Kulturelles Crossover

Elena Marx, Pianistin. Musik- und Tanzpädagogin, Dreifachmutter und engagierter Tausendsassa bringt mit "Wir Kinder vom Kleistpark" Generationen und Kulturen zusammen.

„Banuwa, Banuwa, Banuwa yo. Alano neni alano, alano neni alano“ – diesen Liedtext aus Liberia, der übersetzt so viel bedeutet wie: „Weine nicht, schönes Mädchen“, beherrschen die kleinen Sänger von „Wir Kinder vom Kleistpark“ bereits im Schlaf. Ihr Repertoire besteht aus Liedern, Versen und Tänzen aus aller Welt, sie sind es gewohnt, in verschiedenen Sprachen zu singen – Russisch, Türkisch, Französisch, Hebräisch oder Chinesisch – alles no problem! „Shalom chaverim“, „Cük cük cücelerim“ oder „Simama Kaa“ heißen die Stücke auf ihren bisher veröffentlichten CDs.

Elena Marx, Pianistin, Musikpädagogin und Leiterin dieses „singenden, tanzenden, musizierenden, multikulturellen und generationsübergreifenden“ Berliner Ensembles liebt Klänge über alles, die besonderen spürt sie weltweit auf. Den feurigen Trommelrhythmus, der den liberianischen Song „Banuwa“ bestimmt, hat sie zum Beispiel von ihrer Afrikareise mitgebracht.

Nach einem Aufenthalt im Operndorf in Burkina Faso war sie so beeindruckt von Land und Leuten, dass sie gleich im nächsten Sommer mit ihren drei Töchtern und mehreren afrikanischen Musikern wochenlang durchs Land reiste. Mit leuchtenden Augen erzählt sie von der Kraft, die hinter der Musik und den Menschen dort stecke. „Ich finde es zum Beispiel ganz toll, dass es dort durch diese wahnsinnig großen Großfamilien einfach ein viel intensiveres Untereinander gibt, und dass Erwachsene auf eine Weise Kinder viel ernster nehmen.“

Diese Erfahrungen dürften Elena Marx in ihren eigenen Vorstellungen und Grundgedanken nur nochmals bestärkt haben. Musikalische Traditionen unterschiedlicher Kulturen zu pflegen und auch hierzulande das Miteinander von Kindern und Erwachsenen zu stärken, sind nur zwei der vielen Visionen, die sie sich auf die Fahnen geschrieben hat, seit sie 2007 „Wir Kinder vom Kleistpark“ gründete.

Für dieses Herzensprojekt kooperieren die Leo Kerstenberg Musikschule, die Kita am Kleistpark und die Scharmützelsee-Grundschule in Schöneberg miteinander. Und Elena Marx kann ihre Schüler aufwachsen sehen. Denn in allen drei Einrichtungen musiziert und lebt sie seit Jahren als Musik- und Tanzpädagogin. „Zum Glück ist meine Familie komplett involviert in das Projekt, sonst hätten wir wahrscheinlich zu wenig Zeit miteinander,“ lacht die zierliche, energiegeladene Frau, die nebenher mit dem Pianisten Niek van Ososterum die Konzerte plant oder mit ihrem Freund Jens Tröndle im Tonstudio die CDs aufnimmt und sie auch selbst unter die Leute bringt.

Mit gleich gesinnten Musikereltern, Kollegen und Freunden aus Kita und Schule gründete sie schließlich einen Verein zur Förderung der musikalischen Bildung von Kindern und ihren Familien, der sich vor allem noch finanzielle Unterstützer wünscht.

Inspirieren lässt sich Elena Marx von eben diesen Kindern und Familien und deren jeweiligen kulturellen Hintergründen, von Menschen also, mit denen sie tagtäglich zusammen trifft. Ein weiteres Erfolgsrezept: sie nimmt ihre Schützlinge ernst und sieht die Stärken jedes einzelnen: „Kinder sind gar nicht so kindisch, wie manche Produkte klingen, die es auf dem Markt so gibt. Kinder langweilen sich nicht sofort, wenn sie mal eine Strophe nur Instrumentalmusik hören.“

Die Kinder vom Kleistpark machen eben kein kommerziell aufgepepptes Kinder-Trallala, sondern richtig gute Musik, nicht nur, aber eben auch für Erwachsene. Schlauer Weise hat Elena Marx die Tonlagen der meisten Lieder so gewählt, dass auch Mamas und Papas ohne Chorausbildung zu Hause lauthals mitsingen können. Hinzu kommen kleine Geschichten und Erzählungen von Kindern, die sensible Eltern zu Tränen rühren und kindliche Zuhörer an die Lautsprechern fesseln können: „Ich bin Jonathan, ich möchte gern ein Forscher werden“, oder „Ich bin die Lisa, ich bin fünf Jahre alt und ich spiele Cello“, oder „Ich bin Enes und ich spiele gerne Fußball, ich kann auch türkisch sprechen und ich bin acht Jahre alt.“

Elena Marx nimmt türkisches, italienisches oder spanisches Liedgut gerne in ihr Repertoire auf. „Aber generell möchte ich die Menschen, die kommen, nicht nur in ihrer persönlichen Nationalität bestärken, sondern immer auch ein Auge darauf haben, dass es eben noch viele andere Nationalitäten gibt. Mir macht es auch total Spaß, wenn wir ein spanisches Lied haben, auch eine spanisch anmutende Musik dazu zu haben. Aber ebenso Spaß macht es, auch das wieder zu brechen und einen HipHop Beat drunter zu legen oder so was. Ich finde dieses permanente Crossover in unserer Musik sehr schön!“

Und so sieht und hört man auch bei den Konzerten viele folkloristische Tänze und Lieder, drum herum passiert dann aber wieder irgendetwas Zeitgenössisches. Es sind diese Brüche, die Elena Marx neben den klanglichen Experimenten besonders interessieren. „Denn letztlich leben wir heute in einer Welt voller Brüche, voller Gegensätze und Unterschiede. Mir gefällt dieser internationale Gedanke sehr gut: Seid tolerant, lasst euch bereichern!“

Toleranz und Offenheit braucht unsere Gesellschaft gerade vielleicht mehr denn je. Elena Marx, Meisterin im Nachahmen von Sprachen, widmet sich jedenfalls in diesem Jahr, dringend!, wie sie betont, ganz besonders dem Studium der arabischen Laute und Klänge. Aber auch ihre Musikerfreunde aus Burkina Faso möchte sie unbedingt nach Berlin einladen, um mit ihnen gemeinsam Konzerte zu geben, bei denen sie uns Berlinern ein wirkliches Feuerwerk an Bewegungen und Klängen präsentieren will.

Die nächsten öffentlichen Familienkonzerte finden am 23. und 14. April 2016, jeweils um 16:00 Uhr in der Urania statt. www.wirkindervomkleistpark.de

Text: Ilka Lorenzen