als auch die Verhaltenstherapie ist wie die Spieltherapie der Psychotherapie zugehörig, die bei Indikation von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen wird.
Spieltherapie
Der Begriff Spieltherapie bezeichnet eine Methode aus der Kinder- und Jugendpsychotherapie, die vor allem bei Kindern zwischen vier und zwölf Jahren zum Einsatz kommt. Wie der Name schon nahelegt, wird das therapeutische Spiel benutzt, um Kindern die Möglichkeit zu geben, ihre Gefühle auszudrücken und Probleme zu lösen. Wo bei Erwachsenen Konflikte über das Gespräch gelöst werden, kommt bei Kindern das Spiel zum Einsatz, um das innere Erleben zum Ausdruck zu bringen. Ein gutes Vertrauensverhältnis zwischen Kind und Therapeut ist dabei wichtigste Voraussetzung. Neben Rollenspielen und dem Eintauchen in Fantasiewelten werden auch Spielsachen wie Handpuppen, Spielfiguren und ähnliches integriert, wobei der Therapeut nicht das Spiel vorgibt, sondern gemeinsam mit dem Kind eintaucht. Auch Karten- und Brettspiele sowie Materialien wie Knete oder Ton werden benutzt. Ziel ist immer, dass das Kind seinen Emotionen Ausdruck verleihen kann und im Spiel Konflikte verarbeiten kann.
Im Spiel lassen sich so auch unangenehme oder beängstigende Situationen und Gefühle verarbeiten und neue Handlungsstrategien erproben, ohne die Folgen in einer wirklichen Situation fürchten zu müssen.
Gleichzeitig wird das positive Selbstbild gestärkt. Mögliche Indizien, dass eventuell eine Spieltherapie angezeigt ist, können Probleme im Kindergarten oder in der Schule, besonders aggressives oder ängstliches Verhalten, Schlafstörungen, Beziehungsstörungen und mehr sein. Auch stark belastende Situationen oder familiäre Probleme können Gründe sein. Speziell ausgebildete Kinder- und Jugendpsychotherapeuten erstellen zunächst eine gründliche Diagnostik und entscheiden dann, welche Hilfe das Kind braucht. Bei entsprechender Indikation trägt die Krankenkasse die Behandlungskosten einer Psychotherapie, wobei zu beachten ist, dass der Therapeut über eine Kassenzulassung verfügt. Da es insgesamt nicht viele Therapieplätze gibt, muss man zuweilen mit langen Wartezeiten rechnen.
Pferdegestützte Tiertherapie
Das Glück der Erde liegt manchmal tatsächlich auf dem Rücken der Pferde. Die sozialen Herdentiere haben als therapeutische Helfer bereits eine lange Tradition und werden bei den unterschiedlichsten Schwierigkeiten eingesetzt. Dabei geht es nicht allein ums Reiten. Der Begriff Pferdegestützte Therapie versammelt mehrere Schwerpunkte: Die Hippotherapie ist eine physiotherapeutische Maßnahme für Patienten mit neurologischen Bewegungsstörungen, die sich die Schwingungsimpulse beim Reiten als heilsamen Effekt zunutze macht, auf den der Köper reagiert. Gleichgewicht, Koordination und Muskelfunktionen werden so unterstützt. Eine Hippotherapie wird von den Krankenkassen nicht übernommen.
Für Kinder mit sozialen oder psychischen Problemen kann es hilfreich sein, das Pferd als wertfreies Gegenüber zu erleben.
Auch eine ergotherapeutische Behandlung mit Pferd ist möglich. Dabei werden insbesondere die Wahrnehmung, die Sensomotorik und die Stärkung des Sozialverhaltens gefördert. In Einzelfällen können die Kosten im Rahmen einer Ergotherapie übernommen werden, wenn eine Sonderverordnung vorliegt. Die Heilpädagogische Förderung mit dem Pferd stellt besonders die Beziehung zum Therapiepferd in den Mittelpunkt. Im direkten Kontakt werden soziale Fähigkeiten erlernt und das Selbstwertgefühl gesteigert. Gleichzeitig werden beim Voltigieren auch motorische Kompetenzen erlangt. Insbesondere für Kinder mit sozialen oder psychischen Problemen kann es hilfreich sein, das Pferd als wertfreies Gegenüber zu erleben. In der Regel werden die Kosten einer Therapie nicht übernommen.
Chiropraktik
Mit der Hand behandeln – die wörtliche Übersetzung der Chiropraktik lässt erkennen, was hier wesentlich ist. Schmerzvolles und brachiales Einrenken, wie man es manchmal mit der Chiropraktik verbindet, ist damit allerdings nicht gemeint. Mit gezielten Techniken werden Blockaden an den Wirbeln und Gelenken gelöst, um Druck von den Nerven zu nehmen und Schmerzen zu lindern. Die behandelten Fehlstellungen können dabei sowohl aus falschen Bewegungen und Belastungen als auch aus Haltungsfehlern oder Unfällen resultieren. Bei Säuglingen und Kindern können diese Probleme auch ihren Ursprung in der großen Belastung des Körpers bei der Geburt haben.
Anzeichen für mögliche Gelenkblockaden sind dann oft Unruhe und häufiges Schreien, Berührungsempfindlichkeit, eine schiefe Kopfhaltung oder auch Schluckbeschwerden und Koliken. Besonders häufig betroffen sind die Wirbel der oberen Halswirbelsäule. Unter Berücksichtigung des kindlichen Bewegungsapparates werden mit gezielten Griffen und sanftem Druck Gelenke und Wirbel mobilisiert und wieder in die richtige Position gebracht. So kann auch motorischen Entwicklungsverzögerungen vorgebeugt werden.
Unsere Autorin und zweifache Mutter Antje Kölling weiß aus eigener Erfahrung, wie hilfreich Therapeuten sein können, dennoch ist sie skeptisch, ob es nicht in vielen Fällen besser wäre, etwas abzuwarten, bevor man das Kind als behandlungsbedürftig einstuft.
GESUNDE ZÄHNE – EIN GUTER BISS
Positiv bleiben! Bei einem Thema wie den Zähnen fällt das leidgeprüften Eltern (und Autorinnen mit Zahnarzt-Angst) ein bisschen schwerer als sonst. Schon die Milchzähnchen können einem Säugling das Leben schwer machen, bis sie dann endlich die Zahnfleischdecke durchbohrt haben. Wackelzähne werden zwar erst mit Stolz begrüßt, aber mit der Zeit nervt das wenig standfeste Kauwerkzeug, weil es sich vielleicht beim Essen verkantet und sich dann komisch anfühlt. Und sind erst die bleibenden Zähne da, wird’s richtig ernst. „Bleibend“ ist ja unter Vorbehalt zu verstehen. Wer seine Zähne nicht pflegt, von dem verabschieden sie sich irgendwann. Zumindest in Teilen.
So viel zur nicht ganz so positiven Einleitung. Dabei gehören Zähne zu den wenigen Körperteilen, die sich richtiggehend reparieren lassen, auch gerade schieben, entfernen und ersetzen. Auch wenn wir sie nicht mehr wie der Neandertaler als richtiges Werkzeug einsetzen – er benutzte die Zähne als „dritte Hand“, Schraubstock oder Zange – macht Essen und sogar Sprechen mit einem gut funktionierenden Kau- und Sprechapparat einfach viel mehr Spaß. Damit das so bleibt, gilt es von Kindesbeinen an ein paar einfache Regeln zu beachten. Zahnhygiene von Anfang an zum Beispiel und eine zahngesunde Ernährung.
Beim Zahnarzt – Der erste Besuch
Auch wenn Kinder noch gar keine Zähne und deshalb auch kein Zahnweh haben, sind erste Schnupperbesuche beim Zahnarzt eine gute Idee: Er berät die Eltern über zahngesunde Ernährung, und gleichzeitig lernen Kinder die Umgebung kennen und bauen Vertrauen zu dem Mann mit dem Bohrer auf. Den er im Idealfall nie zu zücken braucht.
Was nicht kaputt ist, soll man nicht reparieren. Aber ums Reparieren geht es auch nicht beim ersten Besuch beim Zahnarzt, sondern um ein erstes Beschnuppern. Deshalb empfehlen viele Zahnärzte, schon ab dem ersten Milchzahn regelmäßig in die Praxis zu kommen. Diese ersten Termine dienen vor allem der Information der Eltern, damit sie die Mundgesundheit ihres Kindes von Anfang an fördern. Außerdem gewöhnt sich das Kind dabei an die Zahnarztpraxis, daran, wie es dort riecht und was dort passiert. Es baut so Vertrauen auf und lernt, dass der Zahnarztbesuch etwas Selbstverständliches ist. Bilderbücher und Rollenspiele helfen, grundsätzliche Abläufe zu üben: Mund lange aufmachen und aushalten, dass mir jemand im Mund herumwerkelt. So weit zur Theorie.
Viele Eltern finden den Weg zum Zahnarzt oft erst mit älteren Kindern, mit denen sie diesen Termin im Vorfeld besprechen. Gut gemeinter Zuspruch bewirkt dabei oft das Gegenteil. „Du brauchst keine Angst zu haben, es tut sicher nicht weh!“ – davon hört ein Kind „Angst“ und „weh“ und speichert im Unterbewusstsein unter „Zahnarzt“ diese negativen Gefühle ab. Auch falsche Versprechungen können das Vertrauensverhältnis zwischen Eltern und Kind, aber auch zwischen Zahnarzt und Kind nachhaltig untergraben. Lieber also nicht versprechen: „Es ist nur eine Kontrolle und es passiert garantiert nichts“, wenn vielleicht doch eine Behandlung ansteht. Außerdem: den Zahnarzt nicht als Drohung einsetzen. „Wenn du dir nicht ordentlich die Zähne putzt, bekommst du Löcher in den Zähnen und musst zum Zahnarzt“ ist zwar faktisch richtig, aber der Zahnarzt kommt in dem Satz gar nicht gut weg. Für eine tapfer durchgestandene Untersuchung empfehlen Ärzte weniger eine Belohnung als ein ehrliches Lob.
Nur kein Stress – je entspannter Eltern und Kind in der Praxis ankommen, umso besser für alle Beteiligten. Wenn ihr selbst sehr ängstlich seid, haltet euch so gut wie möglich zurück. Lasst euer Kind im Mittelpunkt stehen und Fragen selbst beantworten. Und wenn alles ganz anders kommt und euer Kind große Angst vor dem Zahnarztbesuch hat? Nehmt es ernst, geht auf seine Fragen ein, aber trotzdem zum Termin hin. Ein guter Arzt weiß, wie er mit der Situation umgehen kann. Vielleicht lässt sich erst der Teddy untersuchen, danach auch noch die Mama, und wenn das Kind es erst mal auf den Zahnarztstuhl geschafft hat, ein paar Mal auf und ab gefahren ist und heil wieder runtergekommen ist, geht es das nächste Mal sicher lieber hin.
KIEFERORTHOPÄDIE
KIEFERORTHOPÄDIE – RICHTIGSTELLUNG
Zahnspangenträger gehen heute hocherhobenen Hauptes durch die Welt – die Zahnspange hat ihr uncooles Image längst hinter sich gelassen und ist inzwischen in vielen Farben und Formen erhältlich.
Laut Stiftung Warentest unterzieht sich heute fast jedes zweite Kind einer kieferorthopädischen Behandlung. Das liegt nicht nur an unserem hohen Lebensstandard und unserer Vorliebe für Ästhetik in jeder Lebenslage oder daran, dass Zahnspangen ihr Image in den letzten Jahren enorm verbessern konnten, sondern auch daran, dass unser Kiefer ernährungs- und entwicklungsbedingt schmaler wird, wir jedoch nach wie vor die gleiche Anzahl von Zähnen unterbringen müssen. Unser Allesfresser-Gebiss funktioniert aber nur, wenn die Zähne nicht aus der Reihe tanzen – sonst klappen weder Abbeißen, Kauen noch Sprechen richtig.
Kieferorthopädische Eingriffe können schon im Kleinkindalter sinnvoll sein. Hat sich zum Beispiel ein Milchzahn zu früh verabschiedet, wird ein Platzhalter eingesetzt, damit nicht die ganze Reihe in Unordnung gerät. Wann Fehlstellungen wie Kreuzbiss, Überbiss oder Vorbiss korrigiert werden sollen, hängt weniger vom Alter des Kindes ab als vom „Durchbruchsbefund“ – also, wie weit die zweiten Zähne sind. Möglichst früh werden angeborene und extreme Zahnfehlstellungen und Kieferfehllagen behandelt – schon während der Grundschulzeit in der ersten Phase des Zahnwechsels. In der späten Phase des Zahnwechsels, also mit etwa neun, zehn Jahren, können Klammern oder Spangen das Wachstum der Zähne in die richtige Position lotsen, um zum Beispiel Tief- oder Kreuzbisse zu behandeln. In diesem Alter ist der Kiefer noch gut formbar. Ein weiteres Plus: Auch die kleinen Patienten sind jetzt noch lenkbarer als mit Eintritt der Pubertät.
Die Frühbehandlung wird von den Kassen maximal eineinhalb Jahre übernommen, die reguläre Behandlung ab neun Jahren sollte nach vier Jahren abgeschlossen sein. Zur Wahl stehen verschiedenste Formen von fest angebrachten und losen Zahnspangen, die zum Beispiel nur nachts getragen werden. Bei den festen Brackets sollten sich alle Beteiligten an eine eventuell unangenehme Gewöhnungszeit einstellen. Gegen anfängliche Schmerzen helfen weiche Nahrung und Eiswürfel; Spülungen (leicht gesalzenes Wasser, Salbei) lindern Entzündungen und wunde Stellen. Wer zu Schmerzmitteln greifen muss, sollte sich beraten lassen – Aspirin zum Beispiel wirkt blutverdünnend kann kontraproduktiv sein. Bei der Zahnhygiene klinken sich Zahnspangen-Eltern am besten noch mal ein – festsitzende Klammern lassen sich nur schwer reinigen, und bis die Kinder den Dreh raus haben, brauchen sie Hilfe, damit sich keine Karies unter den Drähten und Halterungen bildet.
Unsere Autorin Pia Arras-Pretzler ist selber keine angstfreie Zahnarztpatientin, daher hat sie die Aufgabe, ihre vier Kinder so früh wie möglich mit dem Zahnarztbesuch vertraut zu machen, bevor es überhaupt etwas zu „reparieren“ gibt, erfolgreich ihrem Mann überlassen.
KINDERKRANKHEITEN
VON DREITAGEFIEBER BIS ZIEGENPETER
Meistens verlaufen sie komplikationslos, doch ganz harmlos sind die sogenannten Kinderkrankheiten nicht – unbedingt sofort ärztlichen Rat suchen, wenn sich der Allgemeinzustand des Kindes plötzlich massiv verschlechtert, es einen steifen Nacken und starke Kopfschmerzen bekommt oder teilnahmslos und benommen wirkt.
Scharlach
Scharlach zählt zu den häufigsten bakteriellen Infektionskrankheiten bei Kindern. Die Streptokokken verursachen eine Halsentzündung und bilden Toxine, die zum Ausschlag führen. Es ist möglich, mehrfach an Scharlach zu erkranken.
Inkubationszeit: ein bis fünf Tage
Ansteckung: hochansteckend ab ca. einem Tag vor Krankheitsbeginn bis etwa 24 Stunden nach Beginn der Antibiotikatherapie, unbehandelt über mehrere Wochen.
Symptome: plötzlicher Beginn mit schnell steigendem Fieber, evtl. Schüttelfrost • Kopfschmerzen • zunächst gelblich-weiß belegte Zunge • nach zwei bis drei Tagen rot verfärbt mit geschwollenen Zungenknospen „Himbeer-Zunge“, hochrot entzündeter Rachen • rot geschwollene Mandeln • in den Leisten und unter den Achseln einsetzender feinfleckiger rötlicher nichtjuckender Ausschlag, der sich auf den ganzen Körper ausbreitet • Handinnenflächen und Fußsohlen sind ausgespart • das Gesicht ist gerötet, nur die Partie rund um den Mund bleibt blass • der Ausschlag verschwindet nach sechs bis neun Tagen.
Komplikationen: Entzündungen des Mittelohrs, der Nebenhöhlen und der Lunge. Ohne Antibiotikatherapie kann selten als Streptokokken-Spätfolge akutes rheumatisches Fieber auftreten.
Wann zum Arzt: Verdacht auf Scharlach immer vom Arzt abklären lassen. Wenn es dem Kind auch am dritten Tag mit Antibiotika nicht besser geht.
Impfung: nicht möglich.
Mumps
Auch Ziegenpeter genannte Virusinfektion. Wer eine Mumps-Erkrankung überstanden hat, ist in der Regel lebenslang immun, in seltenen Fällen kann man auch nach vollständiger Impfung an Mumps erkranken.
Inkubationszeit: zwölf bis 25 Tage.
Ansteckung: Ansteckungsgefahr besteht eine Woche vor bis neun Tage nach Beginn der Ohrspeicheldrüsenschwellung.
Symptome: grippeähnliche Krankheitszeichen wie Mattigkeit, Appetitlosigkeit, Kopf- und Gliederschmerzen sowie Fieber • schmerzhafte, entzündliche Schwellung der Ohrspeicheldrüsen, zunächst einseitig, später beidseitig • auch die Speicheldrüsen im Unterkiefer bzw. unter der Zunge sowie die benachbarten Lymphknoten können anschwellen • viele Infektionen verlaufen fast beschwerdefrei, vor allem bei Kindern unter fünf Jahren treten oft nur Erkältungssymptome auf.
Komplikationen: zusätzliche bakterielle Entzündungen der Haut, selten Nerven- und Gehirnentzündungen. Hodenentzündungen bei geschlechtsreifen Jungen können zu Unfruchtbarkeit führen. In den ersten sechs Schwangerschaftsmonaten kann eine Erkrankung der Mutter zu schweren Fehlbildungen des Kinds führen.
Wann zum Arzt: sofort, wenn das Kind Bauchschmerzen bekommt (evtl. Bauchspeicheldrüsenentzündung).
impfung: empfohlene Regelimpfung.
Röteln
Nur etwa die Hälfte dieser Virusinfektion bei Kindern verläuft mit sichtbaren Krankheitszeichen, dennoch sind sie ansteckend.
Inkubationszeit: 14 bis 21 Tage. ansteckung: hoch ansteckend etwa eine Woche vor bis zu einer Woche nach dem Auftreten des Ausschlags.
Symptome: erkältungsähnlich mit leichtem Fieber und leicht entzündeten Atemwegen • feinfleckiger Ausschlag, beginnend im Gesicht und dann von oben nach unten über den ganzen Körper ausbreitend • geschwollene Lymphknoten im Nacken und hinter den Ohren • manchmal Bindehautentzündung.
Komplikationen: im Kindesalter verläuft die Erkrankung meist komplikationslos, Jugendliche und Erwachsene erkranken schwerer mit Bronchitis, Mittelohrentzündung oder Gelenkbeschwerden. Selten Gehirnhautentzündung. Während der Schwangerschaft können Röteln zu schweren Schädigungen des ungeborenen Kindes führen.
Wann zum Arzt: wenn das Kind zusätzlich zum Ausschlag Symptome einer Ohrentzündung oder starke Kopfschmerzen entwickelt.
Impfung: empfohlene Regelimpfung.
Windpocken
Windpocken werden vom Varizella-Zoster-Virus verursacht. Ist die Krankheit überstanden, bleiben die Viren im Körper und können später eine Gürtelrose hervorrufen, die wiederum ungeschützte Personen mit Windpocken anstecken kann.
Inkubationszeit: acht bis 28 Tage.
Ansteckung: ein bis zwei Tage vor Ausbruch des Ausschlags bis zum Austrocknen der Bläschen hochansteckend – wie der Name sagt, können die Viren in kleinsten Tröpfchen durch die Luft übertragen werden.
Symptome: ein bis zwei Tage leichtes Krankheitsgefühl mit schwachem Fieber • danach zeigt sich der Hautausschlag zunächst als kleine Flecken, dann als juckende Bläschen, die sich auf den ganzen Körper, meist auch die Schleimhäute ausbreiten • Fieberanstieg • die Bläschen heilen in drei bis fünf Tagen ab, wenn sie nicht aufgekratzt werden • alle Stadien der Bläschenbildung treten typischerweise im weiteren Verlauf parallel auf.
Komplikationen: zusätzliche bakterielle Entzündungen der Haut, selten Nerven- und Gehirnentzündungen. In den ersten sechs Schwangerschaftsmonaten kann eine Windpockenerkrankung zu schweren Fehlbildungen des Kindes führen.
Wann zum Arzt: wenn ein Säugling unter sechs Monaten erkrankt. Wenn die Haut anschwillt, eitert oder wenn sich der Allgemeinzustand des Kind deutlich verschlechtert.
Impfung: empfohlene Regelimpfung.
Kinderarzt Stephan von Landwüst im Experteninterview über Windpocken als hochansteckende Krankheit
Dreitagefieber
Von Herpesviren verursachte harmlose Erkrankung, die im Säuglings- oder frühen Kindesalter auftritt, bis zum Alter von drei Jahren hatten fast 100 Prozent der Kinder Kontakt zum Erreger und sind lebenslang immun.
Inkubationszeit: sieben bis 14 Tage.
Ansteckung: etwa ab vier Tagen vor Fieberbeginn bis zum Auftreten des Ausschlags.
Symptome: plötzliches, etwa drei Tage (höchstens acht Tage) andauerndes hohes Fieber ohne weitere Krankheitssymptome • plötzlicher Fieberabfall und kleinfleckiger Hautausschlag auf Rücken und Bauch • meist bleibt der Ausschlag blass und nur kurz sichtbar, manchmal fließen die Flecken zusammen und weiten sich auf das Gesicht aus • manchmal Durchfall und Erbrechen, Schwellung der Augenlider, Bläschen auf dem weichen Gaumen und am Zäpfchen, Husten, Schwellung der Hals-Lymphknoten.
Komplikationen: Fieberkrämpfe scheinen beim Dreitagefieber häufiger als bei anderen Kinderkrankheiten aufzutreten.
Wann zum Arzt: wenn das Kind länger als drei Tage Fieber ohne weitere Krankheitsanzeichen hat.
Impfung: existiert nicht.
Masern
Bei dieser Virusinfektion treten häufiger als bei anderen Kinderkrankheiten schwere Komplikationen auf.
Inkubationszeit: acht bis zwölf Tage.
Ansteckung: hochansteckend ab ca. fünf Tage vor Auftreten des Hautausschlags bis zu dessen Verschwinden. Symptome: etwa drei Tage zu Beginn hohes Fieber und Erkältungssymptome • gerötete Bindehäute beidseits • bevor der Hautausschlag am Körper auftritt, finden sich an der Schleimhaut der Wangeninnenseite weißliche Flecken „Koplik-Flecken“ • kurze Besserung, dann erneuter Fieberanstieg mit zunächst punktförmigem, hellrotem Hautausschlag, später eher bräunlich und flächiger, teilweise mit starkem Juckreiz • nach vier bis sieben Tagen verschwindet der Ausschlag wieder.
Komplikationen: die meisten Erkrankungen verlaufen harmlos, aber vorübergehend ist das Immunsystem so geschwächt, dass Komplikationen durch andere Erreger verursacht werden können: Mittelohrentzündungen, Atemwegs- oder Lungenentzündungen. Bei ca. 0,1 Prozent der Erkrankten tritt eine masernbedingte Gehirnentzündung auf. Sehr selten tritt mehrere Jahre nach einer durchgemachten Masern-Infektion eine subakute sklerosierende Panenzephalitis (SSPE) auf. Diese fortschreitende Gehirn- und Nervenentzündung verläuft immer tödlich.
Wann zum Arzt: immer bei Verdacht auf Masern, unbedingt die Arztpraxis vorab informieren. Wenn es dem Kind nach Auftreten des Ausschlags wieder schlechter geht.
Impfung: empfohlene Regelimpfung.
Keuchhusten
Weltweit eine der häufigsten bakteriellen Infektionen der Atemwege. Langwieriger Verlauf in drei Phasen.
Inkubationszeit: sieben bis 20 Tage.
Ansteckung: hochansteckend, bereits kurz bevor die ersten Symptome auftreten.
Symptome: zu Beginn ein bis zwei Wochen leichte Erkältungsbeschwerden mit Schnupfen, Husten, Heiserkeit und gelegentlichem Fieber • Husten-Phase: langwieriger, trockener Husten. Krampfartige minutenlange Hustenanfälle enden häufig mit dem typischen keuchenden Einziehen der Luft • die Erholungsphase zieht sich über weitere vier bis sechs Wochen hin, während der körperliche Anstrengungen, kalte Luft oder Zigarettenrauch Reizhusten auslösen können. Komplikationen: können vor allem bei einer Erkrankung im ersten Lebensjahr auftreten, Lungen- und Mittelohrentzündung, selten Schädigung des Gehirns durch Sauerstoffmangel aufgrund von Atemaussetzern während der Hustenanfälle.
Wann zum Arzt: Säuglinge unter sechs Monaten werden stationär im Krankenhaus überwacht.
Impfung: empfohlene Regelimpfung.
BEWEGUNG IST GESUND
GEHUPFT WIE GESPRUNGEN – HAUPTSACHE BEWEGUNG
Höher, schneller, weiter – darum muss es gar nicht gehen, viel wichtiger ist der Spaß am Aktivsein, den Kinder beim Sport erleben. Manchmal braucht es eine Weile, bis man herausfindet, welche Sportart dem Kind am meisten liegt. Ganz gleich, ob es dafür aufs Skateboard, Fahrrad oder Pferd steigt, die Fußball-, Lauf- oder Ballettschuhe anzieht, sich als Artist oder Kampfsportler beweist oder seine Leidenschaft für den Wassersport entdeckt – wer seinem Kind schon früh die Möglichkeit bietet, sich so viel wie möglich zu bewegen und auszuprobieren, legt den Grundstein für ein gesundes Leben.
Die gute Nachricht vorweg: Laut der großangelegten Studie des Robert Koch Instituts zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS) ist der Großteil der Heranwachsenden bei guter Gesundheit und auch gar nicht so unsportlich wie manch einer meinen mag. Mehr als drei Viertel der Drei- bis Siebzehnjährigen sind neben Kita und Schule in ihrer Freizeit sportlich aktiv. Während die allermeisten Kitakinder noch viel draußen spielen, verlagert sich die körperliche Aktivität von Kindern ab dem Schulalter mehr hin zu organisierten sportlichen Aktivitäten – so treiben etwa zwei Drittel der Grundschulkinder Vereinssport.
78% der Drei- bis 17-Jährigen sind in ihrer Freizeit sportlich aktiv.
82% der Drei- Sechsjährigen spielen nahezu täglich im Freien.
66% der Drei- bis Zehnjährigen treiben Sport im Verein.
Der Mensch ist dafür geschaffen, in Bewegung zu sein
Schon Hippokrates von Kos (460-370 v. Chr.), Namensgeber des ärztlichen Eids wusste: „Wenn wir jedem Individuum das richtige Maß an Nahrung und Bewegung zukommen lassen könnten, hätten wir den sichersten Weg zur Gesundheit gefunden“. Für das moderne Wohlstandsleben ist der menschliche Körper jedenfalls nicht ausgelegt – stundenlanges Dauersitzen in Büro oder Schule, das ständige Überangebot an Nahrung und die Verfügbarkeit von Transportmitteln, die einen ohne eigene Anstrengung von A nach B befördern, erhöhen das Risiko für Haltungsschäden, Übergewicht, Herzkreislauf- und Stoffwechselerkrankungen. Unstrittig ist, dass Bewegung sich positiv auf die gesunde, körperliche wie emotionale, Entwicklung von Kindern auswirkt. Reaktionsvermögen, Konzentrationsfähigkeit, Gleichgewichtssinn und Koordination werden geschult, Ausdauer, Muskel- und Knochenaufbau gefördert, Herz-Kreislaufsystem und Immunsystem nachhaltig gestärkt.
Haltungsschäden kann man durch ausreichend und regelmäßige Bewegung ebenso entgegenwirken wie Übergewicht und ähnlichen ernährungsbedingten Erkrankungen. Und wie Kristin Manz, die mit ihren Kollegen am Robert Koch-Institut die KiGGS1-Daten zur körperlichen und sportlichen Aktivität analysierte, unterstreicht: „Die kindliche Bewegungserfahrung und der Spaß an der Bewegung gehen nicht nur mit steigender körperlicher Leistungsfähigkeit einher, sondern auch mit dem Aufbau des Selbstbewusstseins.“
Bewegung bringt das Hirn auf Trab
Aber nicht nur die körperliche Verfassung profitiert von Bewegung – die durch körperliche Anstrengung verstärkte Durchblutung unterstützt zudem die Bildung von Kontaktstellen zwischen den Nervenzellen beim Lernen. „Das bedeutet nicht, dass Bewegung schlauer macht. Aber Gehirnleistung und Aufmerksamkeitsniveau verbessern sich.“ meint Dr. Frank Obst von der Bundesarbeitsgemeinschaft für Haltungs- und Bewegungsförderung (BAG), die sich dafür einsetzt, vor allem in Kita, Schule und Arbeitswelt Prozesse zur Gestaltung und Förderung von Gesundheit, Entwicklung und Bildung durch Bewegung zu initiieren. „Wir Menschen sind stammesgeschichtlich keine Sitztiere, sondern Bewegungstiere. Deshalb ist es ganz natürlich, dass Kinder nicht lange still sitzen wollen“. Bewegungspausen sollten demnach noch viel mehr und regelmäßiger in Lernprozesse integriert werden.
Über Bewegung die Welt erschließen
Betrachtet man kleine Kinder, ist die Bezeichnung „Bewegungstiere“ ziemlich treffend – bevor sie sprechen können, erkunden und erfahren sie die Welt vor allem über ihren Körper. Kinder sind eigentlich der Inbegriff von Bewegungsfreude. Durch Bewegung drücken sie ihre Gefühle aus, Babys strampeln vor Begeisterung, später begleitet Bewegung ihr Sprechen. Vor allem die die motorische Entwicklung in den ersten zwei Lebensjahren findet besondere Beachtung durch die Eltern, sind diese Fortschritte doch so sichtbar. Wenn das Baby das erste Mal den Kopf alleine heben, sich selbständig vom Bauch auf den Rücken umdrehen, robben, krabbeln, sitzen, stehen, laufen kann, sind dies besondere Momente. Dass diese Entwicklung von Kind zu Kind unterschiedlich schnell verläuft, verunsichert allerdings manche Eltern. Doch solange keine Therapiebedürftigkeit seitens des Kinderarztes festgestellt wird, besteht kein Anlass zu Sorge und Frühförderungswahn – Kinder machen ihren Weg in ihrer eigenen Geschwindigkeit.
Berliner Sportvereine: www.lsb-berlin.de
Bewegung und Begegnung
In jedem Fall lohnt sich der Besuch einer der zahlreichen Bewegungsangebote für Kleinkinder. Dass diese einen positiven Einfluss auf die Entwicklung haben, darf eine Nebenrolle spielen, der Kontakt und Erfahrungsaustausch mit Gleichgesinnten ist vor allem für Neueltern ein Zugewinn, auch dass man sieht und hört, wie bei anderen auch nicht immer alles rosig läuft. Mit zunehmendem Alter interessieren sich dann auch die Kleinen füreinander und erste Spielfreundschaften entstehen. Auch eine gute Idee sind Bewegungsangebote für Eltern mit Baby – ob Kinderwagensport im Park oder Yoga mit Baby – nicht nur dass man sich so selbst etwas Gutes tut und hoffentlich nette Kontakte knüpft, lebt man dem Nachwuchs so von Anfang an vor, dass sportliche Aktivitäten zum gesunden Leben dazugehören.
Dem Bewegungsdrang Raum geben
Die meisten Kinder rennen, hüpfen, klettern und balancieren gerne, rangeln und testen ihre körperliche Geschicklichkeit aus. Dieser natürliche Bewegungsdrang kann Eltern kleiner Kinder manchmal ganz schön überfordern. Erst recht wenn das Kind zu den Draufgängerischen zählt, die überall rauf- und reinklettern oder wegflitzen, sobald man ihnen den Rücken zukehrt. Selbstverständlich ist es nötig, die Kinder vor ernsten Verletzungen zu schützen. Ebenso wichtig ist es jedoch, sie nicht aus Angst, es könnte etwas passieren, in ihrem Bewegungsdrang auszubremsen, sondern die Lust an der Bewegung zu unterstützen, indem man ihr Raum gibt. „Kinder sind heutzutage übersichert“, meint Obst. „Auch die Erfahrung, mal zu stürzen, muss ein Kind machen. Natürlich in einem akzeptablen Rahmen.“ Wer sich was traut, gewinnt Selbstvertrauen.
Bewegungsmangel erkennen
Natürlich sind Kinder unterschiedlich veranlagt, auch in ihrem Drang nach Bewegung, aber wie erkennt man, ob ein Kind sich tatsächlich zu wenig bewegt? Mangelnde Ausdauer – beispielsweise wenn es beim normalen Treppensteigen aus der Puste kommt – spricht dafür ebenso wie Schwierigkeiten, die Balance zu halten. Laut der BAG sollte ein Kind ab dem sechsten Lebensjahr mindestens zehn Sekunden ruhig auf einem Bein stehen und fünf Sprünge hintereinander auf einem Bein ausführen können. Auch Haltungsschwächen wie stets nach vorne hängende Schultern oder ein Hohlkreuz weisen darauf hin, dass die Muskulatur Stärkung gebrauchen kann.
Bewegung in den Alltag integrieren
Damit Kinder selbstverständlich damit aufwachsen, dass man körperlichen Anstrengungen nicht immer aus dem Weg geht, sind auch die Eltern gefordert. Kinder an ein aktives Leben mit Bewegung und Sport heranzuführen, bedeutet eben nicht nur, die Kinder so früh wie möglich in einem Kurs oder Sportverein anzumelden, sondern es vorzuleben. Es muss nicht immer die Treppe statt Fahrstuhl oder Rolltreppe, das Fahrrad statt Auto sein, aber häufiger als umgekehrt wäre schon gut. Ein Klettergerüst im Kinderzimmer, ein Trampolin im Hof, Familienausflüge in den Wald, in den Hochseilgarten oder zum Badesee – die Möglichkeiten sind zahlreich, die Lust an der Bewegung zu fördern. Der nächste Park oder Spielplatz ist meist nicht weit und sich ab und an gemeinsam mit den Kindern ein schweißtreibendes Fußball-, Tischtennis- oder Federball-Match zu liefern, macht allen Beteiligten Spaß.
Karte mit öffentlich zugänglichen Tischtennisplatten in Berlin: www.pingpongmap.net
Intensive Bewegung
Auch wenn viele Kinder Sport treiben, längst nicht alle tun dies intensiv. Mindestens einmal wöchentlich aber sollten sich Kinder so stark bewegen, dass sie ins Schwitzen kommen, empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation. Haben die Kinder erstmal Feuer für einen Sport gefangen, verausgaben sie sich dabei automatisch, ohne groß darüber nachzudenken.
Mehr Marathon als Sprint
Nur der Weg dahin verlangt unter Umständen einiges an elterlicher Geduld – bis ein Kind seine sportlichen Vorlieben für sich entdeckt, kann es dauern und der eine oder andere Vereinsbei- und wieder Austritt die Familienkasse belasten. Gar nicht so einfach, die Balance zu finden, Kinder in einem Motivationstief auch mal bei der Stange zu halten, aber gleichzeitig zu vermeiden, dass der Sport zu einer Belastung und so der Spaß an der Bewegung verdorben wird. So viel wie möglich ausprobieren lassen, keinen Druck ausüben, auch Pausen zulassen, lauten die Empfehlungen, doch ein Patentrezept gibt es wohl leider nicht.
Kaum eine Sportart haben die vier Kinder unserer Autorin Anja Ihlenfeld noch nicht ausprobiert – von Ballett über Karate, natürlich Fußball, Tennis, Hockey, Basketball, Yoga, Reiten bis zu Breakdance war so ziemlich alles dabei und der eine oder andere Verein profitiert bis heute von nicht gekündigten Mitgliedschaften …