Sarah Behrendt von Familie Bär

BABY-SPECIAL – Als studierte Betriebswirtin und Marketingexpertin brachte die gebürtige Berlinerin das nötige Rüstzeug mit, um ihren 2014 gegründeten auf Kindersicherheit im Auto spezialisierten Laden „Familie Bär" in Berlin erfolgreich zu führen. Im Interview klärt die Zweifachmutter auf, worauf beim Kauf des Kindersitzes unbedingt geachtet werden sollte ...

Über die Suche nach dem „besten“ Kindersitz für meine Tochter vor sieben Jahren stieß Sarah, die damals nach dem BWL und Marketing-Studium bei ihrem Mann im Werbetechnikunternehmen arbeitete, auf die Reboarder. 2011 begann sie, nebenberuflich zu Reboardern und allgemein Kindersitzen zu beraten und diese auch zu verkaufen. Nach der Elternzeit mit ihrem Sohn eröffnete sie dann im Jahr 2014 ihren Laden nur für Kindersitze in Berlin-Lichterfelde.

Im selben Jahr enstand zusammen mit anderen Händlern die Idee, ein Netzwerk für spezialisierte Fachhändler zu gründen. So rief sie 2015 „Die Kindersitzprofis GmbH“ ins Leben, die den Einkauf und die Vermarktung vieler kleiner Händler bündelt. Mittlerweile gibt es sie an fast 20 Standorten in Deutschland, Österreich und Luxemburg. Erklärtes Ziel ist es, immer mehr Eltern bewusst zu machen, wie elementar wichtig die richtige Sicherung der Kinder im Auto ist und dass an dieser Stelle nicht aus falschen Beweggründen gespart werden sollte. Familie Bär, Heinersdorfer Str. 23 in 12209 Berlin-Steglitzfamiliebaer.com

Was gibt es bei Kindersitzen zu beachten?

Grundsätzlich gilt es immer zu beachten, ob der Kindersitz zu Kind und Auto passt. Deshalb empfehlen wir, einen Kindersitz nicht online, sondern im Fachhandel zu kaufen, und zwar mit Kind und Auto. Es gibt einfach Sitze, in denen sich manche Kinder nicht wohlfühlen bzw. in denen sie nicht vernünftig gesichert werden können, weil sie zum Beispiel zu schlank, zu kräftig oder zu klein dafür sind.

Genauso gibt es Kindersitze – egal ob Babyschale, Reboarder oder Nachfolgesitz ab ca. vier Jahren, die nicht gut zu dem betreffenden Auto passen, oder die darin sogar gar nicht zugelassen sind. Ganz wichtig ist es natürlich auch zu schauen, ob das Kind von Größe, Alter und/oder Gewicht schon die Mindestanforderungen des Sitzes erfüllt.

Warum sind Reboarder die sichereren Kindersitze?

Für Babyschalen ist es aus gutem Grund vorgeschrieben, dass diese nur rückwärtsgerichtet nutzbar sind. Da hinterfragen das zum Glück auch die wenigsten Eltern. Leider sind viele dann skeptisch, wenn es um den nächsten Kindersitz ab einem Alter von ungefähr einem Jahr geht. Dabei sollte eigentlich der Blick auf einige Zahlen und Statistiken genügen, um die enormen Sicherheitsvorteile der Reboarder zu erkennen.

Babies und kleine Kinder sind im Straßenverkehr besonders gefährdet, weil ihr Kopf im Vergleich zum Rest des Körpers noch überproportional groß ist. Gleichzeitig ist die Nackenmuskulatur sehr wenig ausgeprägt, so dass die Gefahr eines inneren Genickbruchs bei einem Unfall oder auch schon bei einer Vollbremsung sehr hoch ist. Bei einem Aufprall in einem Reboarder oder einer Babyschale wird das Kind in die Sitzschale hineingepresst und die Belastungen verteilen sich auf den gesamten Oberkörper des Kindes.

In einem vorwärtsgerichteten Sitz werden hauptsächlich die Halswirbelsäule und der Kopf des Kindes belastet und die Gefahr für Querschnittslähmungen oder gar tödlicher Verletzungen deutlich erhöht. Bei einem Frontalcrash, der bei Betrachtung aller schweren Verkehrsunfälle die häufigste Unfallart darstellt, senkt ein Reboarder das Risiko schwerster Verletzungen um rund 90% gegenüber einem vorwärtsgerichteten Sitz.

Warum haben Eltern trotzdem Zweifel? Was spricht gegen Reboarder?

Die häufigsten Bedenken der Eltern sind typische Vorurteile, die wir nach einem Besuch in unserem Laden meist schnell (oder auch langsamer und mit viel Geduld und Ausdauer) aus dem Weg räumen können. Hier hilft uns unsere eigene, mittlerweile 6 Jahre lange Erfahrung mit dem Thema Rückwärtsfahren sehr. Vermutlich halten sich einige Vorurteile so beharrlich, weil in den Babymärkten immer noch zu wenig Aufklärung betrieben wird. DASS die Reboarder deutlich sicherer sind, ist mittlerweile aber in den Köpfen der Eltern größtenteils angekommen.

Zu den gängigen Vorurteilen zählen:

  • Die Sorge, dass dem Kind im Auto beim Rückwärtsfahren schlecht wird – dass dies an der Fahrtrichtung und nicht generell am Autofahren liegt, ist nahezu ausgeschlossen.
  • Die Vermutung, dass ein älteres Kind keinen Platz für die Beine hat – Kinder sitzen in den für uns unmöglichsten Positionen bequem und wir kennen diverse Umsteigerkinder, die den Reboarder wesentlich bequemer finden, als den Vorwärtssitz. Außerdem gibt es diverse Sitze mit großer Beinfreiheit, oft mehr, als es sie in vorwärtsgerichteten Sitzen gibt.
  • Die Angst, dass das Kind nicht gerne rückwärts fährt, weil es in der Babyschale schon weint – das liegt fast immer an der schlechten Sicht in der Babyschale und oft auch an der gekrümmten, halbliegenden Haltung darin. Im Reboarder haben die meisten Kinder eine bessere Sicht nach außen als im Vorwärtssitz, durch die Heckscheibe und die Seitenfenster.
  • Der Einbau eines Reboarders sei viel zu kompliziert – hier gilt, unbedingt die Anleitung zu lesen! Denn allgemein 70-80 Prozent aller Kindersitze sind falsch im Auto eingebaut oder die Kinder sind unzureichend darin gesichert.

Bis zu welchem Alter kann man Reboarder nutzen?

Wir empfehlen grundsätzlich, Kinder weder vorwärtsgerichtet mit Fünfpunktgurt, noch mit einem Fangkörper gesichert fahren zu lassen. Stattdessen empfehlen wir das Reboardfahren bis zu einem Alter von ca. vier Jahren. Auch für eher größer gewachsene Kinder gibt es diverse Modelle, in denen locker bis zu einem Alter von vier Jahren und darüber hinaus rückwärts gefahren werden kann.

Das ist auch empfehlenswert, weil die wenigsten Kinder vorher das nötige Verständnis dafür haben, in einem Folgesitz ab 15 kg, in dem sie nur noch mit dem Fahrzeuggurt gesichert werden, still sitzen zu bleiben, nicht mit dem Gurt zu spielen und sich nicht während der Fahrt abzuschnallen. Außerdem entsprechen die Körperproportionen und die Genickmuskulatur eines Kindes erst mit ca. vier bis fünf Jahren annährend denen eines Erwachsenen, so dass sie erst dann reif für den Erwachsenengurt sind. Selbstverständlich nur in einem Kindersitz mit Seitenschutz, von der Nutzung reiner Sitzerhöhungen ohne Seitenschutz („Sitzkissen“) raten wir komplett ab.

Was sind Ihre persönlichen Empfehlungen für Schwangere und Jungmütter in Berlin?

Meine Empfehlung für Schwangere und Jungeltern in Berlin ist es – neben dem Tipp, sich unbedingt schon in der Schwangerschaft bezüglich der geeigneten Babyschale im Fachgeschäft beraten zu lassen – schon vorab eine gute Unterstützung und ein Netzwerk für die Zeit nach der Geburt aufzubauen.

Schon bevor das Baby da ist zu wissen, an wen man sich zum Beispiel mit Stilllproblemen wenden kann ist viel wert. Hierzu kann ich unter anderem die Stilllounge im Geburtshaus Schöneberg oder die Stillberatung im Geburtshaus Apfelbaum in Potsdam empfehlen. Es gibt aber auch in Berlin diverse andere Anlaufstellen, am Besten mal nach einer Stillberatung in Wohnortnähe suchen.

Nach der Geburt empfiehlt es sich ja, einen Rückbildungskurs zu besuchen, da würde ich dazu raten darauf zu achten, dass das Baby auch mitgebracht werden kann. Nicht jedes Baby wird gerne so früh von der Mama getrennt und das kann viel Stress bedeuten.

Wenn es dann daran geht, Kurse mit dem Baby zu besuchen, kann ich folgende sehr empfehlen: BabySteps nach Einfach Eltern, Pikler Spielräume oder MusikGarten Kurse. Was mir auch großen Spaß gemacht hat, waren ein LaufMamaLauf-Kurs im Park und Kangatraining, das ist ein wenig wie Aerobic mit Baby auf dem Rücken oder vor dem Bauch. Die Kurse werden eigentlich alle in ganz Berlin angeboten.

Da die wenigsten Babys gerne abgelegt werden empfehle ich auch, sich vor der Geburt zum richtigen Tragen zu informieren. Das entlastet im Alltag enorm und beruhigt die Kinder sehr. Hier gibt es auch diverse sehr hübsche Tragen und Tragetücher und gute Trageberatungen in Berlin, unter anderem in den Läden Hug & Grow, bei Madame Jordan oder bei maibee in Neuenhagen.

Bitte keine Trage im Babymarkt kaufen, die sind meist eher unergonomisch und nicht sonderlich bequem für Kind und Eltern. Ich hatte bei meinem Sohn eine Trage von Fräulein Hübsch, in der ich ihn von Geburt an tragen konnte und die nun weitergezogen ist zu meiner Freundin mit frischem Baby und die ganz begeistert war, dass das Baby beim ersten Tragen gleich darin einschlief und wir ganz in Ruhe Mittag essen konnten.

Baut euch ein Netzwerk auf!

In Berlin gibt es viele nette Kindercafés, in denen ich gemeinsam mit anderen Müttern viel Zeit im ersten Babyjahr mit meiner großen Tochter verbrachte. Das war eine schöne Zeit – mit der „Krabbelgruppe“ von damals vor acht Jahren treffen wir uns heute noch regelmäßig. Meist aber eher wir Mütter am Abend. Dazu kann ich nur allen jungen Müttern raten: Baut Euch ein Netzwerk aus an anderen Müttern/Eltern, die sich gerade in der selben Phase ihres Lebens befinden und mit denen ihr über durchwachte Nächte, böse Zähnchen und später die Wahl des richtigen Schulranzens philosophieren könnt!

 

Geburtshaus Schöneberg, Dominicusstr. 27  (Ecke Hauptstr.), 10823 Berlin-Schöneberg, geburtshaus-schoeneberg.de
Geburtshaus Apfelbaum, Tuchmacherstr. 17, 14482 Potsdam, geburtshaus-apfelbaum.de
Hug & Grow, Kirchstr. 20, 10557 Berlin-Tiergarten, hug-and-grow.de
Madame Jordan, Buchholzer Str. 9, 10437 Berlin-Prenzlauer Berg, madamejordan.com
maibee, Ernst-Thälmann-Str. 33 in 15366 Neuenhagen, maibee.de

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