Ein ganz neues Museum in Schönberg, Bleistiftstakkatos und zarte Linien in der Berlischen Galerie und Berlin in klitzeklein: hier kommen unsere Ausstellungstipps für den Herbst!
Urban Nation
In Schöneberg gibt es seit Mitte September ein neues Museum, das Streetart hineinholt in vier Wände. Was 2013 in den Straßen der Stadt, an Berliner Fassaden, begann, will URBAN NATION nun in den Räumen der Gründerzeitvilla in der Bülowstraße weiterführen und der Kunst eine neue, eine andere Bühne schaffen. Neben vielen bekannten Streetart-Künstlern wie Banksy, hängen hier auch die Werke von Nachwuchskünstler*innen. Das Museum soll in seine Nachbarschaft integriert werden und die Szene so mit den Berlinern und Berlinerinnen noch mehr in den Austausch treten.
Einmal über der Türschwelle, ist man sofort mittendrin. Die Räume sind puristisch, der Betonboden schwarz lackiert, die Wände strahlend weiß. Auf ihnen sind die Bilder platziert, die meisten in kräftigen Farben. Eine insprieriende Atmosphäre, in der sich wirklich ein Gefühl von Urbanität breit macht. Auf zwei Stockwerken hängen die Collagen, Gemälde und Zeichnungen der Künstler*innen, dabei wirken die Räume durch ihre Symmetrien und interessante Winkel auf die Betrachtung. Manche Ausstellungsstücke können aus verschiedenen Perspektiven betrachtet werden, viele transportieren politische Thematiken. Tafeln auf Deutsch und Englisch zum Beispiel zu den Themen „Aktivismus“, „Realismus“ oder „Natur“, führen die Besucher*innen in verschiedene Bereiche der Kunst ein, in denen sich die ausgestellten Objekte bewegen.
Das Urban Nation Museum for Urban Contemporary Art ist ein tolles Museumsprojekt, das es schaffen kann zu zeigen, dass Streetart vieles ist, das helfen kann, die Bewohner*innen dieser Stadt mit der Streetart-Szene zu verbinden, den Dialog zwischen ihnen anzuregen.
Schaut selbst vorbei! Besonders für Jugendliche ab 13 Jahren ist das URBAN NATION eine spannende Adresse. Die Tafeln lesen Eltern und Kinder am besten gemeinsam, damit Begriffe und Fragen direkt geklärt werden können.
URBAN NATION, Bülowstr. 7, 10783 Berlin, Dienstag bis Sonntag 10:00 bis 18:00, www.urban-nation.com
Berlinische Galerie: Jeanne Mammen. Die Beobachterin, Retrospektive 1910-1975
Fünf große Räume füllt die Retrospektive der Zeichnerin und Malerin Jeanne Mammen (1890-1976) in der Berlinischen Galerie. Gezeigt werden 170 Arbeiten aus über 60 Jahren. Bei meinem Rundgang begegne ich dem Werk einer genialen Beobachterin: Scharfsinnig porträtierte sie das Berlin der Zwanziger Jahre: glamouröse Partygäste, frivoles Nachtleben und Figuren am Rande der Gesellschaft. Bild für Bild staune ich über ihren treffsicheren Strich, der mal weich und zart abbildet, ein andermal harte Bleistiftstakkatos setzt. Stets mit einem Augenzwinkern und Humor für die Szenerie. Beschrieben wird sie als kleine Frau, die sich – mit Mantel und Hut bekleidet – in der Menschenmenge gut zu verstecken wusste, um dann den Block zu zücken und zu skizzieren. Einige ihrer kleinen Studienblöcke kann der Besucher in den zahlreichen Vitrinen bewundern.
Jeanne Mammen wird in Berlin geboren, wächst in Paris auf und erhält dort ihre zeichnerische Ausbildung. Mit Beginn des 1. Weltkriegs kehrt sie 1914 zurück nach Berlin. Schnell bekommt sie Aufträge für Illustrationen und Titelseiten berühmter Zeitschriften wie z.B. dem Simplicissimus. Ihre scharfsinnigen Szenerien aus den Bars und Varietés sind gefragt.
Während der Schreckensherrschaft des Nationalsozialismus malt sie zwölf Jahre lang in ihrem Atelier am Kurfürstendamm 29 weiter. Das Gartenrefugium wird der Künstlerin zum lebensnotwendigen Rückzugsort. „Essen, pinseln, schlafen“ beschreibt sie selbstironisch ihren Malwahn. Dass sie während dieser Zeit mit ihrer „entarteten“ Malerei unentdeckt blieb, gleicht einem Wunder. Inspiriert durch Werke von Pablo Picasso dekonstruiert sie nun ihre Porträts. Die Bilder zeigen eine zersplitternde Welt, man sieht Schreie und Hände, die Halt suchen, stark vereinfachte Formen, die von Trümmern und Ruinen erzählen.
Der letzte Raum zeigt das Spätwerk: Da ist einmal die Lust an der Collage mit knallbunten Bonbonpapieren und zum anderen eine Jeanne Mammen, die sich immer weiter in die Abstraktion bewegt, bis zum Schluss nur mehr ein Augenpaar übrigbleibt. „Eigentlich habe ich mir immer nur gewünscht: nur ein Paar Augen sein, ungesehen durch die Welt gehen, nur die anderen sehen“, erinnerte sich die Künstlerin in hohem Alter. Neugierig wäre ich schon, wer alles nach dieser Ausstellung ein Fan ihres unbestechlichen Blicks wird.
Zur Ausstellung bietet die Berlinische Galerie ein vielfältiges Bildungsprogramm mit Führungen, Workshops sowie einem Audioguide in deutscher und englischer Sprache. Familien sind während der „Family Tour“ eingeladen, die Bilder spielerisch zu entdecken oder intensiver beim „Kunstsonntag für Familien“ in das Werk der Künstlerin einzutauchen. Für die Herbstferien ist ein Kurs geplant, der sich zeichnerisch und fotografisch auf den Spuren Jeanne Mammens bewegt.
Berlinische Galerie, Alte Jakobstraße 124-128, 10969 Berlin, 06.10.2017-15.01.2018, Mittwoch bis Montag 10 bis 18 Uhr, Dienstag geschlossen, freier Eintritt bis 18 Jahre
Little Big City Berlin
Auf dem Alexanderplatz gibt es seit kurzem etwas Neues zu entdecken. Berlin in Miniatur hat sich am Fuße des Fernsehturms breit gemacht. Bei Litte BIG CITY kann man die Geschichte der Stadt durchlaufen, von den Anfängen über die Industrialisierung, die Weimarer Republik, das Dritte Reich bis hin zur zerstörten und geteilten Stadt. Am Ende erreicht man das Heute nach einem Spaziergang vorbei an vielen bedeutenden historischen Ereignissen.
Die Miniaturszenerien und -figuren beeindrucken, alles ist sehr genau gearbeitet und detailverliebt abgebildet. Manchmal sind sie durch ein Plexiglas geschützt, teilweise aber auch frei, sodass man sich richtig hineinlehnen kann in die Geschichte Berlins. Dabei gehen allerdings auch immer wieder Ausstellungsstücke kaputt, sodass das Team von Little Big City allerhand zu tun hat, alles schnell wieder zu reparieren.
Besonders viel Spaß macht die Schnitzeljagd, an der Kinder ab sechs Jahren teilnehmen können. Noch idealer klappt es allerdings bei Kindern ab sieben oder acht Jahren. Die Spieler*innen bekommen Szenen aus der Ausstellung und einer bestimmten Epoche als Bilder und müssen diese im Museum selbst wiederfinden. Dabei wird einiges an Wegen zurück gelegt. Etwas schwierig ist es für Kinder in dem Zusammenhang, die geschichtlichen Abläufe zu erschließen, da aus organisatorischen Gründen teilweise die Platzierung der Epochen nicht chronologisch ist.
Ein Faktor, dessen sich Eltern vor dem Besuch bewusst sein sollten ist die Lautstärke. Hintergrundmusik, Audio-Erklärungen, die über Knöpfe anwählbar sind, Geräusche aus der Miniaturwelt – alles ist in einem Raum. Das ist auf jeden Fall eine Belastungsprobe. Vorbeischauen lohnt sich trotzdem sehr, denn das Wandeln als Riesen durch die Geschichte Berlins ist ein tolles Erlebnis, das uns unsere Heimatstadt noch besser verstehen lässt.
Little BIG City Berlin, Panoramastr. 1A, 10178 Berlin, Montag bis Sonntag 10:00 bis 19:00 (letzter Einlass 18:00), www.officiallittlebigcity.com/berlin
Text:
Urban Nation: Eva Schneider
Berlinische Galerie: Gabriele Boulanger
Little Big City: Eva Schneider über den Besuch von Nina Scheele-Frers
Bildnachweise:
Urban Nation © Sabine Dobre / URBAN NATION
Jeanne Mammen, o. T. (Selbstbildnis), o. D. (um 1926), Förderverein der Jeanne-Mammen-Stiftung e.V., © VG Bild-Kunst, Bonn 2017, Repro: © Mathias Schormann
Jeanne Mammen, Sie repräsentiert, um 1928, Privatbesitz,
© VG Bild-Kunst, Bonn 2017, Repro: © Mathias Schormann
Gerd Ladewig, Jeanne Mammen in ihrem Atelier in Berlin, um 1974-75,
© Förderverein der Jeanne-Mammen-Stiftung e.V., Berlin
Little Big City © N. Scheele-Frers