© Silke Weinsheimer

Nicht alles wächst sich aus

Therapien für Kinder – wann besteht Handlungsbedarf? Wie können Probleme frühzeitig erkannt werden und welche Therapiemöglichkeiten gibt es? Lest hier den großen Artikel aus unserem Gesundheitsheft.

Nur wenig im Leben ruft so große Gefühle hervor wie die Geburt des eigenen Kindes. Plötzlich ist es da, dieses Kind, auf das man neun Monate gewartet hat und das erstmal alles auf den Kopf stellt. Und während man noch überschäumt vor Glück, stellt sich da auch etwas anderes ein, das Eltern ab jetzt immerfort begleiten wird, mal leise und im Hintergrund und mal laut und alarmierend – die Sorge um diesen kleinen Familienzuwachs.

Die Norm ist alles andere als der Regelfall und kein Kind funktioniert lehrbuchartig nach Plan.

Was in vielen Fällen bereits in der Schwangerschaft begonnen hat, setzt sich auch nach der Geburt oft weiter fort. Ist mit dem Baby alles in Ordnung? Bewegt es sich normal? Trinkt es genug? Weint es zuviel? Diese Sorge um unsere Kinder ist berechtigt und natürlich und hört auch im Teenageralter nicht auf, wenn wir Diskussionen um Ausgehzeiten und Schulfragen führen müssen. Stetig ist da diese Frage: Geht es meinem Kind gut?

An Hilfestellung mangelt es dabei nicht. Ratgeberliteratur für Eltern gibt es inzwischen zu jedem erdenklichen Problemfeld, und das nicht zu knapp. Wer möchte, kann sich ganze Regale damit füllen. Auch das Internet sprudelt über vor Elternblogs, Diskussionsforen und Infoportalen. Was die Entwicklung unserer Kinder angeht, scheint der Bedarf an Wissen und Austausch stetig zu steigen, die Unsicherheit, ob etwas nicht normal ist, zu wachsen. Eltern werden dabei immer sensibler, was mögliche Probleme betrifft und wollen schnell richtig handeln.

Gute Startgrundlagen

Um Probleme frühzeitig zu erkennen, sind die Vorsorgeuntersuchungen beim Kinderarzt die erste Station. Hier wird genau geschaut, ob die Entwicklung in allen Bereichen altersgerecht verläuft. Und auch wenn diese zeitlich recht variabel ist, geraten Eltern oft in Sorge, wenn bestimmte Schritte und Phasen auf sich warten lassen. Eine Rolle spielt dabei sicherlich auch der hohe Erwartungsdruck, unter den Eltern sich selbst stellen. Was vielleicht mit ein bisschen Zeit und Bauchgefühl erledigt wäre, wird schnell ein Problem, denn wenn mit dem Kind etwas nicht stimmt, suchen Eltern die Schuld bei sich und wollen zeitig gegensteuern. Denn niemand will sich später Vorwürfe machen, etwas an Förderung versäumt und die Kinder nicht optimal auf die Herausforderungen des Lebens vorbereitet zu haben. Schließlich werden jetzt die Grundsteine für das spätere Leben gelegt. Abweichungen von der Norm machen deshalb Angst.

Zwischen Geduld und Therapie

Dabei ist diese Norm alles andere als der Regelfall und kein Kind funktioniert lehrbuchartig nach Plan. Während einige Kinder schon früh mobil werden und es nicht abwarten können, auf eigenen Beinen zu stehen und die Welt zu erkunden, robben andere eben langsamer durchs Leben. Manche Kinder sind wahre Sprachtalente, die schon als Zweijährige ganze Geschichten erzählen, andere können sich nur langsam für das Reden erwärmen. Auch der Charakter spielt da eine Rolle, wenn einige Kinder schon früh gemeinsam mit Altersgenossen in Fantasiespielen versinken und manche sich im Kontakt mit anderen eher schwer tun. Bei vielen Dingen ist es sicher ratsam, das Kind so zu nehmen, wie es ist und ihm die Zeit zu geben, die es braucht. Denn vieles verwächst sich, wenn man entsprechende Erfahrungsräume zur Verfügung stellt. Auch ist es manchmal empfehlenswert, mehr Freiräume in den Alltag einzubauen anstatt Kinder schon früh in straffe Zeitpläne und Termindruck zu zwängen. Wann allerdings mehr nötig ist und wirklich Handlungsbedarf besteht, sollte immer der Kinderarzt beurteilen. Dieser kann einschätzen, wann die Entwicklung tatsächlich verzögert oder gestört ist und ob eine Therapie angezeigt ist.

Dass das immer häufiger der Fall ist, zeigen die Zahlen einer Umfrage der Techniker Krankenkasse von 2010. Die Studie ergab, dass inzwischen jedes zweite Schulkind in Deutschland bereits einmal in Therapie war. Dass dabei auch die veränderten Lebensbedingungen der Kinder eine Rolle spielen, zeigt sich ebenso: Die gestiegene Nutzung von elektronischen Medien wie Smartphone und Fernseher ist ebenso schädlich für die kindliche Entwicklung wie die mangelnde Bewegung.

Himbeer Gesundheit: Therapien | Berlin Mit Kind

Über die Verteilung der Therapien gibt der AOK Heilmittelbericht 2015 ein klares Bild. Spitzenreiter bei den ärztlich verordneten Therapien im Kindesalter ist die Ergotherapie. Dort waren 38,2 Prozent der Patienten Kinder unter 14 Jahre, der Verordnungsgipfel liegt bei Kindern zwischen fünf und neun Jahren. Auf Platz zwei findet sich die Logopädie: Der Anteil an Patienten unter 15 Jahren liegt bei über 60 Prozent und auch hier finden sich die meisten Verordnungen zu Beginn der Schulzeit. Offenbar scheint mit dem Schuleintritt auch die Sorge zu wachsen, dass Kinder aufgrund ihrer Defizite zurückfallen und den Anforderungen nicht gerecht werden können.

Der Anspruch, mitzuhalten, wächst. Welchen Stellenwert solche Behandlungen haben, zeigt sich mit einem Blick auf die Zahlen des GKV-Spitzenverbandes, dem Interessenverband der gesetzlichen Krankenkassen. 2014 lag der Umsatz an verordneten Heilmitteln, also therapeutischen Behandlungen der Ergotherapie, Logopädie, Physiotherapie in der Gruppe der Fünf- bis Neunjährigen bei über 4,4 Millionen Euro. Zum Vergleich: Die Gruppe der Null- bis Vierjährigen lag bei 1,3 Millionen Euro und die der Zehn- bis 14-Jährigen bei 1,5 Millionen Euro.

Fast jedes zweite schulpflichtige Kind hat bereits therapeutische Hilfe bekommen: Jedes vierte Sprachtherapie, jedes fünfte Ergotherapie und mindestens jede zehnte wurde psychotherapeutisch betreut.

Stellen Eltern also zu hohe Erwartungen an ihre Kinder und neigen dazu, schnell auf eine Therapie für ihr Kind zu bestehen, damit es den Anschluss nicht verliert? Zeigen diese Zahlen eine Tendenz zum Übertherapieren, zum optimierten Kind? Nein, meint Dr. Wolfgang Hartmann, Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte in Deutschland. Deutlich werde hier vor allem eine fehlende Förderung im frühkindlichen Bereich zur Vermeidung von Sprachdefiziten und Defiziten im Sozialverhalten, die für viele Kinder in fehlenden Schulabschlüssen und mangelhaften beruflichen und sozialen Aussichten münde. „Hätten wir ein quantitativ wie qualitativ ausreichendes pädagogisches System der sozialkompensatorischen frühkindlichen Förderung, wären solche Kinder dort sicher besser aufgehoben als im Medizinsystem. Wer Ausgabenanstieg bei Heilmittelverordnungen für Kinder anprangert, muss sich fragen lassen, warum die Gesellschaft nicht ausreichend Frühfördereinrichtungen zur Verfügung stellt und die Betreuungseinrichtungen für Kinder nicht so ausstattet, dass sie ihrem Bildungs- und Erziehungsauftrag nachkommen können.“

Bis dahin sind deshalb verordnete Therapien ein wichtiges Mittel, um für gute Startvoraussetzungen und Chancengleichheit zu sorgen und Problemen in der Entwicklung frühzeitig entgegenzusteuern. Welche Therapiemöglichkeiten es gibt, für wen sie geeignet sind und welche Methoden sie anwenden, zeigt im Folgenden eine kleine Übersicht.

 

THERAPIEN FÜR KINDER IM ÜBERBLICK

Ergotherapie

Wenn Kleinkinder nicht anfangen wollen zu krabbeln, nicht altersgerecht spielen oder später im Schulalter häufig unkonzentriert und überfordert wirken oder Probleme beim Malen oder Schleifen binden haben, kommt in vielen Fällen eine Ergotherapie in Frage. Die kleine Auswahl zeigt dabei schon an, wie breit dieses Feld aufgestellt ist. Aber was genau verbirgt sich dahinter? Der Deutsche Verband der Ergotherapeuten (DVE) definiert als Ziel der Ergotherapie die Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit in allen alltäglichen Bereichen als Basis für die eigene Gesundheit. Bestehende Einschränkungen durch Krankheiten, Entwicklungsrückstände oder andere Beeinträchtigungen werden dabei mit verschiedenen Therapietechniken so behandelt, dass möglichst viel Selbstständigkeit wiedererlangt wird. Bei Erwachsenen kommt die Ergotherapie beispielsweise nach einem Schlaganfall oder bei Artrithis zum Einsatz, ein gutes Drittel der Patienten sind allerdings Kinder im Vorschul- und Grundschulalter. Gründe für eine Verordnung bei Kindern sind vor allem Verzögerungen in der Entwicklung und Warnehmungsstörungen, das Feld der Probleme reicht dabei von Schwierigkeiten bei der Feinmotorik bis zu Konzentrationsschwierigkeiten oder psychischen Auffälligkeiten.

Mit sportlichen Spielen, Koordinierung- und anderen Übungen fördert die Ergotherapie die körperliche und soziale Entwicklung von Kindern.

Das praxisorientierte Behandlunsgkonzept umschließt körperliche, seelische und soziale Faktoren und ist je nach Patient individuell gestaltet. Grundlage ist deshalb immer eine genaue Bestandsaufnahme im Erstgespräch unter Berücksichtigung des Entwicklungsstandes beim Kind. Je nach Problem wird dann ein persönlicher Therapieplan erstellt, wobei die Behandlung ganz unterschiedlich sein kann. Besonders häufig zum Einsatz kommt dabei zum einen die Sensomotorische Integrationstherapie, die davon ausgeht, dass Schwierigkeiten in der Wahrnehmungsverarbeitung zu Problemen wie fehlender sozialer Integration oder Bewegungsstörungen führen können. Mittels sportlicher Spiele, körperlicher Übungen, Koordinierungsaufgaben und auch gestalterischer Arbeiten soll die Verarbeitung der aufgenommenen Sinne besser strukturiert und dem Kind mehr Sicherheit in seinem Handeln gegeben werden. Bereits Säuglinge, die viel schreien und sich schlecht beruhigen lassen oder ungewöhnlich auf Berührungen reagieren, lassen sich so behandeln. Zum anderen werden mit dem Bobath-Konzept spielerisch Bewegungsmuster erlernt, die auch im Alltag angewendet und so langfristig abgespeichert werden können. Die Ergotherapie kann als Heilmittel ärztlich verordnet werden, die Behandlung wird von der Krankenkasse übernommen.

Logopädie

Während der eine schon als Zweijähriger die Mehrwortsätze in korrekter Aussprache schafft, sind andere noch mit vier eher wortkarg. Wie viele andere Bereiche der kindlichen Entwicklung auch ist der Spracherwerb äußerst variabel und verläuft selten normativ. Es ist also nicht gleich eine Therapie nötig, wenn das Kindergartenkind die sprachliche Unterscheidung zwischen weiß und weich oder zwischen kleckern und klettern nicht schafft. Auch Kinder, die mehrsprachig aufwachsen, haben manchmal einige Schwierigkeiten. Wer sich Sorgen macht, ist deshalb beim Kinder- oder Facharzt am besten aufgehoben, der im Fall einer Störung zum Logopäden überweisen kann. Insbesondere bei den Vorsorgeuntersuchungen wird genau hingeschaut und auch das Hörvermögen, eine Grundvoraussetzung für den Spracherwerb, getestet. Wo es bei manchen Kindern mit kleinen Sing- und Sprachspielen im Alltag getan ist, ist bei diagnostizierten Sprachstörungen eine logopädische Therapie angezeigt, um Folgeprobleme wie eine Lese-Rechtschreib-Schwäche zu vermeiden. Auch deshalb sind sprachtherapeutische Behandlungen auf Platz eins bei den verordneten Heilmitteln im Vorschulalter.

Wo es bei manchen Kindern mit Sing- und Sprachspielen im Alltag getan ist, bedarf es bei anderen einer logopädischen Therapie.

Unterschieden wird in der Logopädie zwischen Artikulationsstörungen, bei denen einzelne Laute nicht korrekt gesprochen werden, Sprachentwicklungsstörungen, die auch Grammatik, Wortschatz und das Verstehen betreffen, Redeflussstörungen und Stimmstörungen. Wie bei der Ergotherapie wird auch in der Logopädie ein individueller Therapieplan nach ausführlicher Befunderhebung erstellt, der insbesondere bei kleinen Kindern spielerisch einzelne Bereiche fördert. In der Regel erfolgt die Behandlung in Einzelsitzungen. So können einzelne Laute beim gemeinsamen Spiel mit dem Einkaufsladen geübt oder der Wortschatz mit Spielen wie Memory oder Koffer packen erweitert werden. Auch kleine Rollenspiele ebenso wie gemeinsames Singen können Aussprache und Satzbau verbessern, Pustespiele werden zur Verbesserung der Mundmotorik eingesetzt. Wichtig ist vor allem, dass nach Anleitung des Therapeuten auch Übungen in den Alltag übernommen werden und Eltern ihren Kindern helfen, das Erlernte zu festigen. Als anerkanntes Heilmittel werden die Kosten einer sprachtherapeutischen Behandlung mit ärztlicher Verordnung von den Krankenkassen übernommen.

Physiotherapie

Die Anleitung der Eltern zu alltäglichen Übungen und praktischen Maßnahmen spielt auch in der Physio-therapie eine wichtige Rolle. Was früher allgemein unter dem Begriff „Krankengymnastik“ lief, ist heute ein therapeutisches Feld mit weit größerem Handlungsspielraum. Mittels Bewegungstherapie und physikalischer Therapie wie Massagen oder Wärmebehandlungen werden nicht nur akute Erkrankungen und Probleme behandelt, Vorbeugung und Rehabilitation sind ebenso grundlegender Bestandteil der Physiotherapie. Durch aktiv ausgeführte Übungen sollen Schmerzen gelindert, Kraft und Ausdauer verbessert werden, außerdem werden gesunde Bewegungsmuster eingeübt. Kleine Kinder werden vorrangig von Kinder-Physiotherapeuten behandelt, die über spezielle Fortbildungen als Bobath- oder Vojta-Therapeut verfügen. Mit dem Bobath-Konzept werden in der Physiotherapie vor allem motorische Fehlentwicklungen behandelt. Das beginnt schon bei Säuglingen mit Schiefhaltungen, Verzögerungen in der Bewegungsentwicklung oder Wahrnehmungsstörungen bis zu Gleichgewichtsproblemen und Fehlhaltungen bei bereits älteren Kindern.

Dem Alter entsprechend wird mit Gymnastikbällen, Schaukeln, im Klettertunnel oder auf dem Boden kindgerecht ein gesunder Bewegungsablauf geschult und die motorische Entwicklung gefördert. Grundlage der Vojta-Therapie ist der Gedanke, dass sich durch bestimmte Reize der Teil des Gehirns beeinflussen lässt, der für Bewegung und Haltung zuständig ist, so die Definition des Deutschen Verbands für Physiotherapie. Angeborene Bewegungsmuster können so mit gezieltem Druck aktiviert werden. Was erstmal schwierig klingt, ist eigentlich recht einfach: Alle Bewegungsmuster, die es für eine gesunde Fortbewegung braucht, sind bereits im Kind angelegt. Probleme im Bereich des zentralen Nervensystems können die Ausbildung dieser Fähigkeiten blockieren. Durch die Stimulation der Druckpunkte durch die Therapeutin werden bestimmte Reflexe ausgelöst und elementare Bewegungsmuster hervorgerufen. Während mit dem Bobath-Konzept also erwünschte Bewegungsabläufe trainiert und unerwünschte gehemmt werden, liegt der Fokus in der Vojta-Therapie nicht auf dem Erlernen bestimmter Techniken, sondern setzt bei der Grundvoraussetzung für eine gesunde Entwicklung an. Beide Methoden sind als physiotherapeutische Maßnahmen anerkannt und werden von überweisenden Kinderärzten verordnet. Die Kosten der Behandlungen trägt die Krankenkasse.

Himbeer Gesundheit: Therapien | Berlin Mit Kind

Osteopathie

Die erste Zeit mit dem neugeborenen Familienzuwachs sollte für Mutter und Kind möglichst entspannt sein, um im neuen Lebensabschnitt anzukommen. Müdigkeit und Unsicherheit gehören sicherlich in dieser besonderen Zeit immer mit dazu, aber wenn der Nachwuchs unaufhörlich weint, immer schlechter schläft und sich nur schwer beruhigen lässt, kommen beide bald an ihre Grenzen. Eine klare Ursache lässt sich oft nicht finden und Eltern bleiben ratlos. Hilfe kann da oft der Gang zum Osteopathen bringen. Die Heilmethode stellt den Patient als Einheit von Körper und Geist in den Mittelpunkt, dessen Beschwerden niemals isoliert betrachtet werden. Vielmehr begreift der Osteopath den Körper als ein komplexes System von Knochen, Muskeln, Sehnen, Organen und Nerven, das von den Faszien zusammengehalten wird. Gesund ist der Körper dann, wenn in diesem System alles frei beweglich und mobil ist. Treten Störungen und Blockaden auf, kommt es zu Beschwerden. Über die Faszien und Nervenbahnen können diese Störungen auch Probleme an ganz anderen Köperbereichen verursachen. So kann bei Säuglingen ein eingeklemmter Nerv am Hals zu Verdauungsproblemen und schmerzhaften Blähungen führen. Der Osteopath spürt mit seinen Händen solche Blockaden als Ursache auf und löst sie mit manuellen Techniken.

Wenn der blockierte Nerv zu Verdauungsproblemen führt, kann der Gang zum Ostheopathen Abhilfe verschaffen – hier wird ganzheitlich geheilt.

Besonders bei Säuglingen und kleinen Kindern kommt häufig die Cranio-Sacral-Therapie, eine therapeutische Methode der Osteopathie, zum Einsatz. Diese beschäftigt sich vor allem mit der Verbindung zwischen Schädel und Wirbelsäule und wird oft bei Störungen angewendet, die auf Probleme bei der Geburt zurückzuführen sind. Wer sein Kind von einem Osteopathen behandeln lassen möchte, sollte sich an einen speziell ausgebildeten Kinderosteopathen wenden, der über ein entsprechendes Wissen zur kindlichen Entwicklung verfügt. Der Verband der Osteopathen Deutschland listet auf seiner Seite Therapeuten mit nachgewiesener mindestens vierjähriger osteopathischer Ausbildung, alle Therapeuten mit fachlicher Weiterbildung zur Behandlung von Kindern sind hier extra gekennzeichnet. Auch wenn die Osteopathie nicht zum Heilmittelkatalog der gesetzlichen Krankenkassen gehört, beteiligen sich inzwischen zahlreiche Kassen an den Kosten der Behandlung. Wieviel jeweils übernommen wird, ist dabei unterschiedlich.

Integrative Lerntherapie

Wer bereits Schulkinder hat, dem sind Sorgen und Probleme mit Hausaufgaben, Noten und Lernzeiten sicher keine Unbekannten. Selten durchlaufen Kinder ihre Schullaufbahn ohne Phasen von Unlust und Desinteresse, in der auch mal die Noten abfallen, oder Schwierigkeiten in Fächern, die ihnen einfach nicht so liegen. Häufig müssen Lücken dann mit Nachhilfe aufgeholt werden – doch das ist nicht mit einer Lerntherapie zu verwechseln. Diese kommt erst bei gravierenden Problemen wie einer diagnostizierten Lese-Rechtschreib-Schwäche, Legasthenie oder Dyskalkulie, aber auch bei ausgeprägten Konzentrationsstörungen oder enormen Schulängsten zum Einsatz und hat nicht zur Aufgabe, den Schulstoff nachzuholen, sondern dem Kind eine Basis zu schaffen, um lernen zu können. Die Therapie ist deshalb immer individuell auf das Kind, seinen Entwicklungsstand und seine Probleme abgestimmt und beinhaltet neben psychotherapeutischer Begleitung oft auch Elemente aus der Ergo- oder Kreativtherapie. Kernziel ist das Überwinden von Blockaden und die Stärkung des Selbstwertgefühls.

Eine Frage des Geschlechts: Unter den Fünf- bis Neunjährigen sind bei den Jungs bereits 24 Prozent therapieerfahren, bei den Mädchen lediglich 15 Prozent.

Viele Kinder, bei denen eine Lerntherapie indiziert ist, haben bereits viele Misserfolge und Diskriminierung durch Mitschüler in der Schule erlebt und sind dementsprechend frustriert. Hier gilt es, zunächst einen positiven Zugang zum Lernen zu schaffen. Zur Anwendung kommen unter anderem Konzentrations- und Wahrnehmungsübungen, Gedächtnisspiele, Bewegungsübungen, feinmotorische Übungen und kreative Ausdrucksmöglichkeiten. Wichtig sind die Ausbildung von Strategien für ein erfolgreiches Lernen als Fundament für einen langfristigen Erfolg. In einigen Fällen können die Kosten für eine integrative Lerntherapie auf Antrag vom Jugendamt übernommen werden.

Gesprächs- und Verhaltenstherapie

Wenn das normale emotionale Auf und Ab im Teenageralter zu einem ernsten Problem wird, ist es wichtig, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Das Bündnis Depression spricht von drei bis zehn Prozent der Jugendlichen zwischen zwölf und 17 Jahren, die an einer Depression leiden. Damit zählt die Depression zu den häufigsten psychischen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter. Erste Anzeichen können übermäßige Erschöpfung, Antriebslosigkeit, Aggressionen oder psychosomatische Beschwerden wie häufige Kopf- und Bauchschmerzen sein. Für Eltern ist es da nicht immer einfach abzuschätzen, ob die Beschwerden auf eine ernsthafte Krankheit hindeuten.

Neben belastenden Situationen wie Trennungen oder Verlusten kann auch zu großer Druck und zu hohe Erwartungen psychisch krank machen. Oft fühlen sich Jugendliche überfordert und fürchten, die gesteckten Ziele nicht zu erreichen: Immer mehr Therapeuten berichten von Jugendlichen mit sogenannten Burnout-Anzeichen. Auch Mobbing wird immer häufiger zu einem ernsten Problem. Wenn die Symptome über längere Zeit anhalten und sich nicht bessern, sollte fachlicher Rat eingeholt werden, um schwerwiegende Folgen zu vermeiden. Neben einer Depression sind auch Störungen im Sozialverhalten, Essstörungen und Suchterkrankungen bei Jugendlichen Gründe, die für eine Gesprächs- oder Verhaltenstherapie sprechen können. Welche Methode angezeigt ist, entscheidet der Therapeut nach der Analyse. In der Gesprächstherapie finden Kinder und Jugendliche einen geschützten Raum, um ihre Schwierigkeiten im Gespräch mit dem Therapeuten auszudrücken und nach Lösungen zu suchen.

Ziel ist immer zunächst, das Problem zu erkennen und das eigene Verhalten zu reflektieren. Ähnlich wie in der Gesprächstherapie wird auch in der Verhaltenstherapie nach den Ursachen des Problems geforscht, um auslösende Faktoren ausfindig zu machen. Aus den gewonnenen Ergebnissen leitet sich dann ab, welche Maßnahmen möglich sind, um neue Verhaltensweisen zu erlernen. Das kann die Verstärkung von positiven Elementen in der Selbstwahrnehmung sein, eine schrittweise Annäherung an beängstigende Situationen oder das Üben von Selbstkontrollmechanismen. Wie genau die Therapie abläuft, ist immer ganz vom Patienten abhängig. Sowohl die Gesprächs- als auch die Verhaltenstherapie ist wie die Spieltherapie der Psychotherapie zugehörig, die bei Indikation von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen wird.

Spieltherapie

Der Begriff Spieltherapie bezeichnet eine Methode aus der Kinder- und Jugendpsychotherapie, die vor allem bei Kindern zwischen vier und zwölf Jahren zum Einsatz kommt. Wie der Name schon nahelegt, wird das therapeutische Spiel benutzt, um Kindern die Möglichkeit zu geben, ihre Gefühle auszudrücken und Probleme zu lösen. Wo bei Erwachsenen Konflikte über das Gespräch gelöst werden, kommt bei Kindern das Spiel zum Einsatz, um das innere Erleben zum Ausdruck zu bringen. Ein gutes Vertrauensverhältnis zwischen Kind und Therapeut ist dabei wichtigste Voraussetzung. Neben Rollenspielen und dem Eintauchen in Fantasiewelten werden auch Spielsachen wie Handpuppen, Spielfiguren und ähnliches integriert, wobei der Therapeut nicht das Spiel vorgibt, sondern gemeinsam mit dem Kind eintaucht. Auch Karten- und Brettspiele sowie Materialien wie Knete oder Ton werden benutzt. Ziel ist immer, dass das Kind seinen Emotionen Ausdruck verleihen kann und im Spiel Konflikte verarbeiten kann.

Im Spiel lassen sich so auch unangenehme oder beängstigende Situationen und Gefühle verarbeiten und neue Handlungsstrategien erproben, ohne die Folgen in einer wirklichen Situation fürchten zu müssen.

Gleichzeitig wird das positive Selbstbild gestärkt. Mögliche Indizien, dass eventuell eine Spieltherapie angezeigt ist, können Probleme im Kindergarten oder in der Schule, besonders aggressives oder ängstliches Verhalten, Schlafstörungen, Beziehungsstörungen und mehr sein. Auch stark belastende Situationen oder familiäre Probleme können Gründe sein. Speziell ausgebildete Kinder- und Jugendpsychotherapeuten erstellen zunächst eine gründliche Diagnostik und entscheiden dann, welche Hilfe das Kind braucht. Bei entsprechender Indikation trägt die Krankenkasse die Behandlungskosten einer Psychotherapie, wobei zu beachten ist, dass der Therapeut über eine Kassenzulassung verfügt. Da es insgesamt nicht viele Therapieplätze gibt, muss man zuweilen mit langen Wartezeiten rechnen.

Pferdegestützte Tiertherapie

Das Glück der Erde liegt manchmal tatsächlich auf dem Rücken der Pferde. Die sozialen Herdentiere haben als therapeutische Helfer bereits eine lange Tradition und werden bei den unterschiedlichsten Schwierigkeiten eingesetzt. Dabei geht es nicht allein ums Reiten. Der Begriff Pferdegestützte Therapie versammelt mehrere Schwerpunkte: Die Hippotherapie ist eine physiotherapeutische Maßnahme für Patienten mit neurologischen Bewegungsstörungen, die sich die Schwingungsimpulse beim Reiten als heilsamen Effekt zunutze macht, auf den der Köper reagiert. Gleichgewicht, Koordination und Muskelfunktionen werden so unterstützt. Eine Hippotherapie wird von den Krankenkassen nicht übernommen.

Für Kinder mit sozialen oder psychischen Problemen kann es hilfreich sein, das Pferd als wertfreies Gegenüber zu erleben.

Auch eine ergotherapeutische Behandlung mit Pferd ist möglich. Dabei werden insbesondere die Wahrnehmung, die Sensomotorik und die Stärkung des Sozialverhaltens gefördert. In Einzelfällen können die Kosten im Rahmen einer Ergotherapie übernommen werden, wenn eine Sonderverordnung vorliegt. Die Heilpädagogische Förderung mit dem Pferd stellt besonders die Beziehung zum Therapiepferd in den Mittelpunkt. Im direkten Kontakt werden soziale Fähigkeiten erlernt und das Selbstwertgefühl gesteigert. Gleichzeitig werden beim Voltigieren auch motorische Kompetenzen erlangt. Insbesondere für Kinder mit sozialen oder psychischen Problemen kann es hilfreich sein, das Pferd als wertfreies Gegenüber zu erleben. In der Regel werden die Kosten einer Therapie nicht übernommen.

Chiropraktik

Mit der Hand behandeln – die wörtliche Übersetzung der Chiropraktik lässt erkennen, was hier wesentlich ist. Schmerzvolles und brachiales Einrenken, wie man es manchmal mit der Chiropraktik verbindet, ist damit allerdings nicht gemeint. Mit gezielten Techniken werden Blockaden an den Wirbeln und Gelenken gelöst, um Druck von den Nerven zu nehmen und Schmerzen zu lindern. Die behandelten Fehlstellungen können dabei sowohl aus falschen Bewegungen und Belastungen als auch aus Haltungsfehlern oder Unfällen resultieren. Bei Säuglingen und Kindern können diese Probleme auch ihren Ursprung in der großen Belastung des Körpers bei der Geburt haben.

Anzeichen für mögliche Gelenkblockaden sind dann oft Unruhe und häufiges Schreien, Berührungsempfindlichkeit, eine schiefe Kopfhaltung oder auch Schluckbeschwerden und Koliken. Besonders häufig betroffen sind die Wirbel der oberen Halswirbelsäule. Unter Berücksichtigung des kindlichen Bewegungsapparates werden mit gezielten Griffen und sanftem Druck Gelenke und Wirbel mobilisiert und wieder in die richtige Position gebracht. So kann auch motorischen Entwicklungsverzögerungen vorgebeugt werden.

Unsere Autorin und zweifache Mutter Antje Kölling weiß aus eigener Erfahrung, wie hilfreich Therapeuten sein können, dennoch ist sie skeptisch, ob es nicht in vielen Fällen besser wäre, etwas abzuwarten, bevor man das Kind als behandlungsbedürftig einstuft.