Vaterkolumne HIM – Unser Kolumnist Christoph Bauer kocht gerne für seine Familie und übernimmt auch mal nach Feierabend die Wäsche. Als Neuer Vater fühlt er sich deshalb trotzdem nicht...
Wenn es hieß „Zum Abendbrot bist du zu Hause“, war damit exakt 19:00 Uhr gemeint – nicht früher und nicht später. Und jeden Abend um sieben wiederholte sich das gleiche Ritual: Sobald mein Vater Platz genommen hatte, stellte meine Mutter ihm eine kühlschrankkalte Flasche Augustiner Helles neben seinen alten Steinkrug. Dieser wurde von ihm bereits in dritter Generation in Ehren gehalten und jeden Abend mit entsprechender Ehrfurcht und der beiläufigen Konzentration eines alten Profis befüllt. Die Schaumkrone saß immer perfekt und passte, trotz eleganter Wölbung, noch unter den hohlen Zinndeckel.
Wenn dann auch mein Bruder und ich unsere Füße unter ihren Tisch gestellt hatten, servierte die Mutter eine kalte Platte, bei deren Anblick heute jeder Teilzeit-Vegetarier sofort zum fundamentalistischen Mitglied der Animal Liberation Front mutieren würde. Zur Grundausstattung des täglichen Abendbrots gehörten Bierschinken, Gelbwurst mit Petersilie, roter und weißer Presssack, Leberwurst, abwechselnd mayonnaisiger Fleisch- oder vinaigrettiger Wurstsalat. Sicher waren viele Quadratmeter der Prunkvilla des Dorfmetzgers unseren damaligen Essgewohnheiten zu verdanken.
Heute laufen die Dinge einfach etwas anders
Seit fast vierzehn Jahren bin ich nun selbst Familienvater und es hat ein wenig gedauert bis meine Mutter gelernt hatte, entspannt damit umzugehen, dass die Dinge in meiner Familie etwas anders laufen. Es gibt bei uns weder Wurstplatten zum Abendbrot noch einen hauswirtschaftlichen Rundumservice durch den weiblichen Ehepartner. Dass die Dinge bei uns anders laufen, hat in erster Linie mit der souveränen Durchsetzungskraft meiner Frau zu tun und weniger mit meiner Sehnsucht, zur Gilde der vielbeschworenen „Neuen Väter“ zu gehören.
Die schreienden Bälger morgens um drei durch die Wohnung zu schaukeln, ihnen den vollgekackten Windelhintern abzuwischen und die Kitaläuse von der Kopfhaut zu pulen, gehörte nie zu den Beschäftigungsformen, nach denen ich mich leidenschaftlich gesehnt hätte. Biergärten waren mir immer schon lieber als Spielplätze und DJs höre ich nun mal lieber zu als Violinenschülern. Aber ich zieh‘ das durch. Ob mich meine mich liebenden Töchter heute weniger lieben würden, wenn ich ihnen den Hintern weniger oft geputzt hätte? Ich kann es nicht beurteilen. Aber bei meiner Frau bin ich mir da ziemlich sicher. „Happy wife, happy life!“ – dieser alten Volksweise folgend, hat sich der Einsatz bisher absolut gelohnt.
Die große Elternzeit-Frage
Als ein von Steuernachzahlungen gejagter Freiberufler hatte ich jedoch nie den Mumm, mich für eine Elternzeit komplett aus dem Job auszuklinken. Und ich frage mich manchmal, was ich da wohl verpasst habe. Dass immer mehr Jungs von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, finde ich grundsätzlich eine positive Entwicklung. Zum einen für die Väter, die dann mit ihren Kids chillen, mit dem lässigen Vintage-Kinderwagen durch die Hood cruisen und mit den hotten Mamas beim Barista um die Ecke abhängen können.
Auch für die Kids, die nicht nur am weichen Busen der Mutter, sondern auch in den starken Armen des Vaters die Welt um sich herum entdecken können. Und wenn es Stress im Sandkasten gibt, dann ist Big Daddy am Start und sorgt für klare Verhältnisse. Vor allem freut es mich natürlich für die Mütter, die ungebremst Karriere machen und Überstunden schieben können, ohne sich Sorgen über den zu weichen Stuhlgang ihres Säuglings machen zu müssen.
Klare Ansagen, bitte!
So läuft es doch, oder etwa nicht? Wohl kaum. Ich kenne nur zwei Väter, die mehr als zwei Monate Elternzeit genommen haben. Der eine verbrachte die meiste Zeit davon am Rechner seines Home Office, weil ihn sein Chef aus der Ferne mit Problemfällen versorgte, die angeblich nur er lösen konnte. Der andere verbrachte die meiste Zeit davon am Rechner seines Home Office, weil er von seinem altem Job die Schnauze voll hatte und auf der Suche nach einem neuen war. Und beide Frauen legten ihre Karriereambitionen resigniert auf Eis, wohl wissend, dass die Leitung des Family-Managements sowieso an ihnen hängen bleibt.
Meine Frau hat es geschafft, trotz meines mangelnden Elternzeit-Eifers ihr berufliches Ding durchzuziehen. Sie hat mich gefordert, mir klare Ansagen gemacht, wann ich am Start zu sein habe und zu Hause übernehmen muss. Und wenn ich nach Feierabend die Wäsche zusammenlege und meinen drei Mädels ein Abendessen zubereite, dann fühle ich mich weder als Pantoffelheld noch als einer der „Neuen Väter“. Es fühlt sich einfach ganz normal an, unaufgeregt und gut. Und auch wenn heute einiges anders läuft als in meinen Kindertagen, gegessen wird um sieben!