© Silke Weinsheimer

Lasst es euch schmecken!

Genussvoll zu essen gehört für uns zu den schönsten Dingen der Welt. Wir kochen mit Freude und probieren gerne alles von Green Smothies über Superfood bis hin zu veganen Köstlichkeiten. Unsere Kinder hingegen ticken da allerdings oft gänzlich anders.

Die Marketingmaschen der Lebensmittelindustrie verfangen auch bei ihnen und Neues wird ungerne probiert, erst recht, wenn es zu „gesund“ daher kommt. Wie man den Spaß am Essen (machen) dennoch nicht verliert und warum es keine gute Idee ist, Machtkämpfe übers Essen auszutragen …

Gesunde Ernährung von Kindern

Es ist ganz normal, dass kleine Kinder auch beim Essen Autonomiebestrebungen an den Tag legen, selbst bestimmen möchten, was sie essen, wie sie essen und wann sie essen. Und schon beginnt das lebenslange Elternspiel, die richtige Balance aus Grenzen setzen, Konsequenz und Respekt für die kindlichen Bedürfnisse zu finden.

Sobald die Kinder mehr Zeit außerhalb der Familie verbringen, entzieht sich ihr Essverhalten sowieso weitgehend der elterlichen Kontrolle, daher kommt den ersten prägenden Jahren eine besondere Rolle zu. Ganz gleich, ob man einer bestimmten Ernährungsphilosophie folgt oder sich keinen großen Kopf um ernährungswissenschaftliche Hintergründe macht – wenn man den Kindern eine ausgewogene Ernährung vorlebt, sie Freude am Kochen und Essen erleben lässt und möglichst auf Fertigprodukte verzichtet, gibt man ihnen das nötige Rüstzeug mit, ein gesundes Essverhalten zu entwickeln.

Auf Bauch oder Kopf hören

Ernährungsphilosophien gibt es viele – von den Anhängern steinzeitlicher Ernährung über Vegetarier, Veganer und Frutarier bis hin zur Instincto-Therapie. Während die Paleo-Ernährung davon ausgeht, dass der Mensch eigentlich nicht an die moderne Zivilsationskost angepasst ist und sich daher aus Nahrungsmitteln zusammensetzt, die bereits in der Steinzeit verfügbar waren, verzichten Vegetarier und Veganer gänzlich auf Fleisch, je nach Ausprägung auch auf Fisch, Eier und Milchprodukte.

Frutarier hingegen essen nur Früchte, die geerntet werden, ohne die Stammpflanze zu schädigen, also Obst, Beeren, Nüsse und Samen. Für Kinder und Jugendliche geeignet sind diese Ernährungsformen nur bedingt – ihr Körper befindet sich im Wachstum und hat einen besonderen Bedarf an Nährstoffen.

Sowohl die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DEG) als auch der Verband der Kinder-und Jugendärzte raten daher von einer rein pflanzlichen Ernährung für Kinder ab. Tatsächlich aber kann es auch gelingen, Kinder gesund vegan aufwachsen zu lassen, wenn man verantwortungsvoll auf die ausreichende Versorgung mit allen wichtigen Vitaminen und Nährstoffen achtet, insbesondere mit Vitamin B12, Vitamn D, Zink, Eisen, Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren.

Infos zu Berliner veganen Restaurants und Einkaufsmöglichkeiten gibt es bei Berlin vegan

Manchmal sind es auch gar nicht die Eltern, die den vegetarischen oder veganen Lebensstil wählen, sondern das Kind selbst beschließt, fortan Vegetarier sein zu wollen. Doch egal, ob Vegetarier-Kind mit nicht vegetarischen Eltern oder Kind veganer Eltern mit Heißhunger auf Fleisch – wünschenswert ist ein offener und undogmatischer Umgang damit.

„Es ist praktisch unmöglich, aus dem Angebot, das die Lebensmittelindustrie als Kinderprodukte vermarktet, eine ausgewogene Ernährung zusammenzustellen.“ Foodwatch

Zu verkopft sollte man vielleicht auch nicht an etwas herangehen, das doch im eigentlichen Sinne Bauchsache ist. Man muss es nicht so weit treiben, wie die Anhänger der Instincto-Therapie, die voll darauf vertrauen, dass ihr Geruchs- und Geschmackssinn sie instinktiv zur richtigen Nahrung (die aber naturbelassen sein muss) greifen lässt. Aber falsch ist der Grundgedanke nicht, dass der Körper schon fordert, was er braucht. Vor allem bei Kindern, deren Geschmackssinn noch nicht von künstlichen Zusätzen und einem Zuviel an Zucker und Salz verdorben wurde.

Nur vermeintlich gesund

Wahnsinnig gesund, schön bunt und mit beliebten Comicfiguren versehen – besonders Produkte, die für Kinder gedacht sind, werden offensiv vermarktet und bedienen sich nicht selten irreführender Werbeversprechen. Laut der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch ist die Gewinnmarge bei Süßigkeiten, Softdrinks und Snacks etwa drei Mal so groß wie bei Obst und Gemüse.

In einem Marktcheck hat Foodwatch 1514 Kinder-Lebensmittel unter die Lupe genommen und nach der aid-Ernährungspyramide bewertet – im Ergebnis fielen fast drei Viertel der Produkte in die Kategorie „süße und fettige Snacks“, von denen Kinder maximal sprichwörtlich eine Handvoll essen sollten. Auch Bio-Kinderprodukte sind da nicht viel besser, von ihnen fielen knapp 58 % in die sogenannte rote Kategorie.

Seit 2012 müssen sich die Lebensmittelhersteller allerdings gesundheitsbezogene Werbeaussagen (sogenannte Health Claims) von der EU genehmigen lassen. Zugelassen sind laut der EU-Verordnung zu Health-Claims ca. 250 Werbebotschaften – vor allem für Vitamine und Mineralstoffe. Nur etwa jede zehnte der eingereichten gesundheitsbezogenen Aussagen hält einer wissenschaftlichen Überprüfung stand und so sind Werbelügen-Klassiker wie „Actimel aktiviert Abwehrkräfte“ seitdem Geschichte.

Dennoch sind zuckerhaltige Softdrinks weiterhin als Sportgetränke, Früchtetee ohne Früchte, Bonbons als „Vitamine und Naschen“ und salzige Würstchen als gesunder Snack für Kinder im Handel. Die Lobbyisten der Lebensmittelindustrie haben erfolgreich durchgesetzt, dass selbst Süßigkeiten ganz legal mit Gesundheitseigenschaften beworben werden dürfen, sobald ihnen beispielweise Vitamine zugesetzt sind.

Himbeer Gesundheit: Essen | Berlin Mit Kind

Gesundes Ernährung beginnt beim Einkaufen 

Dabei sind Vitaminzusätze bei einer vollwertigen Mischkost überflüssig. Die Lebensmittelpyramide, die in den meisten westlichen Ländern von den Gesundheitsbehörden empfohlen wird, setzt auf eine Ernährung, die sich aus reichlich Vollkornprodukten, Nudeln, Reis und Kartoffeln, viel Obst und Gemüse, ausreichend Milch und Milchprodukten sowie Fisch, Fleisch und Eiern in Maßen und nur gelegentlich etwas Süßem zusammensetzt.

Aus frischen Zutaten selber zu kochen ist nicht nur gesünder und meistens günstiger als Fertigprodukte, sondern lässt Kinder auch miterleben, wie und woraus ein Gericht entsteht. Gemeinsam einkaufen, schnibbeln, kochen, essen und vielleicht auch mal ein Familienausflug zum Bauernhof, aufs Erdbeerfeld, zur Gläsernen Molkerei oder zu einem regionalen Lebensmittelhersteller (die großen Bioladenketten wie denn‘s bieten regelmäßig Touren zu ihren Herstellern an) – so kommen Kinder früh damit in Berührung, welchen Wert eine gesunde Ernährung hat, wieviel Arbeit dahinter steckt und woher die Zutaten für unser Essen kommen.

Regionale Lebensmittelhersteller kann man bei den Entdeckertouren von denn’s Biomärkten denns-biomarkt.de besuchen oder im Rahmen der Brandenburger Landpartie brandenburger-landpartie.de. Spannend für Kinder ist auch ein Besuch der Gläsernen Molkerei in Münchehofe oder der Gläsernen Meierei in Dechow glaeserne-molkerei.de.

Saisonale Produkte aus der Region haben zudem durch kurze Lagerzeiten und Transportwege einen besonders hohen Vitamin- und Mineralstoffgehalt. Auch auf dem heimischen Balkon oder sogar der Fensterbank lassen sich eigene Tomaten, Gurken, Erbsen, Erdbeeren und Co ziehen – welch ein Erlebnis, wenn diese dann tatsächlich auf dem Teller landen. Sollten die Kinder dann Feuer fangen beim Gärtner, bieten sich von Gemeinschaftsgärten bis zu Mietackerflächen Möglichkeiten, diese Leidenschaft zu vertiefen.

In und um Berlin kann man Garten- und Ackerflächen mieten, um dort Obst und Gemüse selbst anzubauen, beispielsweise bei meine ernte meine-ernte.de, den Ackerhelden ackerhelden.de oder auf dem Landgut Pappelallee landgut-pappelallee.de. Infos zu verschiedenen Gartenprojekten in Berlin vom Allmende-Kontor bis zum Prinzessinnengarten findet man in unserem Infoartikel Natur erleben in Berlin. Angebote in München sind unter Natur erleben in München nachzulesen.

Das Auge isst mit

Man muss sich nicht gleich einen Wettkampf um die am schönsten ausstaffierte Brotbox liefern, aber erfahrungsgemäß werden gesunde Snacks lieber weggeknabbert, wenn sie ansprechend und mundgerecht daherkommen. Die Zeit zum Essen in den Schulpausen ist manchmal recht knapp bemessen – wenn man Apfel (mit Zitronensaft beträufelt), Möhre, Paprika, Gurke in Stückchen geschnitten oder Nüsse mitgibt, finden diese auch mal in kurzen Pausen den Weg in den Kindermund.

Die Investition in eine entsprechende Brotbox mit unterteilten Fächern lohnt sich – so bleiben die einzelnen Snacks ansehlich und frischer. Der gute alte Apfel schmeckt den meisten Kindern und ist ungleich gesünder und nahrhafter als jeder Riegel.

Das vielzitierte Sprichwort „An apple a day keeps the doctor away“ kommt jedenfalls nicht von ungefähr: Ein Apfel enthält reichlich Ballaststoffe, Vitamine und Mineralstoffe. besonders Vitamin C und Kalium und den Ballaststoff Pektin. Dieser ist wichtig für eine gute Verdauung und ein lang anhaltendes Sättigungsgefühl.

Auch Paprika und Möhre sind geeignete Zutaten für die Brotdose und stecken voller Vitamine und Mineralstoffe. Etwa jedes fünfte Grundschulkind und ein Drittel der Jugendlichen in Deutschland gehen zur Schule, ohne dass sie vorher gefrühstückt haben. Die Gründe sind vielfältig und reichen von mangelnder Fürsorge der Eltern bis zu morgendlicher Hektik im Familienalltag, häufig widerstrebt es dem Kind aber einfach, so früh morgens etwas zu essen. Zwingen sollte man es nicht, aber darauf achten, dass es zumindest etwas trinkt und dann ein gehaltvolles (Vollkorn)Brot für die erste Pause mitgeben.

Kind Wurst

Das Salz in der Suppe

In früheren Jahrhunderten war Salz so kostbar, dass es als „Weißes Gold“ bezeichnet wurde – heute steht der Salzstreuer überall auf dem Tisch und ist das meistgebrauchte Würzmittel. Kochsalz, also Natriumchlorid, ist ein elementar wichtiger Mineralstoff für den menschlichen Körper und spielt eine wichtige Rolle beim Knochenaufbau, der Verdauung, der Erregbarkeit von Nerven und Muskeln und regelt den Wasserhaushalt.

Da unsere Nahrung allerdings schon viel Salz enthält, insbesondere Fertiggerichte, aber auch Brot, Käse und Wurstwaren, nehmen wir zuviel davon zu uns.

Sechs Gramm Salz pro Tag ist die empfohlene Maximalmenge für Kinder ab elf Jahren und Erwachsene. Kinder unter drei Jahren sollten täglich nicht mehr als zwei Gramm, Kinder unter sechs Jahren weniger als drei Gramm und Kinder zwischen sieben und elf Jahren höchstens fünf Gramm Salz zu sich nehmen.

Wie der Ernährungsbericht der DGE nachweist, konsumieren auch Kinder und Jugendliche deutlich zu viel Kochsalz. Dieses wird vor allem über die Nieren ausgeschieden, die durch einen dauerhaft überhöhten Salzkonsum geschädigt werden können. Auch Bluthochdruck und Schädigungen des Herzens werden damit in Zusammenhang gebracht.

Tatsächlich kann man sich mit Salz vergiften, ein Erwachsener müsste dafür allerdings mehr als zehn Esslöffel innerhalb eines Tages zu sich nehmen, was kaum versehentlich passiert. Anders bei Säuglingen und Kleinkindern, bei denen schon deutlich geringere Dosen zu einer Vergiftung mit Durchfall, Erbrechen und in schweren Fällen Tod infolge von Herz- und Atemstörungen führen können.

Besorgniserregendes Essverhalten

Im Regelfall kann man davon ausgehen, dass ein gesundes Kind, dem eine ausgewogene Ernährung angeboten wird, alle Nährstoffe zu sich nimmt, die sein Körper braucht. Auch Phasen scheinbar ziemlich eintöniger Ernährung müssen nicht gleich Grund zur Sorge geben – viele Kinder verweigern zeitweise z.B. die Sauce zu den Nudeln, ernähren sich wochenlang von nur einer Handvoll verschiedener Lebensmittel, nur Nahrung einer bestimmten Farbe oder sind einfach generell wahnsinnig wählerisch. Auch die Menge der aufgenommen Nahrung kann massiv schwanken.

Jede Familie muss für sich den eigenen Weg finden, damit umzugehen. Aber egal, ob eine Extrawurst gebraten wird, derjenige, der das Familienessen nicht mag, dann einfach nur eine Stulle bekommt oder ob zumindest probiert werden muss – das Essen sollte nicht zum Schauplatz von Machtkämpfen werden.

Mit Geduld kommt man weiter, die meisten Kinder, deren Abneigungen man toleriert und respektiert, kommen früher oder später selbst auf den Geschmack. Immer wieder anbieten und vorleben, dass man selbst mit Genuss isst, ist in jedem Fall besser als dass die Nahrungsaufnahme zum Zankapfel wird. Genausowenig, wie Essen als Belohnung oder Strafe eingesetzt werden sollte, führt es Kinder zu einem gesunden Essverhalten und einer natürlichen Wahrnehmung von Hunger und Sättigung, wenn man sie gegen ihren Willen zwingt, etwas (aufzu)essen.

Besorgte Eltern?
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Wenn sich aber ein auffälliges Essverhalten über einen längeren Zeitraum hinzieht, ist es für Eltern manchmal nicht leicht, die Grenze zu erkennen, ob es sich schon um ein behandlungsbedürftiges Problem handelt oder ob man nicht durch das Problematisieren des Essverhaltens erst recht zu einem unnatürlichen Verhältnis zum Essen beiträgt.

Magersucht und Ess-Brech-Sucht können vereinzelt bereits im Kindesalter auftreten, auch Übergewicht und Adipositas bringen einige gesundheitliche Risiken mit sich. Eltern betroffener Kinder sind oft unsicher, wie sie sich richtig verhalten – man sollte sich nicht scheuen, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ein Alarmzeichen ist es, wenn man am Kind eine verzerrte Körperwahrnehmung beobachtet. Auch ein maßloses Essverhalten, wenn ein Kind nicht die Grenzen seiner natürlichen Sättigung spürt, sollte man zum Anlass zu einem Gespräch mit dem Kinderarzt nehmen.

Gemeinsam genießen

Wenngleich es im hektischen Familienalltag nicht immer zu realisieren ist – für das gemeinsame Kochen und Essen an einem schön gedeckten Tisch in entspannter Atmosphäre sollte man sich regelmäßig Zeit nehmen. Und man darf die eigene Küche auch mal kalt lassen – gemeinsame Restaurantbesuche haben nicht nur den Vorteil, dass sich jeder sein Wunschgericht aussuchen kann, auch die üblichen Streitereien darum, wer den Tisch deckt, abräumt, spült etc. bleiben außen vor und mehr Zeit fürs Miteinander.

Die Berliner Gastroszene  hat jedenfalls für Kinder viel zu bieten. Etwas weniger Tischkultur, aber eine große kulinarische Vielfalt findet man auf den Streetfoodmärkten wie dem Street Food Thursday in der Kreuzberger Markthalle 9, Sonntagsmarkt in der Kulturbrauerei in Prenzlauer Berg, Brunnenmarkt im Wedding (jeweils am ersten Sonntag des Monats) oder in der warmen Jahreszeit beim Bite Club an der Spree in Treptow oder dem Umspannwerk in Kreuzberg – so kann man kulinarisch einmal entspannt um die Welt reisen.

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Unsere Autorin Anja Ihlenfeld war als Kind selbst extrem picky und hat sich nur von einer Handvoll Lebensmittel ernährt – heute isst sie jedoch gerne und fast alles. Daher begegnet sie den Marotten ihrer Kinder gelassen – auch wenn es kaum etwas gibt, das allen vieren gleichermaßen schmeckt.