Von Glibberschleim, Schokoküssen im Vakuum und Solarkraft-gegrillten Würstchen – Spielend experimentieren im Extavium.
Glibberschleim herstellen – das ist der Renner bei den Experimentierkursen im Extavium. „Einen Slimy braucht eben jedes Kind,“ lacht Axel Werner, Gründer und Kurator der Ausstellung. Kinder gehen intuitiv auf die Welt zu, erfahren sie, experimentieren und ziehen daraus meist ganz von allein die richtigen Schlüsse, und das von Anfang an!
Diese Erfahrung können alle Eltern machen – Axel Werner, Vater von insgesamt fünf Kindern, macht sie täglich. Und auch, wenn aus ihm tatsächlich ein echter Physiker geworden ist, hat er ähnlich negative Erinnerungen an seinen eigenen Physikunterricht früher in der Schule wie wahrscheinlich viele unserer heutigen Elterngeneration. Trockene Materie, die noch trockener und zusammenhangslos präsentiert wurde von Lehrern, denen jegliche Motivation verloren gegangen schien. Sicher hat sich mit den Jahren an den Schulen vieles verbessert – zum Glück! Dennoch: Im Extavium funktioniert das Lernen um Einiges unbeschwerter und anschaulicher als in den meisten Klassenräumen.
Die Ausstellung zeigt uns und unseren Kindern, dass man sich Themen aus Physik, Bio, Chemie und Co auch mit viel Freude und sogar mit Spaß annähern kann und dass Phänomene aus Optik, Akustik, Elektrizitätslehre oder Mechanik selbstverständlich zu unserem Alltag gehören: wir strampeln zum Beispiel auf dem Energiefahrrad, bis uns die Puste ausbleibt, wir beobachten Heuschrecken, die gut getarnt den Blättern zum Verwechseln ähnlich sehen oder wir pumpen eine Vakuum-Glocke leer und verfolgen dabei, wie riesig der Schokokuss darin aufgehen kann! „Kinder wachsen in ein technisch dominiertes Zeitalter hinein, es kann doch nicht sein, dass wir hier und jetzt nix für sie machen.
Kinder und Jugendliche brauchen Exponate zum Rangehen, zum Erkunden, zum Erfahren, zum sich selbst Gedanken machen, zum Experimentieren!“ Und mit genau diesem Enthusiasmus beschloss Axel Werner im Sommer 2004 mit ein paar gleich gesinnten Eltern, dass die Stadt Potsdam dringend eine wissenschaftliche Mitmachwelt für Kinder braucht.
Gemeinsam gründeten sie den Verein Exploratorium Potsdam e.V.. Nur mit eigenen Mitteln und vielen ehrenamtlichen Helfern bauten sie diese prall gefüllte Mitmachausstellung, die heute bereits 130 Exponate beinhaltet, nach und nach und mit eigenen Händen auf. Ein Geschenk für die Kinder – denn mal ehrlich, welcher Papa grillt heute schon noch Würstchen nur mit Sonnenlicht? Welche Mama baut Bumerangs für ihre Kinder? „Wenn der Lernort zu Hause nicht richtig funktioniert und der Lernort Schule auch nicht mehr, dann bekommt man keinen Zugang zur Physik und dann lässt man es sein.
Man kann sich natürlich auch ´ne 1 in Physik einkaufen, ohne Ahnung zu haben. Aber es macht dann keinen Spaß. Und das war unser Grundwort: Spaß! Das sollte über allem stehen! Wobei ich Spaß nicht mit Halli-Galli verbinde. Wenn man Spaß hat, dann passiert im Gehirn etwas. Dann gibt es eine Dopamin-Dusche, dann ist da ein sehr, sehr befriedigendes Gefühl mit verbunden und das kann man sogar haben, wenn man einen Aha-Effekt hat – und den kann man ja auch mal in Physik haben!“ Der Beweis: Glückliche und lachende Kinder gibt es im Extavium an jeder Ecke!
Das Museum versteht sich dabei aber explizit nicht als Alternative zu den Schulen, sondern will mit Schulen und Lehrern eng zusammen arbeiten, den Unterricht ergänzen – spielerisch! Denn, wie bereits Albert Einstein wusste: „Das Spiel ist die höchste Form der Forschung.“ Und so sieht dieses geniale Museum schon mal aus wie eine riesige Spielhalle, in gelben und roten Farbtönen gehalten, alles sehr einladend und übersichtlich.
Mehr als 1500 Kindergeburtstage werden hier jährlich gefeiert, Experimentier-Workshops für Grundschulen aber auch für die Oberstufe, Lehrerfortbildungen oder Begabtenförderung werden angeboten. Auf jeden Fall gibt es so viel zu entdecken und zu lernen, dass sich mehrere Besuche lohnen. Die Kinder wollen meist eh sofort wiederkommen – Axel Werner weiß, warum das auch sinnvoll ist: „Man kann auch nicht mit dem Kind einmal ins Schwimmbad gehen und dann denken, nun kann es schwimmen, wir haben doch alles besprochen. Das muss man machen, machen, machen!
Und wir können Beweise erbringen, dass aus den Kindern, mit denen wir über Jahre zusammen gearbeitet haben, ganz andere kleine Persönlichkeiten geworden sind. Nicht etwa physikalische Überflieger, sondern Leute, die untereinander ganz anders kommunizieren, die motorisch viel besser drauf sind, die auch entschleunigt sind, also nicht so hektisch alles zusammen mischen.“
Jedes Experiment funktioniert im Dreiklang, ganz einfach: Was musst du machen – was passiert – was steckt dahinter? Und wenn sich einem die Vorgehensweise mal nicht intuitiv erschließt, kann man sie nachlesen – oder, noch besser: nachfragen! Denn: „Bildung passiert durch Kommunikation. Wenn das alles so menschenlos ist, alles still und in Plexiglas – funktioniert nicht!“
Deswegen wuseln neben den vielen Kindern und Eltern auch immer einige Tutoren und Tutorinnen durch die Ausstellung, die erklären, zeigen oder helfen – und zwar mit viel Lust und guter Laune, die sich automatisch auf die Besucher überträgt! Etwa beim Einfrieren ihrer Schatten, beim Grimassen schneiden im Schwarzlichtkabinett oder beim eigenhändigen Hochziehen eines alten Trabanten per Flaschenzug.
Und nicht nur Kinder, auch wir Eltern können hier endlich Zugang zum riesigen Reich der Naturwissenschaften bekommen! Denn man lernt halt nie aus. „Die älteste Teilnehmerin bei einem Workshop war 96 Jahre alt – sie hat Glibberschleim hergestellt und freute sich wie ein Kind über ihren grünen Slimy!“
Text: Ilka Lorenzen