Wie verbringt ihr die Adventszeit mit euren Kindern? Wie feiert ihr das Weihnachtsfest – klappert ihr die Verwandschaft ab, seid selbst Gastgeber:innen für eine große Runde oder bleibt im kleinen Kreis unter euch? Welche Rituale aus eurer eigenen Kindheit sind euch heilig, was habt ihr in eurer Familie neu etabliert? Was liebt ihr an Weihnachten, was findet ihr anstrengend?
Diese Fragen haben wir drei Familien gestellt, die in der letztjährigen Vorweihnachtszeit von den dokumentarischen Familienfotograf:innen Cindy Villmann und Kay Hallfarth begleitet wurden und die ihre Rituale in ungestellten Bildern festgehalten haben.
Bilderbuchfamilien versus Realität
Im Dezember steht das christliche Fest im Mittelpunkt und die gesellschaftlichen Erwartungen an ein perfektes Weihnachten sind allgegenwärtig. Medien, Werbung und soziale Netzwerke vermitteln uns ein idealisiertes Bild von glücklichen Familien (meist in traditioneller Konstellation Vater, Mutter, Kind, Kind plus sich liebevoll kümmernder Großeltern), prächtig geschmückten Häusern und Weihnachtsbäumen sowie perfekt aussehenden Backwaren und mehrgängigen Festessen.
Doch seien wir realistisch: Schaut man sich im eigenen Zuhause und Leben um, sieht es gelegentlich doch deutlich weniger aufgeräumt und harmonisch aus.
Weihnachten ist für etliche Menschen die schönste Zeit des Jahres. Besinnliche Stunden im Kreise der Familie, das Funkeln der Lichter, der Duft von Plätzchen und Tannengrün – all das gehört für viele untrennbar zum Fest dazu.
Wie unsere drei porträtierten Familien leben viele Eltern als Paar gemeinsam mit ihren Kindern unter einem Dach. Doch was steckt hinter diesen festlichen Traditionen? Und wie gehen Menschen damit um, die nicht in einer klassischen Familienkonstellation leben?
Laut Bundesamt für Statistik lebten 2023 etwa zwölf Millionen Familien mit minderjährigen Kindern in Deutschland, davon 7,9 Millionen Ehepaare, 1,16 Millionen Lebensgemeinschaften, 2,39 Millionen alleinerziehende Mütter und 580.000 alleinerziehende Väter.
Der Familienmonitor des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend spricht davon, dass zwischen sieben und 13 Prozent der Familien in Deutschland Stief- bzw. Patchworkfamilien sind, je nachdem welche Datenquelle man heranzieht. Der Anteil von Regenbogenfamilien an allen Familien ist zwar vergleichsweise noch gering, aber ihre Anzahl hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen.
Emotionale Zeit
Weihnachten gilt gemeinhin als Fest der Liebe. Für Menschen, die keine „heile“ Familie haben oder die Feiertage ohne ihre Kinder verbringen, kann diese Zeit eine besonders schwierige sein, in der Gefühle von Einsamkeit, Trauer und Verlust an die Oberfläche treten.
Viele Trennungseltern und Patchworkfamilien können ein Lied davon singen, welch logistischer Irrsinn es zuweilen sein kann, die Bedürfnisse aller Beteiligten unter einen Hut zu bekommen. Wo feiern die Kinder wann mit wem, welche Großeltern können besucht oder eingeladen werden, wie werden die Geschenke für die Kinder abgesprochen – unter Umständen verbergen sich hinter diesen organisatorischen Fragen eine Menge emotionaler Fallstricke.
Heike Kuhl, Expertin für systemisches Familiencoaching, hat für uns ein paar Ratschläge in ihrem Artikel „Stressfreie Feiertage für Trennung- und Patchworkfamilien“ zusammengefasst, wie sich die Feiertage friedlich aufteilen und feiern lassen. Für essentiell hält sie unter anderem frühzeitige Absprachen und achtsam mit den Bedürfnissen der Kinder umzugehen.
Kein Anlass für Perfektion
Aber auch Eltern – ob getrennt oder zusammen – sollten sorgsam miteinander und sich selbst umgehen. Die Vorweihnachtszeit mit ihren Bastelnachmittagen in Kita oder Schule, mit Adventskalender, Nikolaus, Geschenkebesorgungen und Festvorbereitungen ist für die meisten Familien vollgestopft mit Terminen und To-dos.
Und wenn die Großeltern nicht am selben Ort wohnen und zu Weihnachten besucht werden, kommen noch die Reiseorganisationen hinzu. Dabei sind es nach wie vor oft die Mütter, die sich überwiegend um all dieses Drumherum kümmern. Manch eine:r reibt sich auch an den Erwartungshaltungen anderer oder den eigenen Perfektionsansprüchen auf.
Wenn die ganze Familie zusammenkommt
Hannah, Patrick, Noah und Alma
Hannah und Patrick haben das Glück, dass sowohl ihre als auch seine Eltern in Berlin leben, Hannahs Mutter Anne mit ihrem Partner Guido sogar in unmittelbare Nähe, so bleibt ihnen die Herumreiserei an den Feiertagen erspart.
Sie feiern Weihnachten immer mit der ganzen Familie – entweder bei Anne und Guido oder bei Patricks Eltern. Die Urgroßeltern sind ebenfalls dabei und eine Schwester von Hannah kommt mit ihrer Familie aus Holland. Manchmal schaffen es sogar Patricks Familienmitglieder aus Karlsruhe zu ihnen.
Hannah findet es einfach schön, alle zusammen zu haben, und sie genießen diese gemeinsame Zeit. Jede:r bringt etwas mit und hilft mit, es ist immer wuselig und laut – genau so, wie Hannah und Patrick es lieben. Beide stammen aus Familien, denen Weihnachten schon immer wichtig war und die diese Zeit gerne besonders gestalten.
Am 23. Dezember schmücken sie zusammen den Weihnachtsbaum, was für sie fast genauso wichtig wie der Heiligabend selbst ist. Von der Kleinsten bis zum Ältesten packen alle mit an und am Ende ist der Baum ein echtes Gemeinschaftswerk.
Und doch sagt Hannah, dass die Adventszeit bis zur Pandemie immer sehr voll war, sie super viel unterwegs waren und es ihnen in der Coronazeit gut getan hat, mal einen ruhigeren Dezember zu verbringen.
Seitdem richten sie ihren Fokus mehr auf Zuhause. Den Weihnachtszauber in die eigenen vier Wände zu holen, bewusste Familienzeit und ein bisschen Entschleunigung – das ist es, was sie sich für die Adventszeit vorgenommen haben.
Sie versuchen, bewusst den Stress rauszunehmen und sich kleine Ruhepausen zu schaffen. Den 25. Dezember verbringen sie oft nur zu viert – für sie eine schöne Möglichkeit, durchzuatmen und die Feiertage entspannt ausklingen zu lassen.
Das ist auch ihr Rezept, um nach dem Weihnachtstrubel gesund und mental stabil durch den Winter und ins neue Jahr zu kommen: Sie achten aufeinander, gönnen sich gegenseitig Freiräume und treiben viel Sport.
Mal klappt das besser, mal schlechter, aber Hannah und Patrick meinen, dass sie ingesamt ganz gut darin sind, sich abzuwechseln und dem anderen Raum zu geben, um aufzutanken.
Was in Erinnerung bleibt
Kindheitserinnerungen prägen uns ein Leben lang. Positive Erinnerungen an die Weihnachtsfeiern in jungen Jahren lassen einen auch im Erwachsenenalter Vorfreude auf das Fest empfinden, vor allem, wenn eigene Kinder ins Leben getreten sind.
Die Rituale des gemeinsamen Backen, Basteln und Beschenken sind wesentlicher Teil dessen, was unseren Kindern in Erinnerung bleiben wird. Ob alles rund um die Bescherung picobello aussieht und perfekt organisiert ist, schert sie hingegen eher weniger.
Es sind die Weihnachtsbräuche, die Stimmung, die Gerüche, Gerichte und Unternehmungen in der Adventszeit, die man selbst erinnert und mit seinen eigenen Kindern fortsetzen möchte. So wie Hannah, der eine Tradition aus ihrer Kindheit besonders am Herzen liegt: das Weihnachtsbaumschlagen.
Dafür reist ihre Schwester immer extra aus Holland an, damit sie gemeinsam einen Ausflug ins Umland machen und den schönsten Baum finden können.
Kathrin, Alexander, Milla und Benno
Auch Kathrin und Alexander, die zwar die Feiertage immer woanders in unterschiedlichen Konstellationen verbringen, setzen ihre klassischen Kindheitsrituale mit Milla und Benno fort: Adventskalender, Plätzchen backen, Dekorieren von Wohnung und Baum.
Der Baum wird jedes Jahr beim gleichen Händler gekauft und dann erstmal auf dem Balkon gelagert. Ihn mit den Kindern hereinzuholen, aufzustellen und mit Weihnachtsschmuck zu behängen ist wie der gemeinsame Weihnachtsmarktbesuch mit Kettenkarussell fahren und Zuckerwatte naschen liebgewordene Tradition.
Ansonsten sind die Adventszeit und die Tage „zwischen den Jahren“ für Kathrin und Alexander aber nicht nur eine Zeit der Familie, sondern auch um gemütlich mit Freund:innen zum Kochen, Essen, Spielen zusammenzukommen.
Gerne bringen sie dann weihnachtlich angehauchte Gerichte wie Hirschgulasch oder Rehbraten auf den Tisch. Außerdem nutzen sie die Vorweihnachtszeit, um mit den Kindern neue Dinge zu erleben. Letztes Jahr waren sie zusammen mit Freund:innen im Musical „Die Weihnachtsbäckerei“, dieses Jahr geht es zum ersten Mal für die Kinder zum Schlittschuhlaufen.
Als anstrengend empfindet Kathrin manchmal die wahnsinnige Aufregung der Kinder und ihre Überforderung mit der Geschenkeflut – für das kommende Fest haben sie sich vorgenommen, diese zu beschränken. Und so schön es ist, allen eine Freude zu machen – für jede:n Mitfeiernde:n ein Präsent zu besorgen, inmitten des generellen Konsumwahns in dieser Zeit, artet gelegentlich in Stress aus.
Vier Generationen unter einem Baum
Sarah, Miles, Minou und Nuri
Minou und Nuri haben das Glück, dass ihr Opa Pete bei ihnen mit im Haus lebt und die Urgroßeltern in der Nähe noch so fit sind, dass Heiligabend bei ihnen in richtig großer Runde mit vier Generationen gefeiert werden kann.
Dann wird ab nachmittags Weihnachtsmusik gehört, die Kinderschar packt die Geschenke aus, es gibt Buffet und nach dem Essen wird Schrott gewichtelt. Sarah und Miles lieben dieses Zusammensein im großen Familienkreis sehr, auch wenn nicht immer alles reibungslos läuft.
Die anderen beiden Feiertage verbringen sie mit Minou und Nuri größtenteils gemütlich zu Hause und laden gerne Freund:innen zu sich ein. Sarah sieht ihre Familie in Karlsruhe meistens in der Vorweihnachtszeit, so gibt es rund um die Feiertage zumindest keinen Reisestress.
Denn ähnlich wie Kathrin empfindet Sarah die Organisation und die Erwartungen rund um das Fest mitunter als anstrengend. Auch sie kennt den Druck, den man sich selbst macht, dass alles perfekt sein muss, der schnell überwältigend wirken kann und dem besinnlichen Sinn des Festes entgegensteht.
Friedliches Fest
Die Erwartungshaltungen an ein friedliches Fest sind hoch, aber es ist normal, dass auch gestritten wird. Selbst Weihnachtsfan Hannah gibt unumwunden zu, dass es manchmal zu Tränen, Überforderung und dem Gefühl führt, dass man nicht alles schafft, wenn so viele Menschen aufeinandertreffen. Zudem neigen überzuckerte, überreizte und übermüdete Kinder dazu, sich durchaus auch mal unfestlich zu benehmen.
Schwierig kann es werden, wenn dann unterschiedliche Erziehungsvorstellungen aufeinanderprallen. Auch haben nicht alle Menschen eine harmonische Kindheit erlebt oder heute ein spannungsfreies Verhältnis zu ihren Familien.
Wenn es an den Feiertagen immer wieder zu Konflikten kommt, die sich nicht auflösen oder vermeiden lassen, kann es eine gute Idee sein, sich von dem Ideal der Großfamilie unterm Weihnachtsbaum zu lösen und seine eigenen neuen Feiertraditionen in kleiner Runde oder im Freund:innenkreis zu etablieren.
Weihnachtswichtel und Weihnachtswandel
Weihnachten und seine Traditionen sind stets im Wandel. In den letzten Jahren etabliert sich der Brauch der Weihnachtswichtel in Deutschland immer mehr. Inspiriert von skandinavischen Traditionen ziehen inzwischen in vielen Familien kleine Wichtel zum Advent ein.
So sorgen die Wichtel Lasse bei Minou und Nuri und Nisse bei Alma und Noah mit kleinen Briefen, Streichen und Geschenken für vorweihnachtliche Spannung. Neu etabliert haben Sarah und Miles in ihrer Familie auch den „Keinachtsbaum“, ein nachhaltiges Weihnachtsbaumgestell, das sie dann mit echten Zweigen und ihrer Weihnachtsschmucksammlung bestücken.
Und jedes Jahr in der Weihnachtszeit machen sie Familienfotos in einem Fotoautomaten als Erinnerung, die als Serie über die Jahre wächst.
Weihnachtsshooting
Letztlich ist die Anzahl der Weihnachtsfeste, die man mit den eigenen Kindern als Kinder feiert, begrenzt – diese besonderen Familienmomente, vor allen auch mit den Großeltern festzuhalten, ist eine schöne Idee. So ließ ein Schicksalsschlag in der Familie Hannah und Patrick bewusst werden, wie schnell kostbare Momente vergehen und wie wichtig Erinnerungen sind.
Das war für sie der Anlass für die Familienreportage mit Cindy und Kay. Das Fotograf:innenpaar hat alle drei Familien jeweils einen ganzen Tag lang dokumentarisch in ihrem Adventsalltag begleitet.
Kleiner Tipp am Rande: Ein Shooting mit Cindy und Kay ist auch ein tolles Geschenk von bleibendem Wert für Großeltern. Das Fotograf:innenpaar kommt dann zu euch oder den Großeltern nach Hause und begleitet sie bei den Momenten mit ihren Enkel:innen. cindyundkay.de
Dokumentarische Familienfotos
Noch mehr Eindrücke der Shootings von Cindy und Kay bekommt ihr ihren YouTube-Videos.
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Weihnachten und Winter