So ausgeklügelt die Pläne von Familien auch sein mögen, sind sie bei den meisten doch auf Kante genäht. Diese Konstrukte geraten bei Kitastreiks, Krankheiten & Co schnell an ihre Grenzen. Wer dann was wie übernimmt, ist häufig Anlass für Konflikte. Zählt die Arbeit des:derjenigen mehr, der:die mehr verdient? Was sagen unsere Paartherapeut:innen dazu?
Liebe Goldfarbs,
wir haben zwei kleine Kinder, ich arbeite freiberuflich als Designerin, mein Partner in der Fintech-Branche. Wir beide lieben unsere Arbeit und gehen in ihr auf, allerdings bin immer ich diejenige, die zurückstecken muss, wenn ein Kind krank ist, die Kita mal wieder geschlossen ist oder sonst etwas dazwischen kommt. Unsere beiden Kleinen wollen auch immer nur „die Mama“, wenn es ihnen schlecht geht. Muss ich wirklich immer diejenige sein, die im Beruf kürzer tritt, auch wenn mein Partner mehr verdient als ich? Brauchen wir klare Regeln?
Maren, 42*
Die Goldfarbs antworten
Liebe Maren,
sicherlich ahnst du unsere Antwort auf deine erste Frage schon: Nein, natürlich musst nicht du diejenige sein, die im Beruf zurücksteckt, auch wenn du weniger verdienst als dein Partner.
Denn das wäre weder gut für eure Beziehung, noch für die Beziehung von dir und deinem Partner zu den Kindern. Und dass eine gute Beziehung als Paar und eure Familie wichtiger sind als der Kontostand, versteht sich eigentlich von selbst.
Gleichzeitig fragst du, ob ihr klare Regeln braucht. Das ist im Grunde eine gute Idee, aber du kennst ja sicherlich den Spruch: Wenn du Gott zum Lachen bringen willst, erzähl ihm von deinen Plänen. Das Leben ist chaotisch, erst recht, wenn Kinder darin eine Rolle spielen. Eure sorgsam ausgearbeiteten, klaren Pläne würden Gefahr laufen, an den Klippen der Realität zu zerschellen.
Was tun, wenn das Kind immer nach Mama verlangt?
Wenn das Kind Schmerzen hat und „MAMAAAAAAAA!!!!!!“ schreit, ist eine penibel ausgearbeitete Paritäts-Liste nicht mehr viel wert. Denn dann kommt Mama und tröstet. Doch wie seid ihr dahin gekommen, wo ihr jetzt seid?
„Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“, schrieb Hermann Hesse und die Hormonforschung gibt ihm Recht. Jedem Anfang wohnt aber auch eine Entscheidung inne: Wer sich für eine Person entscheidet, die viel und gerne arbeitet, entscheidet sich eben auch für ein Leben an der Seite einer Person, die viel und gerne arbeitet. Entscheiden sich zwei Personen, die viel und gerne arbeiten, füreinander, wird sich keine von ihnen grundlegend ändern.
Kommen Kinder dazu, fangen die Konflikte an. Dann wird die Frage gestellt: Wer hat Priorität? Wer kümmert sich um die Kinder, wer „darf“ arbeiten? Wessen Arbeit ist mehr wert? Die, die besser bezahlt ist? Die, die mehr Erfüllung bringt? Die, die die Welt ein wenig besser macht?
Diese Fragen sind unmöglich zu beantworten – nicht von dir oder deinem Partner und erst recht nicht von uns. Eine Frage, die ihr euch aber selbst stellen und hoffentlich auch beantworten könnt, ist: Was brauchen wir, um glücklich zu sein? Was braucht jede:r für sich, um glücklich zu sein? „Wer hat gerade die größere Not?“ ist die wichtigere Frage als „Wer verdient das meiste Geld?“.
Gewichtung will gelernt sein
Gebt euren Bedürfnissen eine Gewichtung, für den Anfang gerne auch in Skalen von 1 bis 10. Lasst euer Gegenüber nicht raten, wie wichtig euch jetzt gerade das Projekt, die Deadline, die Mail ist, sondern formuliert es klar und deutlich. Du arbeitest gerade an einem Entwurf, der dir richtig viel bedeutet? Sag deinem Partner, dass das für dich eine 10 ist.
Es ist unerheblich, ob der Job so gut bezahlt ist, du brauchst ihn jetzt für dich. Auch dein Partner wird seine 10er-Projekte haben. Und sie können nicht immer gleichzeitig fertig werden müssen (obwohl das natürlich vorkommt), und es kann auch nicht jede Arbeit so bedeutsam sein. Seid ehrlich zueinander. Gönnt einander die Erfüllung.
Gönnt einander aber auch die Kinder. Du schreibst, dass eure „immer nur die Mama“ wollen. Das ist ein gelerntes Verhalten, ein Muster, das sich eingeschlichen hat. Und wie jedes Muster lässt sich auch dieses Muster ändern. Du schreibst, dass dein Partner in der Fintech-Branche arbeitet, also kennt er sich bestimmt mit Investments aus. Investiert er in Zeit mit den Kindern, wird er einen satten Return bekommen: Kinder, die nicht immer nur die Mama wollen, mit dem Extra-Benefit einer ausgeglichenen Partnerin: Win-Win.
Dazu musst du allerdings auch loslassen, deinen Partner sein eigenes Ding mit den Kindern machen lassen und nicht mit halbem Auge dabei sein oder später zusammenfassen, was alles falsch gelaufen ist. Wir haben natürlich keine Ahnung, ob es diese Tendenzen bei dir gibt, aber es ist ein Muster, das wir oft beobachtet haben.
Ihr beide liebt eure jeweiligen Projekte, also macht euer Paar- und Familienleben auch zu einem Projekt. Was braucht dieses Projekt, um erfolgreich zu sein? Wie flexibel könnt ihr sein? Seid ihr bereit „out of the box“ zu denken? Habt ihr dieselben Ziele? Wenn ihr langfristig nicht dieselben Ziele habt, stellt euch mutig die Frage, warum ihr dann noch zusammen seid?
Zurück zu deiner Eingangsfrage: Brauchen wir klare Regeln? Wie wäre es mit dieser: Egal was ihr tut, euer Ziel sollte immer sein, einander glücklich zu machen.
Ihr habt eine Frage, der sich die beiden Paartherapeut:innen widmen können? Dann schreibt uns an liebegoldfarbs@himbeer-verlag.com
Goldfarb & Goldfarb
Laura und Tobias bieten Paartherapie, Einzelsitzungen, Beziehungs-Check, Mediation und Teambuilding in ihren Räumen in Berlin-Prenzlauer Berg oder als Online-Sitzungen (auch auf Englisch) an. goldfarb-goldfarb.com
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