Die immense Notwendigkeit, besser mit unseren Ressourcen umzugehen, dringt zu uns allen durch. Nachhaltiger zu agieren, wird definitiv zu unserer Hauptaufgabe, um heute den Fortbestand von morgen zu sichern. Doch wie stellt man es bitte schlau an, ohne dass man sich selbst völlig verrückt macht? Geht das? Ja, wie wir im Gespräch mit Luisa Weiss vom Foodblog The Wednesday Chef erfahren konnten.
Nachhaltiges Familienleben: Mehr und mehr fühlt sich unsere Autorin konfrontiert: Damit, wie wir das Thema Nachhaltigkeit mit all seinen Belangen ein bisschen besser in unser Leben integrieren können. Damit, wie wir es von jetzt auf gleich schaffen könnten, ressourcenschonendes Verhalten in allen Bereichen und in seinen verschiedenen Facetten in den Alltag zu integrieren.
Die Fragen unserer Enkel:innen werden kommen
Denn natürlich ist das wichtig und alles andere als egal. Gerade, wenn wir an unsere Kinder und Kindeskinder denken, die uns nicht später mal fragen sollen können, warum wir einfach nichts getan oder geändert hätten. Oder es nicht wenigstens versucht hätten.
Am liebsten würde man selbst alles nicht nur gut, sondern einfach perfekt machen. Jedoch gerät man dadurch – in Verbindung mit einem oder sogar mehreren Kindern und dem ganz normalen Wahnsinn unserer Kind-und-Arbeits-Alltagsanforderungen – sehr leicht in eine Stressspirale. Das permanent schlechte Gewissen, nicht genug zu tun, nagt und nagt und nagt.
Nachhaltiges Familienleben: das 80/20-Konzept
Um ein so wichtiges Thema smart, aber halbwegs entspannt anzugehen, kann als Richtlinie das 80/20-Konzept sehr helfen. Dieses bedeutet, grob vereinfacht gesagt, zu ertragen, dass 20 Prozent der 100 Prozent Zielerreichung einfach nicht perfekt laufen. Es ist okay, wenn man fast alles gibt und doch ein bisschen Unperfektheit bleiben darf. Dieses Konzept funktioniert übrigens auch bei der Kindererziehung ganz gut, aber das ist ja wieder ein ganz anderes Feld.
Die Summe der vielen Kleinigkeiten
Vielleicht ist genau aus diesem Grund Luisa Weiss für ihre Follower:innen und Leser:innen so eine bemerkenswerte Persönlichkeit. Denn die Hobbyköchin und Buchautorin lebt genau dieses Thema in ihrer sympathischsten, weil nahbaren Art. Mit ihrem Blog The Wednesday Chef zieht sie schon seit 2005 Leser:innen in ihren Bann, teilt ihre Sorgen und Ängste sehr offen und authentisch und spricht damit vielen aus der Seele.
Sie ist vielleicht keine Öko-Superheldin, aber was man sich unbedingt von ihr abgucken kann, ist ihre wertebasierte Haltung, welche verdeutlicht, dass viele Kleinigkeiten in Summe das ergeben, was durch das Handeln Vieler garantiert ins große Ganze einzahlt. Anhand ihrer wertvollen Tipps spürt man schnell: Jede Kleinigkeit, die wir tun, weil wir sie tun wollen, macht sehr wohl etwas aus. Und man spürt auch: Dies ist ein absolut nachahmungswürdiges Rezept.
Ihr Lieblingsrezept: Dranbleiben
Das, was sie auszeichnet, ist das ständige Ausprobieren, Experimentieren und die mal mehr, mal weniger schmerzvollen Erfahrungen des Damit-Auseinandersetzens. Daher ist ihr das starke Gefühl, dass von jedem von uns etwas passieren muss, unumgänglich.
Denn Fakt ist: Wir erzeugen wahnsinnig viel Plastikmüll. Deutliches Zeichen unserer Wegwerfkultur sind die Massen an Plastik, die bereits jetzt in den Meeren schwimmen. Durch die Meeresströmungen bilden sich Inseln, bestehend aus großen Plastikteilen bis hin zu kleinsten Plastikpartikeln: Riesige 1,6 Millionen Quadratkilometer, also viermal die Fläche Deutschlands, nimmt die größte Müllhalde der Welt, der Great Pacific Garbage Patch im Nordpazifik ein.
Als Luisa einen Artikel darüber im New Yorker las und realisierte, dass bisher weltweit rund 8,3 Milliarden Tonnen Plastik produziert wurden, aber fast 80 Prozent auf Müllhalden oder in den Müllstrudeln landen und nur ein verschwindend geringer Teil davon recycelt wird, war sie fassungslos. Bis 2025 wird sich die Menge an Plastikmüll verdoppeln, wenn Entsorgung und der Umgang mit Müll sich nicht verbessert: pro Jahr also mehr als 20 Millionen Tonnen.
„Ich stand hier und mir wurde schlecht.“
Das war für sie selbst der Anlass, eine Phase lang extrem intensiv zu versuchen, Perspektive zu schaffen und überhaupt gar kein Plastik zu kaufen. Geschafft hat sie es letztendlich noch nicht ganz, muss sie zugeben. Es jedoch weiterhin irgendwie zu probieren, wird sie nicht aufgeben. Stattdessen ist sie zu einem Zwischending gekommen: weniger Plastik zu benutzen, so weit wie möglich zu vermeiden und vor allem immer auf der Suche nach guten Alternativen zu sein.
Alles an Plastik-Aufbewahrung in ihrer Wohnung hat sie abgeschafft und stattdessen in ihrem Lieblings-Trödelladen ein umfangreiches Set aus Glas-Aufbewahrung erstanden. Mit diesen Glasbehältern geht sie unter der Woche zum Metzger ihres Vertrauens, um sich dort die Einkäufe einfüllen zu lassen. Genauso passiert es an der Käsetheke.
„Es ist etwas, das wir unbedingt möchten.“
Dieser Wunsch, selber mehr zu tun, wurde und wird immer größer. So recherchierte die Koch- und Backkoryphäe im Internet Rezepte, um ihr eigenes Spülmittel herzustellen – nicht immer mit großem Erfolg, wie sie lachend zugibt. Aber auch gescheiterte Experimente halten sie nicht davon ab, weiterhin zu versuchen, immer ein kleines Stück nachhaltiger zu werden, und zwar in allen Bereichen ihres Alltagslebens.
Ebenfalls spannend: Die eigene Kosmetik mehr und mehr in Richtung Nachhaltigkeit zu trimmen. Für die ganze Familie gibt es im Bad nun keine Flüssigseife aus dem Pumpspender mehr, sondern klassische Kernseife. Das Shampoo ist das einer Marke, die Wiederauffüllungen promotet. Und als nächster Schritt soll dann festes Shampoo im Hause The Wednesday Chef eingeführt werden.
„Mineralwasser kaufen ist für mich tabu.“
Was sie in ihrem Haushalt jedoch gar nicht erst etablieren musste, ist kein Wasser oder Saft zu kaufen. Ihre beiden Kinder, sieben und zweieinhalb Jahre alt, fragen auch gar nicht erst danach, weil sie es nicht gewohnt sind. Es gibt ausschließlich gefiltertes Leitungswasser.
Genutzt werden wiederverwertbare, BPA-freie Trinkflaschen – und auch Milch und Joghurt kauft Luisa kategorisch nur in Glasflaschen. Einkaufen ist durch das viele Planen und Schleppen allerdings ein Thema, das sie immer ohne die Kinder zu regeln versucht.
„Auf dieser Couch habe ich lesen gelernt.“
Beim Rundgang durch die Zimmer erfährt der geneigte Besucher, dass das Gros der Einrichtung alte, schon jahrzehntelang geliebte und gehegte Familienstücke sind. Das Beste daran ist, dass es zu jedem Teil auch eine wundervolle Geschichte zu hören gibt. Die andere Hälfte der Wohnungseinrichtung wie Kunst oder Bilderrahmen stammt aus Schätzen des Fair Trade Kaufhauses, einem Trödelladen, zu dem Luisa auch Aussortiertes hinträgt.
„Ich miste auch ständig aus und bringe alles dort hin“, lacht sie. Auch ihre Mutter jagt dort ihre komplette Garderobe: „Wenn man regelmäßig hingeht, findet man echte Schätze.“ Einen uralten Baumwollbrotbeutel rettete sie bei ihrer Mutter davor, zu Wohltätigkeitsorganisationen weitergegeben zu werden. Bei Luisa erwachte er zu neuem Leben und wird heiß und innig geliebt.
Ein gutes Netzwerk hilft
Nicht nur Möbel, auch Kinderspielzeug wird in diesem Haushalt gebraucht gekauft. Und fast 90 Prozent dessen, was ihre Kinder anziehen, bekommt Luisa von Freund:innen.
„Ich kann an einer Hand abzählen, was ich an Kleidung für die Kinder gekauft habe.“ Einfach wunderbar, genauso wie der Teppich, auf dem wir stehen. Denn auch den erstand sie Secondhand. Herrlich, wenn 1.001 Kleinigkeiten beweisen, dass Nachhaltigkeitsbestreben ganz schön einfach lebbar sein kann, stimmt’s?