Die Chemie zwischen Paaren ist ein Feld, das die Wissenschaft seit Jahrzehnten umtreibt. Auch die Therapeutin Roxana Costea beschäftigt sich mit der Beziehung zwischen Menschen und bietet Paartherapie an.
Lena Reich traf für uns die Wissenschaftlerin zum Interview und hat erfahren, wann eine Paartherapie sinnvoll sein kann.
Frau Costea, als Sexualwissenschaftlerin und systematische Therapeutin haben Sie Einblick in die inneren Strukturen von Paaren. Vor welcher Herausforderung stehen Ihre Klient:innen?
In meiner Praxis begegnen mir immer wieder Paare und Familien, die unter immensem Druck leiden. Perfektes Aussehen, Libido und Job, der als Berufung wahrgenommen wird. Ihr Thema: Wer nicht klarkommt, hat selber schuld. Ganz gleich, ob es sich um erfüllte Elternschaft, gewollte Kinderlosigkeit oder unerfüllten Kinderwunsch handelt, sie alle kämpfen mit der Perfektion.
Ist eine Paartherapie nicht Teil dieser Selbstoptimierung?
Der Punkt ist, in der Beziehung seine Ansprüche zu reflektieren und dem anderen auch das richtige Maß an Eigenarten und Fehlern einzugestehen.
In jedem Fall ist die Paartherapie der Anfang einer neuen Phase der Beziehung. Das bedeutet vor allem Mut. Bestenfalls schafft es das Paar, die alten immer wiederkehrenden Themen, die für Unzufriedenheit sorgen, aufzuräumen und gemeinsam einen Schritt vorwärts zu gehen.
Durch das Aufräumen alter Verletzungen wird Raum für Neues geschaffen. Und dieses Neue kann eben auch das zugestandene Ende der Beziehung sein.
Zu welchem Zeitpunkt ihrer Beziehung wenden sich Paare an Sie?
Leider oft erst, wenn sie das Gefühl für sich verloren haben. Bei Nicht-Eltern geht es ab einem bestimmten Alter um die Frage, ob sie Kinder wollen oder wie die Beziehung weitergeht, wenn sie keine bekommen können.
Auch leiden Paare, die lange darauf gewartet haben, ein Kind zu bekommen, Hormone und Behandlungen auf sich genommen haben, unter einem Burn-Out. Der so lang ersehnte Traum nach dem Wunschkind hat derart Energie und Anstrengung gefordert, dass nicht selten Leere und Erschöpfung folgen, anstelle von Glück und Endorphinen.
In jüngster Zeit wird immer wieder von ausgebrannten Väter berichtet …
Allerdings gibt es noch nicht allzu viele Untersuchungen. Zwar kümmert sich die Deutsche Rentenversicherung mittlerweile gezielter um eine Differenzierung des Eltern Burn-Outs, und auch Ratgeber, wie Thomas Gesterkamps „Die neuen Väter zwischen Kind und Karriere. So kann die Balance gelingen“ spricht eben diese Männer an.
Vereinzelt gibt es auch Väter-Gruppen, aber Fakt ist nun mal: Väter dürfen nicht schwach sein. Daher sind sie nicht sichtbar und bekommen wenig Gehör, bei z.B. ihrem Chef. Sie müssen nach der Geburt auf ihren gewohnten Arbeitsfeldern weiterfunktionieren und tragen die familiäre Veränderung nicht nach außen – im Gegensatz zu Frauen, die sich in der Schwangerschaft körperlich und spätestens mit dem Mutterschutz auch räumlich verändern. Väter haben weniger räumliche Möglichkeiten, ihre Erschöpfung zu zeigen. Gesellschaftlich ist ein Vater-Burn-Out nicht vorgesehen.
Wann ist man zu alt für eine Paartherapie?
Nie, denn neben der lebenslangen Frage „Bin ich glücklich?“ werden andere relevant. Oft sind es die Themen „nebeneinander her leben“ „sich wenig zu sagen haben“ und „Angst vor dem alleine sein und der vielen Zeit im arbeitsfreien Alter“ gepaart mit der finanziellen Abhängigkeit.
Meine Erfahrungen haben gezeigt, dass gerade Frauen über 50 oft im Konflikt stecken, sich einerseits von dem Mann trennen und anderseits die „Eigenheim, Reisen und angenehm Leben“ – Sicherheit nicht verlassen zu wollen. Eine Therapie kann unterstützen, eine klare Entscheidung zu treffen, für das eigene Leben.
So eine Sitzung ist eine sehr intime Angelegenheit. Welche Rolle spielen Sie in dieser Konstellation?
Als Therapeutin moderiere ich den entstehenden Prozess und begleite die dabei zu Tage kommenden Gefühle, die nicht selten der Moral, Anspruch oder sozialen Strukturen der Klienten widersprechen.
Das Paar muss mit absolut fremden Menschen die sensibelsten und manchmal noch nie ausgesprochenen Geheimnisse besprechen. Dafür braucht es Vertrauen und Unparteilichkeit. Das Paar entscheidet also in den ersten drei Sitzungen, welchen Weg es gehen möchte. Auch mit mir. Ich bekräftige sie stets, auf ihr Bauchgefühl zu vertrauen und nur mit mir zusammen zu arbeiten, wenn sie sich bei mir aufgehoben fühlen.
Unser therapeutisches Handwerk macht meiner Ansicht nach nur einen Teil einer guten Arbeit aus.
Und der andere Teil?
Das ist das zwischenmenschliche Gefüge. Auch ein Therapeut ist nur ein Mensch, der einem sympathisch oder unsympathisch sein kann.
Interview: Lena Reich
Roxana Costea hat in verschiedenen sozialen Arbeitsbereichen, u.a. Schulen und der Jugendhilfe gearbeitet, und war in Bayern therapeutisch in der Familienberatungsstelle tätig, bevor sie beschloss, sich als Sexualwissenschaftlerin und systematische Therapeutin mit einer eigenen Praxis niederzulassen. Derzeit absolviert sie die Weiterbildung zur systemischen Sexualtherapeutin bei dem renommierten Sexualwissenschaftler Ulrich Clement am Institut für systemische Impulse und Ausbildungen.