... dass die Knie meines Sohnes Blüten haben und mein Mann tote Hunde mit Hasenpfeffer begräbt? Gastkolumnistin Bettina Görwitz (35), hat einen fünfjährigen und einen zweijährigen Sohn und einen Ehemann aus Berlin. Zusammen leben sie in München. Nach ereignisreichen Studien- und Berufsanfängerjahren in Barcelona, Wien, London und Berlin befindet Bettina sich nun in den noch spannenderen Jahren der Familienvergrößerung, des Häuslebaus, des Teilzeitjobs, des Niemals-Ruhens – und fragt sich oft, wie konnte es eigentlich passieren...
Wochenende. Eine seltene ruhige Minute auf der Couch. Ich genieße die Stille. Dann ein Rums. Ich warte auf den Schrei, der sich auch gleich anschließt: „Mami, mein Knie hat Blüten“, höre ich meinen Sohn aus dem Kinderzimmer rufen. Ich denke mir, ein Knie mit Blüten, das ist doch sicher hübsch, da folgt das zweite Rufen: „Mamiiii, es ist schon alles voll.“ Ich renne ins Kinderzimmer und sehe dunkelrote Spuren. Das Knie meines Sohnes hat keine Blüten – es blutet.
Szenenwechsel: Ein paar Tage später. Autofahrt mit dem Gatten. Ich monologisiere, um meine Meinung kundzutun und meinen Standpunkt unwiderlegbar darzustellen. Wohlgewählte Worte, unterstützende Mimik, die richtige Intonation, kaum zu widerlegende Argumente, ich baue einen Spannungsbogen auf und erreiche den Höhepunkt: „Ich muss also mit Nicole allein ins Wellnesswochenende.“ Nicole ist meine beste Freundin seit Kindergartentagen. Der Gatte verdreht die Augen und raunt: „Aha, da liegt also der tote Hund mit Hasenpfeffer begraben.“
Zwei Geschichten, eine Erkenntnis: Mir ist korrekte Sprache wichtiger als manch anderen Familienmitgliedern. Ich mag es, Sprache richtig einzusetzen. Ich finde es spannend einen Gedanken und eine Idee hübsch auszuformulieren, mich – je nach Wahl – schnell und einfach auszudrücken oder sehr sprachgewandt zu klingen.
Mein Sohn liegt oftmals knapp daneben, wenn er Sprache einsetzt; und mein Mann kann kaum ein Sprichwort oder eine Floskel richtig verwenden. Aber es stört sie nicht, sie sind damit zufrieden. Ich aber möchte ihnen helfen. Studien des Max-Planck-Instituts in Leipzig zeigen, dass Teile der Wernicke-Region in der linken Hirnhemisphäre Sprache nach Satzbau und Wortbedeutung zerlegen und diese Informationen wiederum verknüpfen und interpretieren.
Die Satzmelodie aber – ein äußerst wichtiger Bestandteil der gesprochenen Sprache – wird in der rechten Hirnhemisphäre, die sich auf emotionale Informationen konzentriert, verarbeitet. Melodie und Emotionen spielen also eine entscheidende Rolle beim Erlernen und Nutzen von Sprache.
Und so werde ich meinen Männer helfen: Ich intoniere Sprichwörter und Floskeln in Gegenwart des Gatten nur noch zur Titelmelodie von Star Wars (große Emotionen!). Zum großen Sohn spreche ich altersgerecht nur noch in der Melodie seiner Lieblingssendung Caillou. Vielleicht klappt’s dann auch mit der Muttersprache. Wahrscheinlich ist es eben genau die Aufgabe der MUTTER, die Sprache innerhalb der Familie zu lehren, stets zu verbessern und zu kultivieren – daher auch der Begriff Muttersprache…
Keine einfache Aufgabe. Zum Glück habe ich noch einen Hoffnungsträger in der Familie: Den kleinen Sohn, zwei Jahre alt. Er ist schon jetzt ein Meister hinsichtlich der korrekten Ausdrucksweise – klar, prägnant, unmissverständlich. Und korrekt. Sein einziges Wort ist „NEIN“. Ein Naturtalent. Das hat er wohl von mir…
Text: Bettina Görwitz