...kommt irgendwo ein Lichtlein her.“ Alex Hadlich ist mit Herzblut bei der Kreuzberger Musikalischen Aktion (KMA e.V.) dabei und hilft mit seiner Kinder- und Jugendarbeit einen Teil der Stadt lebenswerter zu gestalten – eine echte Berliner Stadtgestalt!
Nachts, wenn er allein unterwegs ist im Problemkiez rund um den Mehringplatz am Halleschen Tor in Berlin-Kreuzberg, kann es schon mal passieren, dass zwei vermummte Gestalten auf ihn zukommen und es auf seinen iPod abgesehen haben. „Doch dann erkennt mich der Eine, flüstert dem Anderen etwas zu, und sie lassen mich in Ruhe.“ Die Kids am Mehringplatz kennen Alex, sie respektieren ihn und haben sich sogar zur Aufgabe gemacht, das Haus, für das er arbeitet, zu beschützen.
Es ist das Haus der Kreuzberger Musikalischen Aktion e.V., kurz KMA, in der Friedrichstraße 2. Alexander Hadlich ist dort seit über acht Jahren Projektleiter und stellt täglich mit einem Team aus Künstlern, Sozialarbeitern, Lehrern und Freiwilligen beeindruckend viel Gutes für Kinder und Jugendliche auf die Beine. Der Kinderkarneval der Kulturen im Mai ist das vielleicht bunteste Aushängeschild der engagierten Arbeit gegen Rechts und für Integration.
Am Pfingstwochenende startet bereits der 17. Karnevalsumzug am Mariannenplatz und endet mit einem Kinderfest im Görlitzer Park. Es ist mittlerweile schon eine ziemlich riesige Veranstaltung geworden, mit deren Vorbereitungen Alex bereits im Herbst zuvor beginnt. Der Renner sei jedes Jahr die große Tombola, bei der jedes Los gewinnt.
Alex‘ größter Traum wäre ein Kinderfest in Berlin, das gar nichts kostet. Um diesem Traum immer ein Stück näher zu kommen, werden jedes Jahr Hilfsbereite gesucht, die umsonst etwas für Kinder vorführen oder Sponsoren, die Preise spendieren.
Die KMA holt seit 1987 Kinder und Jugendliche von der Straße in ihr Haus, um sie mit Rock, Hip-Hop oder Breakdance über die Musik zum Lernen zu motivieren. Die Kids finden hier Raum und Zeit, um ihre Stärken zu erkennen und sich auszuprobieren, ganz egal, aus welchem Land oder Elternhaus sie kommen. Alle Angebote sind kostenlos. Und es gibt hier Menschen, die es gut meinen und machen, auch mit auffälligen Problemkindern.
„Die psychischen Störungen haben erschreckend zugenommen unter den Jugendlichen,“ stellt Alex nachdenklich fest und hat deshalb jederzeit ein offenes Ohr für alle, die reden oder einfach mal wahr genommen werden wollen. Er unterstützt, wo er nur kann und vermittelt: alles ist machbar, wenn man dran glaubt und etwas dafür tut! Junge Menschen, die selbst ihre Kindheit und Jugend zum großen Teil in den Räumen der KMA verbracht haben, motivieren die Kids heute zum Tanzen, Singen, Trommeln oder Nähen. Sie erleben hier gemeinsame Erfolge, etwa bei öffentlichen Auftritten ihrer Bands oder Tanzgruppen. Und so etwas schweißt zusammen und baut ganz nebenbei Vorurteile ab.
Alexander Hadlich, genannt Alex, hat bei der KMA seine Berufung gefunden. Er ist ein bärtiger, tätowierter, sehr entspannter und zugewandter Kumpeltyp mit freundlich lachenden Augen. Und mit seiner positiven Lebenseinstellung ist er ein gutes Vorbild für viele, die sich schon mit 15 Jahren so gut wie aufgegeben haben. Alex hat selbst Einiges hinter sich im Leben. Das strahlt er auch irgendwie aus und er macht selbst keinen Hehl daraus.
Geboren wurde er 1960 in einer Künstlerfamilie in Thüringen. Seine Meinungen und Ideale waren in der DDR unerwünscht, er saß deswegen mehrmals im Knast. Was ihn aber zum Glück nicht davon abgehalten hat, seine eigenen Ziele zu verfolgen. Er ging weiter auf die Straße, doch seine Maxime „bleibe im Land und wehre dich täglich“ konnte er nach wiederholten Monaten unschuldig im Gefängnis letztendlich nicht mehr aufrecht erhalten. So reiste er 1982 aus und studierte in Bonn Sozialpädagogik.
Mitte der achtziger Jahre zog es ihn nach West-Berlin, er machte dort zunächst eine Buchbinderlehre, arbeitete danach in einer Galerie und in einem Plattenladen, war aber damals schon vor allem eins: mit Leib und Seele Rockmusiker! Er spielte in Bands, produzierte Musikbeiträge für den Deutschlandfunk und leitete Rock-Seminare bei der Friedrich-Ebert-Stiftung. Nachdem eine wichtige Beziehung zerbrach, lief es einige Zeit nicht mehr so rund für ihn.
Über eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme kam er 2004 zur KMA und wusste sofort: „Hier gehör ich hin, hier will ich bleiben!“ Also schuf er sich selbst eine Stelle als Projektleiter, wie er augenzwinkernd einfließen lässt, und ist mittlerweile unersetzlich. Und in so viele verschiedene und arbeitsintensive Aktionen verstrickt, dass die Frage sich aufdrängt, wie er es schafft, dass seine jetzige Frau samt seiner fünfjährigen Zwillinge dabei nicht zu kurz kommen?
Sein neustes Großprojekt ist die Übernahme des alten Statthaus Böcklerpark in Kreuzberg. Auch hier soll, genau wie bei der KMA am Mehringplatz, eine Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtung entstehen. Doch bevor dort in Proberäumen Bands spielen oder im Garten Kinder kicken können, steht noch viel harte Renovierungsarbeit bevor.
Besonders am Herzen liegt Alex jedoch die Musik. Er schwärmt von den im hauseigenen Tonstudio aufgenommenen CD- Samplern junger Nachwuchskünstler – das Label kma records steht dabei ausdrücklich für Musik gegen Rechts und für kulturelles Miteinander und pflegt einen satten Sound. „So ist schon der ein oder andre Loosertyp bei uns zum Star geworden,“ lacht Alex, nicht ohne Stolz.
Einmal im Jahr, wenn die Gelder es erlauben, reist er mit einer Gruppe Jugendlicher für zwei Wochen nach Kroatien. Was ihn dabei oft deprimiert, ist, dass es für die meisten Jungs der erste Urlaub ihres Lebens ist. Alex will erreichen, dass die Kids durch gemeinsame Aktionen ihre Vorurteile abbauen und sich miteinander wohl fühlen: „Egal ob Türke oder Araber. Die sollen sich nicht gegenseitig die Köppe einschlagen, sondern erkennen, dass sie gemeinsam was auf die Beine stellen können. Wenn ich sie frage, wo sie geboren sind, dann stellen sie manchmal verblüfft fest, dass sie zur gleichen Zeit in ein und demselben Kreuzberger Krankenhaus zur Welt kamen – dennoch betonen sie gern ihre Unterschiede und pflegen ihre abstammungsbestimmte gegenseitige Abneigung, das muss aufhören.“
Dass seine Arbeit mit vielen Konflikten verbunden ist, versteht sich von selbst. Und eines ist Alex klar, er kann nicht die Welt verändern, aber wenigstens einige der Kids zum Umdenken bewegen.
Es sei eine Herzenssache, für die KMA zu arbeiten und sich zu engagieren. Wer nur ans Geld verdienen denke, habe dort nichts verloren.
Wenn Alex gefragt wird, warum er sich diesen enormen Stress, etwa die langwierige Organisation im Vorfeld des Kinderkarnevals der Kulturen, jedes Jahr aufs Neue antue, erzählt er gern die Geschichte vom grünen Froschfahrrad, dem Hauptgewinn bei der Tombola vor 2 Jahren – das Mottotier des Karnevals war damals der Frosch: „Eine junge Mutter hielt das Gewinnerlos in den Händen und war zunächst völlig fassungslos und überwältigt, dann dankbar, während ihre kleine Tochter bereits glücklich um das grüne Froschfahrrad herumhüpfte. Es klingt abgedroschen, aber leuchtende Kinderaugen sind einfach durch Nichts zu überbieten,“ und für Alex die Aufwandsentschädigung schlechthin. In diesem Jahr ist das Mottotier des Kinderkarnevals übrigens die Meeresschildkröte…
Text: Ilka Lorenzen
Der 17. Kinderkarneval der Kulturen findet am 18. Mai 2013 statt – mit einem bunten Kostüm-Umzug durch Kreuzberg und anschließendem multikulturellen Kinderfest im Görlitzer Park. Diese größte Non-Profit- Kinderveranstaltung organisiert die KMA seit Jahren ohne Unterstützung seitens des Senats. Spenden und Fördermitglieder sind daher immer willkommen. www.kma-ev.de