Suli Puschban hat die „Schnauze voll von Rosa“, „sieht aus wie Elvis“ und identifiziert sich mit der Bürgerrechtlerin „Rosa Parks“. Die Kreuzbergerin ist Kinderliedmacherin. Ihr Ansatz: Musik, die Kinder fordert statt unterfordert. Ihre Texte sind wie der Problemkiez, in dem sie lebt: frech, selbstironisch – und tiefgründiger als auf den ersten Blick vermutet.
Wenn Suli Puschban neu in eine Klasse kommt, fragen Kinder oft als erstes: „Bist du ein Mann oder eine Frau?“ Dabei klingt ihre Stimme ganz weiblich: warm, angenehm und etwas hauchig. Letzteres liegt vermutlich an ihren vielen Auftritten als Frontfrau der Rock-Pop-Band „Kapelle der guten Hoffnung“. Es ist vielmehr das Äußere, was Kinder bei Suli Puschban irritiert: männlicher Haarschnitt, Hüft-Jeans, keinerlei Ohrringe oder Make-up.
Sie sprenge die Rollenbilder, sagt Suli Puschban und schmunzelt. Die Irritation ist durchaus gewollt. Sie will Kinder zum Nachdenken anregen. Zu Toleranz, Vielfalt und Anderssein ermutigen. Warum da nicht gleich mit dem Betreten des Klassenraumes anfangen?
Kreuzberg, Rosa-Parks-Grundschule, nahe Görlitzer Park am Nachmittag: Suli Puschban steht am Rand der Bühne im Hof. Schulleiter Holger Hänel ruft mit sonorer Stimme durchs Mikrofon zu einer ersten Durchlaufprobe für das Theater-Stück „Momo“ auf. Das Wort „Chaos“ mag er nicht hören, doch genau das spielt sich gerade ab. Jungs schlagen mit Textmappen aufeinander ein, Mädchen sitzen im Pulk zusammen und tuscheln. „Maria, nicht spielen!“, mahnt der Schulleiter.
Und da ist es wieder, das Schmunzeln auf Suli Puschbans Lippen: „Das ist typisch Generalprobe. Bei der Aufführung läuft dann alles wie am Schnürchen.“ Sie kennt das. Seit 1995 ist sie mit einer halben Stelle Erzieherin an der Rosa-Parks-Schule, benannt nach der Afro-Amerikanerin, die sich 1955 im US-Bundesstaat Alabama weigerte, ihren Sitzplatz im Bus für einen Weißen zu räumen. Ein Klassenlehrer hatte Suli angesprochen, ob sie nicht Lust habe, mit den Kindern Musik zu machen. Wenn er das machen würde, würden die Kinder nachhaltige Schäden davontragen.
Suli Puschban hat aus der Geschichte der Bürgerrechtlerin Rosa Parks ein Kinderlied gemacht: „Rosa Parks – das bist du!“ Das Lied ist auf YouTube zu hören. Die Geschichte sei für Kinder ideal, meint Suli und setzt sich auf eine der Zuschauerbänke. „Rosa Parks vermittelt Kindern anschaulich, worauf es ankommt.“ Beim Anschauen des Videos fällt auf, dass sie viel mit Gesten und Mitmachelementen arbeitet. Dadurch würden die Kinder schneller den Inhalt des Liedes begreifen, sei für jedes Lern-Level etwas dabei.
Sie singt davon, dass es nicht auf die Haarfarbe, Sommersprossen oder das Gewicht ankommt. „Hier ist Platz für dich, hier ist Platz für mich – Rosa Parks bist du!“ Eine wohltuende Botschaft – gerade für Kinder aus dem Problemkiez am Görli. Ein „sozialer Brennpunkt“, wie Suli Puschban ihn nennt: 70 Prozent haben einen türkischen oder arabischen Migrationshintergrund, viele Familien sind so arm, dass die Kinder selten aus dem Kiez herauskommen.
Suli schreibt die Texte für ihre Stücke selbst, und zwar über das, was sie täglich sieht. Über Jungs, über Mädchen, über ihre Gefühle. Verliebtsein, Anderssein, „Ich mach’, was mir gefällt. Meine Kinderlieder sollen die gleiche Qualität haben wie die für Erwachsene.“ Witzig, peppig, tiefgründig. Klar, singt sie auch über Pizza, Spaghetti und Pommes, aber es kann genauso gut ein Erwachsenengedicht, wie „Das Dunkle zieht mich an“ einfließen.
Ihre Stücke nennt sie selbstironisch „Ich seh aus wie Elvis“, „Ich hab’ die Schnauze voll von Rosa!“ oder „Alter, ich weiß wo dein Haus wohnt“. Beim Aufzählen muss sie selber lachen. Das ist offen, laut und herzlich. Und wenn sie eine Anekdote erzählt, fasst sie einem manchmal an den Unterarm. Schnell zeigt sich ihr Wiener Charme. Hier wuchs Suli Puschban mit einem älteren Bruder auf. Der Vater Ingenieur, die Mutter Floristin. Der Vorname Suli ist übrigens kein Künstlername, sondern eine Abwandlung ihres Taufnamens. Als Mädchen muss Suli zum Klavierunterricht. Doch die Lehrerin ist ihr zu autoritär, viel lieber mag Suli Gitarre. Als Erwachsene geht sie der Liebe wegen nach Berlin. Daraus geworden ist die Liebe zu einer Stadt.
„Josef ist voll süß“, flüstert ihr ein Mädchen in der Probenpause zu und tippt weiter auf ihr Handy mit rosa Hülle. „Gefällt er dir auch?“ – „Nein, Josef ist mir zu jung“, weicht Suli aus. Sie mag keine rosa Sachen und eigentlich auch lieber Frauen als Männer. Sie macht daraus kein Geheimnis, bindet es aber auch nicht jedem auf die Nase. Natürlich ist Homosexuellen-Feindlichkeit auch in Kreuzberg ein Thema. Es ärgert Suli Puschban, dass Mädchen heutzutage so auf die Farbe Rosa festgelegt werden. „Ich habe den Eindruck, die Geschlechterrollen werden wieder strenger.“
Wenn sie nicht in der Schule arbeitet, tritt Suli Puschban mit ihrer vierköpfigen „Kapelle der guten Hoffnung“ auf. Zwei Musikalben haben sie bereits herausgebracht. Sie habe sich vor Kurzem gefragt, ob sie wirklich hundert Prozent mit ihrer Band unterwegs sein wollen würde. Und? „Nein, will ich eigentlich nicht. Ich will an der Frage dran bleiben, was die Kinder hier im Kiez bewegt. Hier erhalte ich meine Inspiration.“ Sie möchte bei den Kindern bleiben. Ihnen weiterhin zeigen, dass sich der Mut lohnt, anders zu sein. So wie Rosa Parks. Nur eben ohne „rosa“.
Mehr über Suli und die Kapelle der guten Hoffnung: sulipuschban.de