Mutter-Kind-Kur – Autorin Sandy J. Bossier war mit ihren zwei kleinen Kindern drei Wochen an der Ostsee. Ihr Erlebnisbericht – die zweite Woche ...
In der zweiten Woche geht es bergauf. Am siebten Tag scheint zum ersten Mal die Sonne. Es ist „Wechseltag“, wie jeden Mittwoch. Bekannte Gesichter reisen ab, unbekannte kommen an. Es gibt Abschiedstränen bei Groß und Klein und man selber zählt nicht mehr zu den Neuen. Ich weiß mittlerweile, wie der Hase läuft, also wie ich an doppelten Schokopudding zum Dessert komme, wann Fahrräder auszuleihen sind oder wo sich die Waschküche befindet. Und die Erkenntnis: Ich bin angekommen.
Erste Erfolge in Mutter-Kind-Kur-Woche zwei
Jetzt wird ungeahnte Energie frei, ich verspüre einen Drang nach Bewegung. So erscheine ich motiviert zu meinen Anwendungen, gehe Walken, zum Yoga und Mutter-Kind-Turnen. An manchen Tagen gehe ich zusätzlich Joggen. Einfach nur so, vielleicht einem neuem Bedürfnis nach Freiheit folgend. Ich kann den plötzlichen Tatendrang nicht einordnen, noch nicht.
Ganz alleine lasse ich mir die salzige Brise um die Nase wehen und kriege den Kopf frei. Insgesamt sind wir 50 Frauen plus Kinder unter einem Dach, der reinste Hühnerhaufen also. Überall und immerzu wird getratscht und geratscht, man tauscht sich über Probleme mit Kindern, Mann und Alltag aus. Manche Frauen suchen Anschluss, haben ein höheres Redebedürfnis (und eine niedrigere Hemmschwelle) als Andere. Frei nach dem Motto „die sehe ich eh nie wieder“, gibt so manche Intimstes weiter.
Demzufolge erfahre ich beim Nordic Walking auf dem Deich, dass Regina gerade ihre Tage hat, Astrid den Physiotherapeuten sexy findet und Vanessa daheim im Saarland ihre eigenen Hühner züchtet. Beim darauffolgenden Melissen- Entspannungsbad nimmt eine Mutter ihre dreijährige Tochter mit in die Wanne, ausnahmsweise. 13 von 16 Minuten diskutieren die beiden über Wassertemperatur, Kinderbetreuung und Abendgestaltung.
Die Kabinen sind nur durch einen blickdichten Vorhang voneinander getrennt. Ich atme tief durch versuche die „stressreduzierenden Strategien“ aus dem hier absolvierten Anti- Stress- Seminar anzuwenden. Mit Erfolg, ich bleibe gelassen und verzeichne tatsächlich erste Erfolge (das wäre mir kürzlich nicht gelungen)!
In der hauseigenen Bibliothek der Kurklinik, einer umfassenden Sammlung der Who is Who der Frauenliteratur, nehme ich mir Zeit zum Stöbern. Was ein Luxus! Ich entscheide mich für den Roman „Sommer in Key West“, nichtahnend, dass ich bis Kurende tatsächlich das erste Buch seit Geburt meiner Tochter vor acht Monaten ausgelesen haben werde.
Wenn die Kinder abends im Bett sind, treffe ich andere Frauen in der Sauna. Wir schaffen ein bis drei Saunagänge, das Babyphon immer im Blick. Im Anschluss springen wir in den benachbarten Pool, nackt. Ob das überhaupt erlaubt ist? „Egal,“ lacht eine Mutter befreit „aber es kommt ein bisschen Halligalli- Feeling auf, findest Du nicht?“ Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal splitternackt schwimmen war.
Insgesamt lässt sich im Laufe der zweiten Woche eine zunehmende Lässigkeit feststellen. Tobende Kinder im Speisesaal werden weniger ermahnt, prinzipienreitende Mütter zucken öfters mit den Schultern. Eine Normalität des Hier und Jetzt tritt ein, das Zuhause ist nun sehr weit weg. Das spürt man besonders deutlich, wenn am zweiten Wochenende Besuch aus der Heimat (respektive die Väter), für 48 Stunden auftauchen. Man erklärt das Kurhaus, die Wege, den Tagesablauf, Dinge, die einem selber in den letzten eineinhalb Wochen zum Alltag geworden sind. Im Speisesaal präsentieren sich nun die gesamten Familien, gehen Samstag bis Sontag ihrer Wege und geben neuen Stoff zum Tratschen. Zwei von drei Wochen sind schon rum.
Ihr habt den Anfang verpasst? Auch über die harten erste Tage in Woche eins ihrer Mutter-Kind-Kur an der Ostsee hat Sandy berichtet.
Ihr wollt wissen, wie es weitergeht? Hier der Mutter-Kind-Kur-Erlebnisbericht aus Woche drei