Liebe macht Theater

STADTGESTALTEN BERLIN – Starke Kinder und eine Krise als Entwicklungschance für alle – das sind die großen Themen der neuen Inszenierung von Thomas Sutter im ATZE Musiktheater über Familien, Liebe und Trennung. Im Mittelpunkt stehen Anna und ihr bester Freund Tim, die unterschiedliche Erfahrungen mit ihren Eltern machen. Während Tim die Trennung seiner Eltern hinter sich hat und gut mit der Situation klar kommt, möchte Anna die Trennung ihrer Familie unbedingt verhindern. Die beiden Kinder finden eine überraschende Möglichkeit auf ihre Eltern einzuwirken, und so kommt ein Happy-End in Sicht.

“Verliebt, verlobt, verheiratet, geschieden, aus, vorbei, manche Liebe hält kein Leben lang, sie bricht entzwei!” Auf der Probebühne des ATZE Musiktheaters basteln zwei Schauspielerinnen, zwei Schauspieler, zwei Musiker, der Regisseur Thomas Sutter und die Komponistin Sinem Altan an dem Arrangement eines Songs für das Stück Spaghettihochzeit.

„Kennst du diese Zweifingerzupfmethode?“ fragt Thomas Sutter den Gitarristen und spielt ihm gleich mal ein paar Takte vor. Die Atmosphäre ist konzentriert und heiter. Kleine Späße zwischendrin sind auch erlaubt: Ein Schauspieler singt wie Udo Lindenberg und alle müssen lachen. Dabei ist das Lied wunderschön und ziemlich traurig: „Tränen, Schmerzen, verletzter Stolz, manches böse Wort. Keiner will es, doch so oft geschieht es, hier und dort. Liebe tut manchmal weh, Liebe tut einfach manchmal weh!“

Das Lied, wie auch das Stück stammen aus der Feder des sympathischen Atze-Musiktheaterleiters Thomas Sutter. In „Spaghettihochzeit“ geht es um Liebe und Trennung aus der Perspektive der Kinder Anna und Tim. Tims Eltern sind bereits geschieden, Annas Eltern stehen kurz vor der Trennung. Anna möchte das unbedingt verhindern und schafft es, gemeinsam mit ihrem Freund Tim, die Eltern zum Nachdenken zu bringen.

Zum Nachdenken bringen, das ist auch das Anliegen von Thomas Sutter, wenn es ums Theater geht. Der Regisseur ist gleich per Du, redet mit ruhiger Stimme und trägt eine Lesebrille am Band um den Hals. Der 58-Jährige schreibt Stücke, die aus der Realität kommen, in denen es um Konflikte, Träume und Beziehungen geht. Der gebürtige Berliner schätzt, dass hier ca. 40 – 50 Prozent der Kinder in Patchwork- oder getrennten Familien leben. Für „Spaghettihochzeit“ hat er mit Kindern gesprochen und sich überlegt, wie ein Kind sich in so einer solchen Situation fühlen und reagieren würde. „Kinder wollen immer, dass ihre Eltern zusammenbleiben. Das heißt aber nicht, dass sie sich nicht auch arrangieren können, wenn es zur Trennung kommt.“

Auch eigene Erfahrungen fließen mit ein, Thomas Sutter hat eine Tochter aus erster und einen Sohn aus zweiter Partnerschaft. Der Familien-Theatermacher möchte beide Gruppen erreichen: Kinder und Erwachsene. „Erwachsene sehen solche Problemstücke nicht so gerne. Sie befürchten, dass es Kinder zu sehr mitnimmt. Dabei unterschätzen sie aber die Kinder, die damit viel selbstverständlicher umgehen.“ Thomas Sutter lebt seit eh und je in Kreuzberg. Mitte der 70er Jahre macht er politische Stadtteilarbeit, gründet das Naturkostkollektiv „Kraut und Rüben“ und ist in der Hausbesetzerszene aktiv. Woanders gelebt hat er nie. Warum auch: „Die Revolution war ja hier, genau vor Ort!“

Mitte der 80er Jahre wird er Vater und beginnt Kinderlieder zu schreiben und zu singen. Weil die gut sind, wird aus dem Hobby ein Beruf und Thomas Sutter Leadsänger der ATZE-Band. Die Band verkauft CDs und geht bundesweit auf Tourneen. „Ich bin da so reingerutscht!“ In den 90ern rutscht der Liedermacher dann ins Theater, beginnt Theaterstücke für Kinder zu schreiben, führt schließlich auch Regie und übernimmt 2003 die Leitung des ATZE Musiktheaters.

Viele seiner Stücke erhalten zahlreiche Preise und No- minierungen des IKARUS. 2011 durchbricht das ATZE Musiktheater die Schallmauer und verbucht mehr als 100.000 Zuschauer. Doch erfolgreiche Kulturarbeit wird von der Politik nicht automatisch belohnt, im Gegenteil. Im April dieses Jahres erhält das ATZE Musiktheater die Kündigung des Mietvertrages vom Bezirk Mitte zum 30. April 2014. Der Verlust der Spielstätte würde das Aus bedeuten. Das Team wendet sich an die Presse, verfasst eine Online-Petition, die ca. 7.600 Per- sonen unterzeichnen und sammelt weitere 2.500 handschriftliche Unterschriften – mit ersten Erfolgen! Nach Verhandlungen im Juni von Bezirk und Senat hofft das ATZE Musiktheater auf ein Happy-End. Es gibt Signale, dass das Land Berlin die Immobilie übernehmen wird, ein langfristiger Vertrag wäre dann zugesichert. Verbindlich gesichert ist die Existenz des ATZE allerdings noch nicht, damit ist erst im Dezember mit dem Haushaltsbeschluss 2014/2015 des Senats zu rechnen. Thomas Sutter wäre froh, sich endlich wieder voll auf die Arbeit konzentrieren zu können und hofft nun erstmal, dass das Publikum „Spaghettihochzeit“ positiv aufnimmt.

Wer wissen möchte, was es bei der Spaghettihochzeit mit den Spaghettis auf sich hat und die Geschichte von Anna und Tim erleben möchte, sollte sich das Stück (ab 9 Jahre) im ATZE Musiktheater anschauen – Premiere wird am 20.10.2013 um 16:00 Uhr gefeiert. www.atzeberlin.de 

Text: Sonja Kloevekorn