Green Parenting

... wie man Kinder großzieht, die Welt rettet und dabei nicht verrückt wird. Ökologisch leben ist immer noch sehr angesagt – zumindest in der Theorie. Für eine konsequente und ernsthafte Umsetzung müsste jeder sein Leben ändern. Aber sein Ändern wirklich leben, fällt uns meistens auch ziemlich schwer. Nun gibt es beim Ökom Verlag eine Neuerscheinung, die das unattraktive Thema leicht verdaulich behandelt.

Unattraktiv deshalb, weil natürlich leben und die Umwelt schonen auch immer wieder richtig verzichten heisst. Und das in einer Gesellschaft, in der noch immer alles möglich scheint, in der man das schlechte Gewissen oft mit Mülltrennung der bunten, trendy verpackten Pseudo-Ökoprodukte beruhigt. In einer Gesellschaft, in der alle weiterfliegen, reisen, fahren, Riesenautos kaufen – als gäbe es kein Morgen.

Das handliche Buch ist in acht Kapitel gegliedert: Natürlich lernen und spielen, Ihr grünes Nest, Kann ich das essen?, Jäger und Sammler, Körpersprache, Kleine grüne Daumen, Wie die Natur uns gut tut und Grüne Feste. Gar nicht dem Zeitgeist entsprechend ist zum Beispiel, dass die beliebten Smoothies im ersten Kapitel nebenbei abgekanzelt werden: „Überflüssig und nutzlos. Smoothies aus dem Supermarkt. Sie sind voller Zucker und oft viel zu teuer. Stellen Sie eigene mit einem versteckten Gemüseanteil her oder bleiben Sie beim Wasser.“

Und die Frage ist berechtigt: Muss man wirklich dauernd frisch pürierte Früchte zweifelhafter Herkunft trinken, nur weil es gerade „in“ ist? Auch die Zahnärzte sind dagegen, ganz zu schweigen von dem zusätzlichen Müll, der dafür täglich produziert wird. Ganz extrem unmodern: das Thema Stoffwindeln. In Deutschland kauft man vegane Windeln, Ökowindeln – aber man scheut die Stoffwindel – aus gutem Grund. Sie ist mit den heutigen Mobilitätsbedürfnissen einfach nicht mehr vereinbar. Zugfahren, fliegen, bei der Arbeit oder im Café stinkende Stoffwindeln mit sich herumtragen – das kann sich heute wirklich niemand mehr vorstellen … und dabei ist der von Wegwerfwindeln produzierte Müllberg mit eines der größten ungelösten Umweltprobleme unserer Zeit.

Nette Tipps, die angenehme farbliche Gestaltung und ein schönes Rezept für wirklich außergewöhnliche Kinderknete zum Selbermachen lohnen einen längeren Blick. Farblich abgesetzte und locker eingestreute Rubriken wie die „Grüne Herausforderung“, „Und was sagt Oma?“ oder der “ Großstadtdschungel“ führen ohne Anstrengung weiter in die Thematik hinein.

Licht ausschalten, wo man es gerade nicht braucht, den Wasserkocher rechtzeitig entkalken, das Backrohr nicht zu früh einschalten. Und man kann auch eine Woche oder gar völlig ohne Küchenrolle auskommen. Danke für die Erinnerung! Aber retten wir damit wirklich die Welt? Umwelterziehung macht direkt und indirekt einen großen Teil des Buches aus. Deshalb kann die Frage zumindest teilweise mit „Ja“ beantwortet werden.

Die Welt lieben und sich nicht noch mehr von ihr entfremden, das sollen und können wir unseren Kindern als Rüstzeug mitgeben. Nicht süß, zuckrig und verklebt sollen die Alltagserfahrungen von Kindern sein, sondern auch nass, matschig und verschmutzt. Was zunächst unattraktiv und anstrengend im Vergleich zum Besuch eines Indoorspielplatzes oder Kinos scheint, stellt sich als wirklich beglückendes Erlebnis für alle Familienmitglieder heraus. Wie man das gemeinsam wieder erlernen und auch in der Großstadt erfahren kannn, dafür liefert das Kapitel „Wie die Natur uns gut tut“ schöne Beispiele.

Dass zum Leben auch eine Schmuddelecke gehört und eine Schublade mit Müll auch sehr schön als „Treibgut des Lebens“ bezeichnet werden kann, davon ist in Kapitel 6 die Rede. Manchmal merkt man allzu deutlich, dass die Autorin Kate Blincoe aus England kommt. Dies schadet dem Buch aber nicht sehr und wird durch einen umfangreichen Serviceteil der Redaktion des Ökom-Verlages ausgeglichen. Wir feilschen gerade auf dem Bauernmarkt nicht um den Preis der wertvollen Lebensmittel, für die die Bauern oftmals sowieso zu wenig Geld erhalten. Wer unbedingt Feilschen will, kann das am besten auf dem Flohmarkt lernen. Und hier kann man halt einfach keine Riesenbovist-Pizza machen, weil es den Pilz viel zu selten gibt. Aber dann probieren wir das schöne Rezept eben mit Champignons aus!

Text: Ursula Liepelt

Kate Blincoe: Green Parenting: Wie man Kinder großzieht, die Welt rettet und dabei nicht verrückt wird, 224 Seiten, oekom verlag München, 03/2016, 978-3-86581-778-5, 19,95 Euro

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