Diesen Monat waren wir im Süden der Stadt in Ausstellungen unterwegs. Wo ist die Kolonialzeit noch heute sichtbar, fragt das Jugendmuseum und schärft den Blick für ihre Spuren in der heutigen Zeit. In Dahlem ist währenddessen ein besonderes Ausstellungsobjekt zu Gast, ein gewirkter Bildteppich, der zum 150. Reformationsjubiläum angefertigt wurde. Hier sind unsere Tipps für den September!
Museum europäischer Kulturen: Anna webt Reformation. Ein Bildteppich und seine Geschichten
Im Museum für Europäische Kulturen in Berlin-Dahlem ist derzeit ein einzigartiges Objekt zum 500. Jahrestag der Reformationsgeschichte zu besichtigen: Ein Wandteppich der 3,50 Meter auf 0,55 Meter misst und im 17. Jahrhundert von einer Frau namens Anna Bump im norddeutschen Dithmarschen gewirkt wurde. Einziges Thema des Teppichs ist das Leben Christi von der Geburt bis zum Tode und seine Wiederkehr als Weltenrichter. In bunten Bildern, die in ihrer einfachen Bildsprache faszinieren, begegnen uns neben Jesus diverse Tiere, der Teufel, flehende Figuren, Ungeheuer, die heiligen drei Könige und natürlich jauchzende Engel – alles comicartig genial dargestellt.
Den biblischen Hintergrund der Szenerien kann man auf einer interaktiven Bildschirmoberfläche einzeln anklicken und sich erzählen lassen. Wertvolle zeitgenössische Artefakte aus dem Kircheninventar der Region, textile Vergleichsstücke und Objekte der Alltagskultur komplettieren die Sonderausstellung und ermöglichen einen Zugang in die bäuerliche Welt der Stifterin Anna Bump. Zudem wird die spannende Vergangenheit des Teppichs, der nur über Umwege durch die halbe Welt in das Museum nach Berlin gelangte, geschildert. Kinder und Jugendliche haben die Möglichkeit an einer Reihe von offenen Werkstattangeboten teilzunehmen. Sie können mit Webrahmen, Wolle und farbigem Garn experimentieren oder eigene Stoffkreationen entwerfen.
14.07.2017-28.01.2018, Museum Europäischer Kulturen, Arnimallee 25, 14195 Berlin, www.smb.museum
Jugendmuseum Berlin: Kolonialgeschichte in Tempelhof und Schöneberg
Als Hauptstadt des deutschen Kaiserreichs war Berlin 1884 bis 1918 das Zentrum der deutschen Kolonialpolitik. Direkt in Schöneberg gelegen, greift das Jugendmuseum diese Geschichte in einer Ausstellung auf. Welche Spuren hat die Kolonialgeschichte hinterlassen? Sieht man heute noch die Auswirkungen? Diese Fragen werden in der Ausstellung gestellt und beantwortet.
Insgesamt umfasst die Ausstellung drei Räume. Im ersten Raum wird unter anderem die Lage der deutschen Kolonien dargestellt und ein Umriss des Bezirks Schöneberg gezeigt. Auch finden sich Berichte und Relikte aus den Kolonien. Man kann den Brief eines dort stationierten Soldaten lesen, der von den beschwerlichen Bedingungen in den Kolonien berichtet. Auch die Nachbildung einer sogenannten „Passmarke“ kann in die Hand genommen werden. Diese mussten die Bewohner und Bewohnerinnen immer bei sich tragen und auf Nachfrage vorzeigen. Ein Highlight stellt der „Giftschrank“ dar: Insgesamt umfasst dieser Schrank acht Schubladen, in jeder befindet sich ein Kästchen, in dem ein rassistischer Begriff erklärt wird.
Im zweiten Raum gibt es auch einiges zu sehen, vor allem aber zu hören: Unter dem Motto „My Name is“ berichten Frauen von der Zeit in den Kolonien. So soll den Frauen, die dort gelebt haben, wieder ein Gesicht gegeben und die Anonymität genommen werden. Die Stimmen begleiten einen durch den ganzen Raum, während man sich die Auswirkungen der Kolonialpolitik auf Berlin ansieht.
Der dritte Raum zeigt die Auswirkungen der Kolonialzeit, die bis heute in Berlin und in der Literatur zu finden sind: Zum Beispiel sind viele rassistische Begriffe wie die „Mohrenstraße“ in Mitte sowie das „Kameruner“-Gebäck oder der Comic „Tim im Kongo“ aus der „Tim und Struppi“-Reihe in den Sprachgebrauch übergegangen, das will die Ausstellung vor Augen führen.
Insgesamt wird im Jugendmuseum eine Ausstellung präsentiert, bei der alle mit einbezogen werden. Hier können sicher nicht nur Jugendliche, sondern auch Erwachsene noch einiges lernen und gehen am Ende vielleicht mit einem anderen Blick durch den Bezirk.
19.05.2017-03.10.2017, Jugendmuseum Berlin, Hauptstraße 40/42, 10827 Berlin, www.jugendmuseum.de
Text:
Museum Europäischer Kulturen: Gabriele Boulanger
Jugendmuseum: Theresa Fischer
Bildnachweis:
Teppich zum 150. Jahrestag der Reformation von Anna Bump, 1667, Dithmarschen / Norddeutschland, Detail © Museum Europäischer Kulturen, Staatliche Museen zu Berlin, Ute Franz-Scarciglia
Jugendmuseum © Theresa Fischer