Nicht nur zu Pandemiezeiten kann das Elterndasein, insbesondere für Mütter auszehrend sein. Wie man den Kreislauf durchbrechen und wieder zu Kräften kommen kann, erklärt die Kinderärztin in ihrem neuen Buch „Das Geheimnis ausgeglichener Mütter“ und spricht mit uns über Stressfallen, präventive Strategien und die Rush Hour des Lebens.
Selbst Mutter von zwei Söhnen, weiß Kinderärztin Dr. Karella Easwaran aus eigener Erfahrung, wie kräftezehrend das Leben mit Kindern zuweilen sein kann. Nicht selten führen Erwartungsdruck, permanente Verantwortung und fehlende Selbstfürsorge in die totale Erschöpfung. Ein Problem, dass sich für viele Mütter in den letzten Monaten durch den Spagat zwischen Homeschooling, Homeoffice und dem üblichen Alltag noch verschärft hat.
Vielen Müttern bleibt im Alltag oft keine Zeit zum Durchatmen. Hat die Belastung in den letzten Jahren zugenommen?
Definitiv! Mütter sind häufiger berufsstätig als früher – müssen es auch sein, um im Trennungsfall für ihren eigenen Lebensunterhalt aufkommen zu können. Durch Ausbildung, Studium und Berufseinstieg verkürzt sich die Zeitspanne für Karriereplanung und Familiengründung, die sogenannte „Rush-Hour“.
Meist müssen neben der Familie zwei Berufstätigkeiten unter einen Hut gebracht werden. Gleichzeitig ist der Anteil an unbezahlter Arbeit bei Frauen nach wie vor fast dreimal so hoch wie der der Männer. Dauernde Erreichbarkeit, höheres Arbeitspensum in schnellerer Taktung und Freizeitstress verstärken die Belastung zusätzlich.
Schon unter normalen Umständen managen Mütter also mit viel Einsatz Beruf, Kindererziehung, Hausarbeit und Familienorganisation. Mit der Corona-Krise kam schließlich zum Home-Office dann auch noch die Betreuung von Kita-Kindern und Homeschooling hinzu.
Welche Folgen kann dauerhafter Stress haben und warum werden Warnzeichen so oft ignoriert?
Unser Körper schüttet in belastenden Situationen Stresshormone wie Cortisol und Adrenalin aus. Dies tut er, um blitzschnell Energie freizusetzen, etwa für Angriff oder Flucht. Wir sind in maximaler Alarmbereitschaft: Wir atmen schneller, das Herz schlägt kräftiger, die Muskeln spannen sich an.
In unserer modernen Gesellschaft stellt Stress eine große Gesundheitsbedrohung dar. Vielen Müttern fehlen Erholungspausen, in denen Energiereserven wieder aufgefüllt und Schäden repariert werden können.
Die permanente Überflutung mit schädlichen Stresshormonen ist die Hauptursache für viele Zivilisationskrankheiten: Verspannungen der Kopf-, Nacken- und Rückenmuskulatur, Herzkreislauferkrankungen, Gefäßschäden und hoher Blutdruck. Weitere Folgen sind gestörte Immunreaktionen, Stoffwechselstörungen, Übergewicht und Diabetes. Auch psychisch wirkt Dauerstress wie Gift: Wir empfinden wenig Freude, die Eigenmotivation lässt nach. Dazu kommen Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit, Schlafstörungen bis hin zu Depressionen und Burnout.
Häufig fehlt das Bewusstsein dafür, was Stresshormone in unserem Körper anrichten. Viele Mütter denken, es sei normal, dauerhaft erschöpft, übermüdet und gereizt zu sein. Stress wird dann erst viel zu spät wahrgenommen.
In Ihrem Buch „Das Geheimnis ausgeglichener Mütter“ beschreiben Sie, wie sich durch das Benefical Thinking die Gesundheit beeinflussen lässt. Doch wie schafft man es, positiv zu denken, wenn die Kraft am Ende ist?
Beim Beneficial Thinking geht es nicht nur um positive Gedanken. Ziel ist es, eingefahrene Denkmuster zu überlisten, die uns immer wieder in dieselben Stressfallen locken. Damit reduzieren wir nicht nur den bereits vorhandenen kräftezehrenden Stress. Wir können auch lernen, ihn immer häufiger erst gar nicht entstehen zu lassen.
Mit einfachen, praktischen Übungen schafft man es mit der Zeit, die Prozesse im Gehirn in eine vorteilhaftere Richtung zu wenden und dadurch neue Kraft zu mobilisieren.
Sollten Mütter das sprichwörtliche Dorf, das man braucht, um ein Kind großzuziehen, mehr nutzen und Hilfe annehmen?
Tatsächlich geht es bei dem „Dorf“ nicht nur um die Kindesentwicklung. Die Mutter soll vor allem auch Unterstützung erhalten, sich austauschen und stabile Beziehungen aufbauen kann. Wir sind nun mal nicht dazu gemacht, ein Kind ganz allein großzuziehen. Von anderen „Dorfmitbewohnern“ bekommt die ganze Familie Hilfe, Halt, Anerkennung und Zuneigung.
Die Nähe zu Menschen mit ähnlichen Bedürfnissen entlastet aber nicht nur praktisch. Sie reduziert auch Stress, denn durch das soziale Miteinander wird das Emotionszentrum im Gehirn angesprochen. Es produziert Hormone und Neurotransmitter wie Oxytocin, das uns Gefühle der Bindung und Zugehörigkeit schenkt. Auf diese Weise entstehen Beziehungen, durch die wir eine Gemeinschaft aufbauen.
Gerade für Alleinerziehende und in Krisenzeiten ist das wichtig, wie sich in der Pandemie gezeigt hat. Daher rate ich immer, sich für eventuelle weitere Kita- und Schulschließungen schon jetzt mit zwei bis drei „Covid-Partnerfamilien“ zu vernetzen. Dann kann man sich gegenseitig unterstützen!
Welche Strategien können helfen, in besonders stressigen Situationen einen klaren Kopf zu behalten und ruhig zu handeln?
Das erste, was uns im Notfall rettet, ist unsere Atmung – unser Körper kann einfach nicht gleichzeitig atmen und Stresshormone ausschütten. Wer tief ein- und ausatmet, wird für einen Moment entlastet. Wenn wir merken, dass uns eine Situation überfordert, können wir auch weitere Strategien anwenden. Wir können unser Gehirn zum Beispiel gezielt mit einem „Notfallgedanken“ ablenken, bevor es zur Stressreaktion kommt.
Wer aber langfristig lernen will, in stressigen Situationen einen klaren Kopf zu behalten, muss umfassender neue individuelle Denkstrategien und Methoden entwickeln. Dafür sind die neurowissenschaftlichen Erkenntnisse der Beneficial Thinking-Methode sehr gut geeignet.
Das Buch zum Beneficial Thinking
Dr. Karella Easwaran: Das Geheimnis ausgeglichener Mütter. Starke Mütter – Starke Familien – Starke Gesellschaft, Paperback, 272 Seiten, Kösel Verlag, 08/2020, 16 Euro. Ihr könnt das Buch bei jedem Buchladen, bei genialokal, dem Onlinehandel der Buchhandlungen, oder bei Amazon bestellen.