Seit fast 30 Jahren bietet der „Abenteuerliche Bauspielplatz Kolle 37“ Kindern einen kreativen und selbstbestimmten Freiraum. Joe Krause (27) arbeitet mit Herz und Leidenschaft als einer der fünf pädagogischen Mitarbeiter auf dem Platz.
„Du musst unbedingt auf einen Abenteuerspielplatz!“ Dieser Rat hat Joe Krause „gerettet“, wie er selber sagt. Dass in der Schule alles und jeder ständig bewertet und bevormundet wird, damit hatte er sich schon abgefunden, sagt der junge Erlebnispädagoge des Kolle 37. Dass er in der Ausbildung lernen sollte, dieses Erziehungskonzept selbst anzuwenden, bestärkte ihn in seinem Wunsch, sich an einem Ort einzubringen, der zuerst einmal Freiraum für alle Beteiligten bot.
Vom Spielwagen zum abenteuerlichen Bauspielplatz
Seit 1990 betreibt das „Netzwerk Spiel/Kultur Prenzlauer Berg e.V.“ den außergewöhnlichen Freiraum im damals noch längst nicht so schmucken Kollwitzkiez. Das Konzept stammt aus der Zeit vor dem Mauerfall. Zwei der Gründer des späteren Bauspielplatzes reisten mit sogenannten Spielwägen durch die Stadt und organisierten Spielaktionen. Ob auf Straßen, Plätzen, Parks oder Schulhöfen – in Windeseile verwandelten sie die urbane Einöde in improvisierte Spiellandschaften, schufen fantastische Welten und trugen dazu bei, das Leben in der sonst eher spielunfreundlichen Lebenswelt ein bisschen kinderfreundlicher zu gestalten.
Auf dem „Kolle 37“ lebt dieser Geist der ständigen Verwandlung seitdem fort. Bei den jährlichen „Hüttenbau-Festivals“ designen Kinder ihre eigenen Bauwerke, prüfen gemeinsam mit den Betreuern, ob diese statisch umsetzbar sind und arbeiten in Baugruppen an der Umsetzung.
Das ist aber längst nicht alles: Neben den Hütten gibt es einen Garten, Bienen, Kaninchen, einen Lehmofen, einen Proberaum und ein breites Angebot an handwerklichen Aktivitäten von Korbflechten über Bogenschießen, Schmieden, Tischlern bis Backen und Kochen über dem Feuer. Jeden Mittwoch können die Kinder selbstbestimmt über neue Projekte, Ideen und die Zukunft des Platzes entscheiden.
Aus dem Staunen nicht mehr rausgekommen
Joe fehlen immer noch die Worte für das Bild, das sich ihm bei seinem ersten Besuch bot. Er sei „aus dem Staunen nicht mehr rausgekommen, dass es alles so aussieht, wie es aussieht.“, berichtet er fröhlich. Selbst mit besetzten Wohnprojekten vertraut, war er sich schon damals über den prekären Status alternativer Orte im städtischen Raum bewusst.
Gerade in den letzten Jahren sei ihm das Ausmaß dieser kreativen Freiheit auf dem „Kolle 37“ immer mehr aufgefallen: Viele der Kinder seien „immer vorsichtiger im Ausprobieren ihrer Fähigkeiten und dem Nachgehen ihrer eigenen Interessen“, meint er. „Da kommt es schon mal vor, dass sie von sich aus sagen: ‚Nein, ich darf kein Holz hacken!’ Und wir Betreuer ermutigen sie dann: ‚Wenn du es dir zutraust, kannst du es ausprobieren!’’“
Dass die Kinder immer öfter keine Ahnung hätten, wie man einen Hammer hält, sieht Joe weniger als Problem denn als Herausforderung: „Eigentlich müsste man pädagogische Arbeit für die Eltern leisten“, scherzt er. An der Begeisterung der Kinder habe sich aber nichts geändert. Für die Lust, schöpferisch mit den eigenen Händen zu arbeiten, gemeinsam zu bauen oder sich um den Garten zu kümmern, bedeuten Handys oder Computer kaum Konkurrenz: „Da würden sich die Kinder immer für das Weiterbauen an der Hütte entscheiden!“
Nichtsdestotrotz ist sich Joe darüber bewusst, dass auf den Spielplatz eher ein ausgewähltes Publikum kommt. Dass auch immer mehr Kids aus umliegenden Heimen für Geflüchtete auf den Platz kommen, freut das Team, für das Inklusion ein zentraler Wert ist.
Nichts auf dem Kolle 37 soll in Stein gemeißelt sein!
Insgesamt wünscht sich Joe, dass der „Kolle 37“ auch in Zukunft ein offener Platz bleibt – „kein Platz für Kinder, sondern ein Platz der Kinder“, wie er sagt: „Es geht darum, immer wieder auf die Dynamik und Möglichkeiten aufmerksam zu machen, die der Platz als partizipatorischer Ort bereithält.“ Viele Kinder seien mit dieser Einladung zur Freiheit und permanenten Veränderung gar nicht mehr vertraut.
Dass sie selbst als gleichwertige Mitglieder entscheiden könnten, bedeutet eine Freiheit, in deren Erhaltung Joe in Zukunft eine der entscheidenden Aufgaben sieht: „Nichts auf dem Platz soll in Stein gemeißelt sein!“