Banalitäten wie das Einräumen der Spülmaschine führen bei euch schnell zum Beziehungsstreit? Also lieber schweigen als streiten? Lest das Plädoyer unserer Gastautor:innen, warum jede noch so absurde Bitte zu besserer Kommunikation führt als ausgesprochene und unausgesprochene Vorwürfe.
Liebe Goldfarbs,
es klingt vielleicht albern, aber es hat mit dem Einräumen der Spülmaschine angefangen, dann ging es zum Wäschekorb, und von den unterschiedlichen Vorstellungen bei der Erziehung unserer drei Kinder möchte ich gar nicht erst reden.
Egal, worum es ging, es endete fast immer im Streit. Das hat dazu geführt, dass mein Partner und ich eigentlich gar nicht mehr reden. Aber das ist auch nicht viel besser. Bei der Arbeit habe ich an einem Workshop in „Gewaltfreier Kommunikation“ teilgenommen, aber das war sehr abstrakt und hat mir auch nicht geholfen. Was kann ich gegen unsere Sprachlosigkeit tun?
Heike*, 43
Sprachlosigkeit in der Beziehung? Was die Goldfarbs antworten
Liebe Heike,
das geflügelte Wort „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“ stimmt erstaunlich oft, aber nur sehr selten in einer Paarbeziehung. Da ist Reden Gold, und Schweigen ist Gift. Eine Sprachlosigkeit führt deshalb zu Distanz, weil sie zu Interpretationen einlädt.
Mit dem Verstummen beginnt auch das Mind-Reading
Was denkt mein:e Partner:in wirklich? Was verbirgt sich in Wahrheit hinter den wenigen Worten, die sie:er sagt? Was bedeutet ihr:sein Schweigen? Ganz schnell sind wir hier im Bereich der Spekulationen und des Misstrauens, denn wir können nie genau wissen, was der:die andere denkt, ganz gleich, wie lange wir uns schon kennen.
Doch was, wenn fast jede Unterhaltung wie auf Autopilot zum Streit führt? Dann gibt es nur noch, wie in eurem Fall, die Wahl zwischen Streiten und Schweigen, also zwischen Pest und Cholera. Du schreibst uns, dass es „vielleicht albern klingt“, dass ihr euch über die Spülmaschine oder den Wäschekorb gestritten habt.
Es ist überhaupt nicht albern, und noch dazu ein sehr häufiger Streitpunkt. Auch die kleinsten Dinge sind ernstzunehmen, denn in ihnen zeigt sich die Aufmerksamkeit für die:den andere:n. Wie soll man sich über wichtige Themen wie die Kindererziehung einig werden, wenn es nicht einmal mit dem Wäschekorb gelingt?
Gehen wir also einmal gemeinsam zur Spülmaschine, dieser nie versiegenden Quelle von Beziehungszwist. Sollten eure Diskussionen so ablaufen, wie bei einigen unserer Klient:innen, dann bestehen sie häufig aus Vorwürfen: „Du lässt immer alles herumstehen.“ „Du räumst die Spülmaschine von hinten/von vorne/zu voll gar nicht ein.“ „Du startest nie das richtige Programm.“, etc.
Vorwürfe sind jedoch oft unkonkret und bieten keine Einladung zur Verbesserung an, sondern lassen jede Menge Spielraum für Interpretationen. Du hast geschrieben, dass du bereits einen Workshop in gewaltfreier Kommunikation gemacht hast, dir aber alles zu abstrakt vorkam.
Werfen wir also die Abstraktion einmal über Bord und übersetzen Rosenbergs Grundgedanken in eine Alltagssituation.
Die Vier Phasen nach Rosenberg:
- Das Formulieren einer Beobachtung
- Das Aussprechen eines Gefühls
- Das Mitteilen eines Bedürfnisses
- Die konkrete Bitte.
Konkret: Ich habe beobachtet, dass du gerne zwischendurch einen Snack zu Dir nimmst und deinen Teller erst abends wegräumst (Beobachtung). Das macht mich schon ein wenig wütend (Gefühl), da ich den Wunsch habe, dass die Küche auch tagsüber ordentlich ist (Bedürfnis). Darum räum doch bitte nach jeder Mahlzeit deinen Teller kurz in die Spülmaschine (Bitte).
Jede noch so abwegige Bitte ist besser als Sprachlosigkeit
Eine so ausgesprochene Bitte gibt weniger Spielraum zu Interpretationen. Sie erfordert eine konkrete Reaktion: Der Bitte kann nachgegeben oder auch widersprochen werden. Sie kann mit einer Gegenbitte gekontert werden. All das ist besser als die Sprachlosigkeit und das damit verbundene „Mindreading“.
Eine Bitte kann sogar banal, existentiell oder auch absurd sein. Man kann viel mehr sagen, als man glaubt. Die Wichtigkeit, die oftmals übersehen wird, ist das Verständnis zu übermitteln. Warum? Und wieso?
Es kann noch so absurd sein. Etwas Absurdes versteht man. Zu einer Bitte, die Spülmaschine mit geschlossenen Augen und Samba tanzend einzuräumen, kann man sich verhalten. Zu einem Vorwurf „Du räumst die Spülmaschine nie richtig ein.“ kann man sich eigentlich nur falsch verhalten.
Wenn ihr also zu einer Kommunikation zurückkehren möchtet, die weder aus Streit noch aus Sprachlosigkeit besteht, lernt, eure Wünsche und Bedürfnisse in konkrete Bitten zu übersetzen. Das braucht ein wenig Übung.
Traut euch, auch die abwegigsten Bitten zu äußern. Traut euch ebenfalls, eine Bitte abzulehnen. Geht in Diskussionen, aber versucht, nicht beleidigt zu sein, jede Äußerung als Waffe gegen sich zu sehen. Denn die:derjenige, die:der beleidigt zurückbleibt hat oft die schlechteren Karten.
Erst einmal kommt sie:er in eine Warteposition, dann transformiert sich ihr:sein „Nichtverstandensein“ eventuell in Wut. Und wer wütend ist, tanzt selten Samba beim Einräumen der Spülmaschine.
Noch ein Punkt: Lasst einander nicht im Regen stehen. Bittet um Ruhe oder Aufschub, wenn ihr gerade nicht diskutieren könnt. Auch hier gilt ein „Warum?“ und „Wieso?“. Einfach zu gehen, hinterlässt bei der:dem Anderen eine Leere. Wenn man aber um eine Verschnaufpause bittet, und diese idealerweise auch begründet, weiß die :der Andere, die Situation einzuordnen.
Sagt, einander was mit euch los ist. Und hört einander zu. Das zumindest wäre unsere Bitte an dich und deinen Partner.
Goldfarb & Goldfarb
Laura und Tobias bieten Paartherapie, Sexualtherapie, Einzelsitzungen und Mediation in ihren Räumen in Berlin-Prenzlauer Berg oder als Online-Sitzungen (auch auf Englisch) an. goldfarb-goldfarb.com
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