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The Great Escape

Vaterkolumne HIM: Jedes Jahr um die gleiche Zeit packt unseren Kolumnisten Christoph Bauer das Fernweh und er begibt sich wieder auf die Suche nach dem Glück unter der Sonne. Und zwar mit der ganzen Familie!

Wer hätte gedacht, dass ich mich mal für Griechischen Bergtee begeistern kann. Mein Teekonsum ist wieder rapide angestiegen, denn mir ist in letzter Zeit ziemlich oft ziemlich kalt, was eindeutig an der Jahreszeit liegt. Und natürlich am falschen Breitengrad, an dem wir uns als Familie niedergelassen haben. Wie ungeschickt die Auswahl dieses Lebensmittelpunktes gefällt wurde, stößt mir immer dann besonders auf, wenn die Jacken- und Stiefelberge meiner Töchter wieder beginnen, wie ein Polyester-Daunen-Geschwür aus der Garderobe zu wuchern, wenn ich wieder Abende mit der Bedienungsanleitung des Heizungsthermostats verprasse und wenn der Schritt vor die Haustür ähnlich unattraktiv erscheint wie der Besuch beim Proktologen. Jeder Versuch, mich von der euphorischen Vorfreude meiner Töchter auf Weihnachten und den ersten Schnee anstecken zu lassen, ist bisher kläglich gescheitert. Stattdessen quält mich, wie jedes Jahr um diese Zeit, ein ganz fieses Fernweh.

Eskapismus als Mittel der Alltagsbewältigung

Und so rette ich mich an die Seite lebensfroher Reiseblogger und jette mit Google-Earth von einem exotisch begrünten Beach-Resort zum nächsten. Ich vergleiche die Klimatabellen und Immobilienangebote der französischen Riviera mit denen von Kapstadt und Salvador de Bahia.

Und ich plane mit großer Hingabe die einjährige Weltreise, die ich mit meiner Frau und meinen Kindern noch unternehmen muss, bevor die Kleinen das Nest verlassen und das neue Zuhause in Strandnähe eingerichtet wird.

Eskapismus nennt man diese Form der Realitätsflucht, der ich gerade wieder ähnlich verfallen bin wie meine Töchter ihren Pferdefantasien. Und es hilft. Doch während ich den Eskapismus als ein probates Mittel der winterlichen Alltagsbewältigung schätze, genießt er in der Welt der Effizienzstreber einen eher zweifelhaften Ruf. So prangern ihn die Wikis als „… eine Fluchthaltung oder Ausbruchshaltung, als bewusste oder unbewusste Verweigerung gesellschaftlicher Zielsetzungen und Handlungsvorstellungen …“ an.

Jemand, der den Erfolg von Gedankenspielen ausschließlich an Key Performance Indikatoren festmacht und seine Lebensqualität in den Fahrzeug-Kategorien A3 bis A8 bemisst, wird meiner ausgeklügelten Luftschlossarchitektur natürlich nur schwerlich etwas abgewinnen können.

Mit dem Sharing-Prinzip zur eigenen Lagune

Tatsächlich kann es sich ein bisschen hinziehen, bis man mit einem Teelöffel eine Baugrube ausgehoben hat. Man kann, so wird mir regelmäßig zu verstehen gegeben, sogar daran scheitern. Aber unmöglich ist es nicht. Den Beweis dafür hat mir unlängst meine Tochter geliefert. Dass für einen Kreativmalocher wie mich die Anschaffung und der Unterhalt eines Pferdes für das werte Töchterchen fernab aller Möglichkeiten liegen, hat sie längst verinnerlicht. Dennoch konnte sie es nicht bleiben lassen, sich in eine feste Beziehung mit einem solch tierischen Muskelpaket zu träumen. Und entgegen all der väterlichen Unkenrufe hat sie es tatsächlich geschafft. Statt eines eigenen Gauls hat sie sich in Eigenregie um eine Reitbeteiligung beworben und das Rennen gemacht. Das Geld dafür verdient sie sich mit regelmäßigen Babysitter-Jobs und drei Mal die Woche sitzt sie nun da, wo für sie das Glück dieser Erde liegt.

Ich bin natürlich stolz wie Bolle und hochmotiviert, es ihr gleich zu tun. Vielleicht ist das Sharing-Prinzip ja genau der richtige Ansatz, um langfristig das Glück unter der Sonne zu finden.

Definitiv macht es auch mehr Spaß, mit Gleichgesinnten im Schatten der Palme zu dösen als ganz alleine in einer einsamen Lagune herumzulungern.

Wer also wie ich an die Kraft des Eskapismus glaubt, Durchschnittstemperaturen über 20 Grad zu schätzen weiß, die Nähe zum Meer sucht, saftige und abwechslungsreiche Natur- und Kulturlandschaften genießen möchte, ist herzlich eingeladen mitzubaggern. Bringt alle eure Teelöffel mit und dann suchen wir uns ein schönes Fleckchen und legen los. Und wer mitmacht, wird feststellen, es wird einem gleich viel wärmer.

 

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