Im letzten Sommer hat Larissa Krause mit ihrem Verein Karma Kultur e.V. die Nutzungsrechte für eine Brachfläche in Rixdorf erkämpft, um dort einen Gemeinschaftsgarten für alle zu schaffen – nun werden weitere Mitstreiter gesucht, damit das Urban Gardening Projekt 2017 erste Früchte tragen kann.
Blattlose Pappeln und Birkengerippe beugen sich ergeben im Wind. Über den weißgrauen Himmel jagen undurchdringliche Wolken. Es ist ein ungemütlicher Tag im winterlich-tristen Berlin-Neukölln. Dennoch ist Larissa Krause (26) mit dem Rad zum Treffpunkt „Karma Garten“ im Rixdorfer-Kiez gekommen. Umsäumt von Häuserblöcken liegt hier eine brache Streuobstwiese, die sich, dank Larissa, im Aufbau zum künftigen Gemeinschaftsgarten befindet.
„Meine Motivation ist es, einen Ort zu schaffen, an dem man sich begegnen kann. In Neukölln lebt jeder in seiner kleinen Blase.“ Die Kulturwissenschaftlerin hatte sich bereits während ihrer Bachelorarbeit mit Freiräumen im öffentlichen Raum und deren Schutz beschäftigt. Auf einem der vielen Spaziergänge durch Rixdorf mit ihrem Bruder Kwon Kim (38) und dessen zweijähriger Tochter entdeckte sie im Frühjahr 2016 die Freifläche.
Mit der Idee, einen eigenen Ort der Begegnungen zu schaffen, kontaktierten die Geschwister das Quartiersmanagement Ganghoferstraße. Nach drei Monaten der entscheidende Anruf: „Haben Sie noch Interesse?“ Und ob! Mit der nötigen Portion Idealismus nahmen sie an einer Ausschreibung des Quartiersmanagements teil, präsentierten ihr Konzept und bekamen die Zusage, mit drei Jahren Nutzungsrecht. „Das Potential der Fläche ist ein unglaubliches Geschenk und wir nehmen diese Verantwortung sehr ernst.“ Sie zahlen keine Miete, arbeiten mit Ehrenamtlichen und bekommen von der EU Fördergelder. Im Mai 2016 gründen die Geschwister den Verein Karma Kultur und machen den „Karma Garten“ zur Chefsache.
„Im letzten Sommer haben wir mit Plakaten und Handzetteln die Nachbarn informiert,“ erzählt Larissa, während sie sich ohne Handschuhe eine Zigarette dreht. „Wir entsorgten tagelang den Müll und beschnitten Hecken, sodass wir Hochbeete bauen können.“ Larissa trifft sich regelmäßig mit den Vereinsmitgliedern und organisiert Nachbarschaftstreffen. Hier wird an der Flächenplanung gefeilt, derzeit ein Frühlingsfest organisiert. Aber noch ist Winter und zum Aufwärmen steuert Larissa das Hallmann & Klee in der Böhmischen Straße an. Gezwungenermaßen, denn ihr Kiezcafé Mal so Mal so hat an diesem Tag geschlossen. Die Bedienung lässt auf sich warten, Gäste in schwarzen Rollkragenpullovern haben Vorrang. Nackte Glühbirnen passen zum Beton-Understatement des Interieurs. Neukölln ist hip. Erst als sich eine Schneewolke vor den Glasfronten entleert, kommt heimelige Atmosphäre auf.
„Mehr noch als das Gärtnern an sich steht für mich die Beteiligung der Nachbarschaft im Vordergrund,“ erklärt Larissa. Ein Vorsatz, der sich als schwierig erweist, die Nachbarschaft ist äußerst heterogen. In den umliegenden vierstöckigen Altbauten, 60er Jahre Mehrfamilienhäusern und einem gut gemeinten Versuch von Wohnarchitekten der 80er Jahre, leben hier unterschiedlichste soziale Schichten und Altersgruppen auf engem Raum. Hier kommen Interessenskonflikte auf: Hundebesitzer stoßen auf Familien mit Kindern, pubertierende Jugendgangs treffen auf Mid-Zwanziger Studenten im sich zum Szeneviertel avancierten Bezirks. Ein überdurchschnittlicher hoher Migrantenanteil von Kindern auf umliegenden Grundschulen geht nicht immer einher mit kontinuierlich steigenden Mietpreisen.
„Gentrifizierung ist hier ein aktuelles Thema. Deshalb ist es uns wichtig, niemanden zu verdrängen. Unser größtes Problem ist jedoch der Vandalismus.“ Larissa erzählt, dass nach einem Nachbarschaftstreff im vergangenen Sommer die „AG Hunde“ einen Hundekotbeutelspender aufgestellt hatte. Nach nur einer Nacht lag er abgerissen im Teich. „Kann sein, dass Jugendliche ihre Energie rauslassen oder wir ernsthafte Gegner haben, keine Ahnung!“ Larissa bleibt gelassen wie unbeirrt. „Wir setzen auf Vernunft und Akzeptanz. Wir wollen einen Ort für alle schaffen.“
Wenn man sich einen Tag lang auf der Streuobstwiese aufhält, trifft man die unterschiedlichsten Menschen. Für viele von ihnen hat die Freifläche eine besondere Bedeutung, ist gar ein symbolischer Ort. „Deswegen lohnt sich die Mühe. Wir werden weiter aktiv auf Menschen im Kiez zugehen und sie anquatschen, nach dem Motto: Wäre es nicht schön, hier gemeinsam etwas zu gestalten?“
Text: Sandy Bossier-Steuerwald, Fotos: Vadim Belokovsky
Das Frühlingsfest soll Mitte April 2017 stattfinden. Jeder ist willkommen, konkrete Informationen gibt es dann auf der Facebookseite des Karma Kultur e.V.