Ulrich Nowikow von der Grünen Liga Berlin über die Bedeutung von Naturerfahrungen für Stadtkinder und die Möglichkeiten, sie für ökologisches Engagement zu begeistern.
Seit mehr als zehn Jahren arbeitet der Gartenbauingenieur bei der Grünen Liga Berlin, die sich für verschiedene Projekte der Umweltbildung für Kinder engagiert und das naturpädagogische Angebot der IGA 2017 mitkonzipiert hat. Sein besonderes Interesse gilt den Schulgärten, die gleichermaßen ein Hort für seltene Pfanzen- und Tierarten wie ein Ort der spielerischen Wissensvermittlung sein können.
In welchem Alter ist es sinnvoll, mit der Vermittlung ökologischer Bildung zu beginnen?
Auf jeden Fall im Kita-Alter. Waldkindergärten zeigen, wie Kinder den ganzen Tag in der Natur verbringen und dabei spielerisch Verständnis für die jeweilige Umgebung entwickeln. Bei älteren Kindern und Jugendlichen lässt sich dann oft beobachten, dass Natur eher als fremd oder gefährlich wahrgenommen wird.
Stimmt es, dass Kinder mehr über exotische Tiere wissen als über die heimische Tierwelt?
Ich bin immer wieder überrascht, wie breit gefächert Kinderwissen diesbezüglich bereits sein kann. Einerseits bestätigt sich genau dieses Vorurteil, am einfachsten zusammengefasst mit den Stichworten „Gelbe Enten und lila Kühe“.
Andererseits gibt es aber auch Kinder, die ein fundiertes Wissen von unseren Tieren und Pflanzen haben. Mit Bezug zu allen Hiobsbotschaften aus der Tierwelt – von Massentierhaltung bis zum Artensterben – sind Kinder oft auch sehr emotional mit dem jeweiligen Thema befasst.
Wie wirkt es sich bei Kindern aus, sich mit der Natur in ihrem Umfeld zu beschäftigen?
Zunächst lernen diese Kinder einfach ihre Umgebung und ihr Umfeld besser kennen. Sie erleben Wetter und Jahreszeiten, lernen Pflanzen und Tiere kennen. Sie schulen ihre Beobachtungsgabe und ihre Sinne. Neben einer positiven Entwicklung der Wahrnehmung wird auch die Grob- und Feinmotorik geschult, zum Beispiel im Schulgarten beim Ziehen von geraden Reihen für die Aussaat oder beim sicheren Gehen auf einem schmalen Holzbrett im Gartenbeet.
Die Kinder müssen Ausdauer und Verantwortungsbewusstsein bei der Bearbeitung des eigenen Gemüsegartens entwickeln. Sie machen die Erfahrung von selbstständiger Arbeit und sind kreativ bei der Lösung von Problemen und im Umgang mit unvorhergesehenen Ereignissen.
Wo können Kinder hier Artenvielfalt erleben?
Berlin ist eine sehr grüne Stadt und es gibt unendlich viele Möglichkeiten, Natur im Allgemeinen und Artenvielfalt im Besonderen zu erleben. Eine gewisse Artenvielfalt können bereits der eigene Balkon, der Hausgarten, der Schrebergarten, das Urban-Gardening-Projekt und natürlich der Schulgarten bieten.
Wie viele Schulgärten gibt es in Berlin?
In Berlin gibt es ca. 900 Schulen, etwa jede dritte davon hat einen Schulgarten. Die Entwicklung der letzten Jahre zeigt, dass es wieder verstärkt Interesse daran gibt.
Welche Ansätze und Projekte kommen besonders gut bei Kindern an?
Praktische und abwechslungsreiche Arbeiten mit schnell sichtbaren Ergebnissen. Der Garten ist somit ein optimaler Lernort. Spannend für Kinder ist es, wenn sie Vogelhäuser und Insektenhotels selber bauen und vielleicht sogar mit nach Hause nehmen können.
Wie schafft man es, Jugendliche dauerhaft für ökologisches Engagement zu begeistern?
Am besten über praxisorientierte Projekte, bei denen Jugendliche selbst planen, Verantwortung übernehmen und so die Auswirkungen ihres eigenen Handelns erfahren können. Also über Partizipation und persönliches Erleben.
Wie wichtig ist es, dass Kinder auch die globalen Zusammenhänge kennenlernen?
Klimawandel und Biodiversität sind Themen, die zwingend theoretisches Hintergrundwissen erfordern, um die globalen Zusammenhänge zu verstehen. Im Kontext unseres Konsumverhaltens kann dann leicht der Bogen zum Alltag und zum vollen Kühlschrank oder Kleiderschrank geschlossen werden.
Zusammenhänge von Regenwaldabholzung, Sojaanbau und Fleischkonsum sind dann relativ leicht herzustellen. Wichtig dabei ist, dass Kinder die Wechselwirkungen erkennen, das heißt, dass Entscheidungen bei uns Auswirkungen auf Menschen in anderen Teilen der Welt haben.
Welche Projekte können Familien selbst in ihrem direkten Umfeld umsetzen?
Beteiligungsmöglichkeiten bei Hof- oder Baumscheibenbegrünungen gibt es im direkten Umfeld fast immer. Einige grundsätzliche Dinge sind dabei zu beachten und frühzeitig zu klären.
Dazu gehören Rücksprachen mit dem Hauseigentümer, dem zuständigen Bezirksamt und natürlich mit der Hausgemeinschaft. Es sollten Verantwortlichkeiten geklärt werden, damit es keinen Frust gibt, wenn dann in der Sommerzeit doch niemand die frisch bepflanzte Baumscheibe gießt.
Welche Naturorte sind die schönsten in Berlin?
Der Botanische Garten, das Tegeler Fließ, die Gärten der Welt und natürlich das Gelände der Internationalen Gartenausstellung 2017.
Naturpädagogische Veranstaltungen für Kinder findet ihr auch in unserem