Erzieher Jan Ebel spielt in einer Punkrockband und ist über den ganzen Körper tätowiert. Welche Eltern würden ihm ihr Kind anvertrauen? Wir! Denn mit seiner Erlebnispädagogik beschert er Kindern unvergessliche Tage und wird zum Vorbild. Solche Männer braucht das Land!
Sanft tuckert das Hausboot von Jan Ebel über den Lehnitzsee bei Oranienburg. „Wollen wir unter ein paar Brücken durchfahren, angeln oder was auf den Grill schmeißen?“, fragt er die Kinder. „Angeln!“, rufen die Vier- und Fünf-Jährigen aufgeregt und drängeln die Leiter hoch, um aufs Dach des Holzboots „Rockfisch“ zu klettern und die Nase in den Fahrtwind zu halten.
„Wer drängelt, kann gleich wieder runterkommen“, ermahnt der 30-Jährige bestimmt. Los geht’s zu einem Kita-Ausflug der besonderen Art. Einmal die Woche packt der Erzieher einer Elterninitiativkita in Prenzlauer Berg sieben bis acht Vorschulkinder in den Fahrrad-Anhänger und nimmt sie auf sein Hausboot mit.
Dann erleben Stadtkinder Natur
Werfen die Angel aus, lugen übers Steuerrad, beobachten Bisamratten, starren frisch gefangene Barsche im kleinen Aquarium an Deck an. Der Pankower will seine Begeisterung für die Natur vermitteln. Im Sommer lebt er sogar auf dem Hausboot, das er mit einem Baukredit und der Hilfe seines Bruders, der Zimmermann ist, selbst gebaut hat. „Ich will mit den Kindern möglichst viel Natur erleben“, erklärt er bei der Fahrt unter Brücken hindurch. Höhlen bauen, auf Entdeckungstour gehen – kurz: Abenteuer erleben.
Männliche Erzieher sind im Kita-Alltag noch immer deutlich in der Minderheit.
Zwar hat sich die Zahl der Männer in deutschen Kitas laut der Wochenzeitung DIE ZEIT seit 1998 auf gut 17.000 Erzieher verdoppelt, doch damit machen sie immer noch gerade einmal 3,8 Prozent aller pädagogischen Fachkräfte aus. Doch Änderung ist bereits in Sicht: Städte wie die Hansestadt Hamburg sprechen über breitflächige Werbeplakat-Aktionen bereits gezielt Männer für den Erzieherberuf an. Und auch an den Berliner Berufsschulen tummeln sich männliche Erzieher in den Klassen, wie Jan Ebels Kollegin Eva berichtet, die die Kinder auf dem Boot mitbetreut und gerade die Brötchen für die Grillwürste aufschneidet.
Jan wirft die Angel aus: „Spannend, oder?!“ – „Ja“, rufen die Kinder und schieben hinterher, „aber auch ein bisschen langweilig“. Da lacht er. Als alle später in ihre Würstchen beißen, lehnt er sich auf dem Steuersessel zurück und erläutert, was seiner Meinung in vielen Kitas zu kurz kommt.
„Ich denke, Abenteuer und Adrenalin – das ist es, was die Kinder mehr brauchen.“
„Was sie dann begeistert abends beim Abendessen erzählen.“ Mit den Kindern besucht er auch mal einen Schrottplatz, gemeinsam rätseln sie, was die Metallknäuel früher einmal gewesen sein könnten. Oder sie streifen durch den Wald, weichen bewusst vom Weg ab und folgen einer Wildschweinspur. „Dann mache ich mir einen Spaß, renne ein paar Meter vor und springe als Schwein hinterm Gebüsch vor, um die Kinder zu erschrecken.“
Wie der „typische“ Kita-Erzieher sieht er nicht aus: weißes Unterhemd, kurz geschorene blonde Haare, Tattoos auf Armen und Beinen. Auf dem rechten Bein ein Zahlenmaß, auf dem linken Arm eine Meerjungfrau, die lachend einen Fisch drückt. Und in seiner Freizeit spielt er als Bassist in der Punkrockband „Johnnie Rook“.
Reagiert da nicht so mancher Vater oder so manche Mutter beim ersten Aufeinandertreffen verdutzt? Nein, so etwas habe er noch nicht erlebt, sagt Jan. Im Gegenteil. Die Elternvertretung der Kita habe ihn aus zahlreichen Bewerbern ausgesucht. „Ich vermute, weil es ihnen gefallen hat, dass ich auch schon mal mit schwer erziehbaren Kindern gearbeitet habe.“ Das war in Hellersdorf. Da hat er in einer Tagesgruppe Pionierarbeit geleistet und verhaltensauffälligen Kindern gezeigt, dass nicht alle Männer schlagen, saufen und Radau machen.
Nicht nur in Stadtteilen wie Prenzlauer Berg legen immer mehr Eltern Wert darauf, dass sich Männer um den Nachwuchs kümmern. In den Familien übernehmen Väter ja auch mehr Aufgaben – warum sollten Männer dann in der Kita fehlen? Zum Beispiel, um männliche Rollenbilder positiv vorzuleben. Oder um für die Kindern von alleinerziehenden Müttern eine Bezugsperson zu sein. Auch bringen sich Erzieher anders ein. Jan macht es vor.
Neben seinem Abenteuerdrang hat er eine natürliche, fast selbstverständliche Autorität.
Wenn er mit tiefer Stimme Ansagen macht, gehorchen die Kinder. Wenn er mit ernstem Blick „Freundchen“ ruft, sitzt jeder Zappelphilipp sofort auf seinem Platz. Doch nicht auf Autorität kommt es seiner Meinung nach an, sondern auf Authentizität. Er mache einfach das, was ihm selbst Spaß bereitet. „Und ich zolle den Kindern Respekt – das merken sie.“ So dürfen diese unter Aufsicht auch ans Steuerrad oder selbst die Angel auswerfen. Bei Jan wirkt alles leicht, machbar, selbstverständlich.
So werden aus kleinen Jungs und Mädchen schnell große Entdecker
Abenteuer, eine natürliche Autorität und eine große Portion Authentizität – das macht Jan Ebels Erlebnistouren aus. Seit zehn Jahren arbeitet er nun als Erzieher – aufhören will er noch lange nicht. Auch, wenn seine Punkrock-Kollegen gelegentlich einen doofen Spruch über seinen Job machen. Kommen die Punkrocker einfach mal mit in die Kita. Zum Beispiel haben sie Instrumente für ein Kita-Projekt eingespielt. Auch Erwachsene dürfen bei Jan Ebel ein Abenteuer erleben.
P.S.: Jan bietet seine Touren leider nicht für andere Kitas oder Kindergruppen an.