Im Mai 2020 gründete Verena Pausder gemeinsam mit Max Maendler die Initiative #wirfürschule, die sich für eine Neuausrichtung des Bildungsssystems einsetzt. Im Interview spricht sie darüber, welche Ideen sie dabei verfolgen und entwickeln möchten
Verena Pausder zählt zu den bekanntesten Gründer:innen in Deutschland und ist eine ausgewiesene Expertin zum Thema Digitale Bildung. Anlässlich des #wirfürschule Hackathons 2021 spricht sie über ihre Motivationen und ihre Erwartungen an eine Schule von Morgen.
Interview mit #wirfürschule-Initiatorin Verena Pausder
Im Frühsommer 2020 hast du den ersten Hackathon #wirfürschule initiiert.
Was hat dich dazu motiviert, und was sind die Erlebnisse, die dich am meisten beeindruckt haben?
Die Idee ist aus dem Lockdown-Frust im Frühjahr 2020 entstanden. Nach der Schockstarre kam der Impuls, zusammen mit anderen etwas gegen diesen Stillstand zu machen. Wir haben diese Ausnahmesituation, in der alle ins kalte Wasser springen mussten, als Chance gesehen: Wie können wir das Momentum nutzen, um langfristig die Schule von Morgen neu zu gestalten.
Besonders beeindruckt hat mich der Andrang: Über 6.000 Teilnehmer:innen – mit so einer Resonanz hatten wir überhaupt nicht gerechnet. Umso mehr hat es uns gefreut, dass nicht nur während der Hackathon-Tage viel passiert ist, sondern auch in dem darauffolgenden Umsetzungsprogramm, bei dem die 14 Gewinner-Projekte Realität wurden.
Das Motto für den diesjährigen Hackathon ist: „Lasst uns Zukunft in die Schule bringen“.
Was können wir uns darunter vorstellen?
Unser diesjähriges Motto vereint verschiedene Aspekte. Besonders wichtig ist uns der Teamgedanke, das Wir-Gefühl. Wir rufen alle auf mitzumachen, um Schüler:innen, Lehrkräfte, Schulleiter:innen, Eltern, Bildungsexpert:innen und Zukunftsenthusiast:innen eine Stimme zu geben und gemeinsam mit ihnen zu arbeiten. Wir wollen jede:n einladen, mit uns gemeinsam mutig und positiv nach Vorne zu schauen und die Zukunft zu gestalten.
Dieses Jahr gibt es schon im Vorfeld des Hackathon eine Bürgerversammlung im Rahmen eines Zukunftsrates.
Warum hat sich euer Team für dieses Format entschieden?
Der Zukunftsrat wird aus Vertreter:innen unserer Gesellschaft bestehen – aus Schüler:innen, Lehrkräften, Schulleiter:innen, Eltern, Vertreter:innen der Wirtschaft und des Sozialumfelds der Schule.
Wir wollen damit den Menschen eine Stimme geben, die bei Entscheidungen bisher nicht oder noch zu wenig gehört werden. Mit Expert:innen an der Seite werden wir in mehreren Sitzungen so die Grundlage für den #wirfürschule-Hackathon und die Bildungstransformation schaffen.
Mit dem Ablauf des und die Prozesse rund um den Hackathon schafft ihr Transparenz und Akzeptanz.
Was muss in der Folge deiner Meinung nach passieren, dass die Kraft dieser Ideen auch in der Breite der Bildungslandschaft in die Umsetzung kommt?
Der Hackathon muss von Anfang an möglichst divers und inklusiv sein. Das heißt: Wir brauchen Menschen aus allen Bildungs- und Gesellschaftsbereichen, die gemeinsam an Lösungen arbeiten. Das bringt nicht nur Kreativität in den Prozess, sondern in der Folge auch eine hohe Akzeptanz auf allen Ebenen.
Gleichzeitig müssen wir unsere Projekte ins Rampenlicht rücken, damit auch nach dem Hackathon viele Bildungsakteur:innen von den Erfahrungen lernen und sich Best Practices abschauen können. Durch die Vorstellung bei der Kultusministerkonferenz bringen wir die Ideen außerdem genau dorthin, wo die Menschen sitzen, die den Hebel im Bildungssystem umlegen.
Was sind deine Erwartungen an den Hackathon 2021? Worauf können wir uns besonders freuen? Und was würdest du Menschen mitgeben, die noch zögern, mitzumachen?
Man bereut vor allem die Sachen, die man nicht gemacht hat: Also, wenn ihr eine Idee für die Schule von Morgen habt, wenn ihr denkt “man müsste doch echt mal was ändern” bei der Bildung in Deutschland, macht mit! Euer Input ist wichtig, eure Stimme zählt, und je mehr wir sind, desto mehr können wir bewegen.
Die Corona Pandemie war ein Katalysator in ganz vielen Bereichen der Gesellschaft.
Was hat dich in dieser Zeit positiv überrascht?
Der Gemeinschaftssinn – trotz all der Frustration und Müdigkeit erlebe ich auch eine neue Form von Zusammenhalt, dieses Bild von “wir sitzen alle im selben Boot”. Das hätte ich bei den Hamsterkäufen in den ersten Wochen nicht unbedingt erwartet 😉
Außerdem bemerke ich, wie viele Menschen über sich hinauswachsen und viel resilienter sind als sie vielleicht dachten: Ja, es ist unglaublich anstrengend mit Homeschooling, Homeoffice und Lockdown, aber ich sehe auch ganz viele Macher:innen, die aus der Krise Kreativität schöpfen. Diese Menschen teilen ihre Energie und ihre Ressourcen großzügig und ziehen damit auch andere mit.
Dein aktuelles Buch heißt „Das Neue Land“.
Wie stellst du dir in diesem Land eine „Neue Schule“ vor?
Im Neuen Land sind digitale Fähigkeiten oberste Priorität auf unserer Bildungsagenda. Die digitale Bildung findet in der Schule statt, damit es nicht vom Elternhaus abhängt, wer Zukunftsfähigkeit mit auf den Weg kriegt.
Die digitale Bildung bekommt den Raum, den sie verdient, weil wir das Curriculum entschlacken und Kompetenz- vor Wissensvermittlung stellen. Wir lassen unsere Kinder projektbasiert lernen, z.B. in so genannten “FREI-Days”, an denen sie einen Tag die Woche an lokalen gesellschaftlichen Projekten arbeiten.
Wir geben nicht mehr Weg und Ziel vor, sondern befähigen Schüler:innen, ihre eigenen Lösungen zu Problemen zu finden. Das führt dazu, dass unsere Kinder nicht nur digitale Konsumenten sondern digitale Gestalterinnen und Gestalter der Welt von Morgen werden.
Das Neue Land von Verena Pausder
Verena Pausder: Das Neue Land. Wie es jetzt weitergeht!, gebunden, 200 Seiten, Murmann Verlag, 09/2020, 20 Euro, bei eurem Lieblingsbuchladen vor Ort, bei genialokal*, dem Onlinehandel der Buchhandlungen, oder bei Amazon* bestellbar
Man kennt dich als Expertin rund um das Thema Digitale Bildung.
Warum ist das ein Herzensthema von dir und wie schaffst du es, in diesem Bereich immer wieder innovative Impulse geben zu können?
Mich treibt das Thema aus verschiedenen Perspektiven um: Als Unternehmerin, weil ich mich mit den Digitalwerkstätten und dem Digitale Bildung für Alle e.V. schon früh dafür eingesetzt habe, dass alle Kinder digitale Problemlösekompetenzen lernen und nicht nur unterhalten sondern auch gefördert werden.
Als Mutter, die möchte, dass ihre Kinder durch gute Bildung an der Gesellschaft teilhaben und auf dem Arbeitsmarkt von Morgen eine Chance haben. Und vor allem auch als Bürgerin, weil ich weiß, dass Humankapital die einzig relevante Ressource in unserem Land ist. Wenn wir auch in 20 oder 30 Jahren noch global mitreden wollen, müssen wir in diese Ressource massiv investieren.
Aus meinem Alltag in diesen unterschiedlichen Rollen und vor allem aus vielen Gesprächen mit Lehrkräften, Schulleiter:innen und Bildungsexpert:innen ziehe ich Input und Inspiration.
Zum Abschluss – teilst du noch einen ‚Life-Hack‘ mit uns? Gibt es einen Kniff, mit dem du dir das analoge oder digitale Leben leichter machst?
Drei kleine Life-Hacks sogar: Erstens: feste Blocker im Kalender jede Woche, die nicht verhandelbar sind und nur für Input dienen (Lesen, Podcast hören, Menschen anrufen, die man lange nicht gesprochen hat).
Zweitens: per Hand mitschreiben, um besser zuzuhören und sich nur das Wichtigste zu notieren.
Drittens: Bluetooth-Kopfhörer, damit man nicht vor Laptop, Tablet oder Handy gefangen ist, sondern auch einfach mal rumlaufen kann und Bewegung in den Schreibtisch-Alltag kriegt.
Wir haben Verena Pausder schon 2018 unsere 7 Fragen an … gestellt und noch mehr über die inspirierende Frau erfahrt ihr auf ihrer Website.