Kanufahren kann man bekanntlicherweise auch in Berlin, vorbei an rostigen Spundwänden und Partybooten. Doch draußen in Brandenburg stößt man vom Ufer ab hinaus auf malerische Seen und durch verwunschene Kanäle und ist sofort im Glück. HIMBEER-Autor Adrian Grunert hat mit der Großfamilie ein langes Wochenende im Ruppiner Seenland verbracht und es mit einem Tag Kanufahren gekrönt.
Das Pfingstwochenende gehört der Familie. Weder haben wir kirchliche Verpflichtungen noch berufliche Termine. Nichts hält uns in der Stadt, was man nicht auch angesichts eines Wiedersehens mit der Großfamilie verpassen könnte – wir haben einfach frei und freuen uns auf die Zeit mit drei Generationen unseres verstreuten Stammbaums.
Um eine wiederkehrende Zusammenkunft aufrechtzuerhalten, treffen wir uns traditionell an Pfingsten auf einem Bauernhof zwischen weiten Feldern, angereist aus allen Himmelsrichtungen. Wir sind Patchwork, auch geographisch. Einen Knotenpunkt haben wir hier im schönen Lindow, im Ruppiner Land gefunden, wo Berlin nicht mehr als ein ferner Schatten ist.
Hier gehen die Uhren anders. Die Kinder beschäftigen sich von der ersten Minute an mit dem neugeborenen Kälbchen oder dürfen, selig, auf dem Trecker mitfahren, die Erwachsenen sitzen bis in die Fledermausstunden ums Lagerfeuer und sind überrascht, wie lange ein echtes Gespräch, wenn man mal ehrlich ist, wirklich dauern muss.
Der nächste Morgen ist einem heftigen, vorsommerlichen Regenguss geweiht, betrübt sage ich die geplante Kanutour ab. Die Dame beim Verleih aber tröstet am Apparat: „Kuscheln Sie sich lieber ein, auf’m Boot werden Sie ja bloß pitschepatschenass.“ Nun gut. Keiner murrt. Es regnet eben, alles darf wachsen, wir bleiben drinnen und spielen Canasta und Wörterraten – nach Mitspielern müssen wir nicht suchen. Auch keine Enttäuschung.
Wir gehen an Bord – die Kanu-Tour kann starten
Tag drei zeigt sich versöhnlich und beschenkt uns mit vollem Sonnenschein. Wir packen sofort die Badesachen, füllen den Picknickkorb und stehen bald in Alt Ruppin an der von vielen bunten Booten umsäumten Verleihstation. Das Personal lässt sich durch sechzehn bewegungswütige Leute kein bisschen aus der Ruhe bringen, händigt uns vier Kanus, Schwimmwesten für die kleineren Passagiere und wasserdichte Säcke aus.
Die Kinder eilen an die Kiste mit den Stechpaddeln, um Maß zu nehmen: „Das richtige Paddel hat man, wenn es vom Boden bis unter die Achsel reicht“, erklärt Frau Glaser von Rhinpaddel, die hier in jeder Sommersaison Städtern den Boden unter den Füßen nimmt.
Wir haben eine gemächliche Tagestour vor, keinen Workout, kein Wettrennen, eher leises Dahingleiten mit gelegentlichen Stegsprüngen. Vor der Wasserkarte zeigt uns Frau Glaser eine Rundtour, die bis zum Nachmittag ohne Mühe zu schaffen ist: „Wenn Sie wollten, können Sie auch eine ganze Woche lang paddeln.“
Beim genaueren Hinsehen wird klar: Die Gewässer hier sind ein unendliches Netzwerk aus Seen, Kanälen und Flüssen. Die flächendeckende Infrastruktur aus Leihstationen, Campingplätzen und Anlegestellen zum Einkehren machen es Kanuten und Seglern leicht, länger unterwegs zu sein.
Schon sitzen alle acht Erwachsenen und acht Kinder in vier Booten und stimmen schiefe Seemannslieder an, bevor überhaupt ein Schlag getan ist. Ich nehme im Heck als Steuermann Platz, um mit meinem Paddel das schaukelnde Boot auf Kurs halten – oder eben nicht: Nach dem Ablegen tanzt unsere Feiertagsflotte ein recht amüsantes Wasserballett.
Bereits eine Viertelstunde später haben wir aber den Kniff raus und gleiten beglückt durch Seerosenfelder, vorbei an den versteckten Gartenparadiesen der Flussgrundstücke und geradewegs hinein in die Schleuse zum schönen Molchowsee.
Wir schleusen uns aus – Abenteuer auf der Kanu-Tour
„Boah, wir steigen ja!“, tönt es aus dem Nachbarboot, das sich an uns festgeseilt hat. Tatsächlich, wir steigen, die ganze Schleuse brummt. In ganz Brandenburg gibt es etwa 20 Schleusen, die für Wasserwanderer befahrbar sind, manche sind selbst zu bedienen, bei manchen, wie hier, steht eine freundliche Wärterin vor ihrem Häuschen und winkt.
Wenngleich es zwischen den blubbernden Stahltoren doch ein bisschen unheimlich ist – die Kinder können ihr Glück kaum fassen. Zwei Meter weiter oben liegt der See. Wir überqueren seine Weite bei strahlendem Sonnenschein. Die schillernde Oberfläche des Sees spiegelt den Himmel wider, über uns kreisen die Reiher wie urzeitliche Erscheinungen und irgendwo hinter dem Schilf am Ufer liegt vielleicht ein verschlafenes Dörfchen, vielleicht auch nicht.
Das gemeinsame Paddeln schweißt zusammen. Unsere Mannschaft – das ist meine Schwester aus Berlin, mein achtjähriger Cousin aus Hamburg und meine zehnjährige Nichte aus Bonn – hat großen Spaß bei der Überfahrt. Wir Erwachsenen benehmen uns plötzlich ganz kindlich und plärren Albernheiten über den See, die Kinder sind auf erstaunliche Weise mit einem Mal ziemlich erwachsen, treiben uns zum Weiterpaddeln an, korrigieren den Kurs und wählen am Horizont den Steg fürs Mittagessen aus.
Als der gesamte Verbund dort die Leinen festmacht, sieht man rundum in glückliche Gesichter. Die Bewegung, die frische Luft, die Sonne, die die Schultern kitzelt. Ich behaupte, Paddeln macht glücklich. „Das Wasser ist gar nicht kalt!“, schreit der erste Mutige in Badehose. Es folgen erheiternde Sprungchoreographien, während mein Schwager auf dem Steg das Landbrot auspackt, mein großer Bruder eine Wassermelone schlachtet und der Opa schon mal die Position für ein Nickerchen einnimmt.
Wir kommen an
Nach dem Päuschen geht es wieder an Bord, zurück über den See zur Schleuse. Hier legen wir doch nochmal an, denn nur ein paar Schritte entfernt steht der Kornspeicher Neumühle, ein herrlich restauriertes Baudenkmal, und lockt mit Kaffee, phänomenalem selbstgebackenen Kuchen und einer eindrucksvollen Antiquitäten- und Möbelsammlung.
Wir haben keine Eile, Pausen gehören eben auch zum Weiterkommen. Gestärkt wollen letztlich wir noch eine Runde durch die Arme des Rhins paddeln, der Alt Ruppin und seine imposante Backsteinkirche umschlingt. Solche stillen Kanäle, hindurch unter den streifenden Ästen der Weiden, begleitet von neugierigen Enten, sind die wahren Highlights einer Kanufahrt. Die Seen sorgen eher für Unruhe und kosten Kraft.
Mit ein wenig Planung ist es hier in der Ruppiner Schweiz – wie überall sonst zwischen Oder und Elbe, Havel und Spree – aber möglich, Touren zu fahren, die auch für Unsportliche und Genießer eine optimale Mischung aus Vorwärts- und Ankommen bieten. Für eine entspannte Tagestour war unser Ründchen genau das Richtige und der gleitende Aggregatzustand hat uns überzeugt. Ein andermal kommen wir mit Zelt und Campingkocher wieder und verbringen mehr Zeit auf dem Wasser.
Brandenburg, du bist ein Füllhorn voller Überraschungen! Man muss sich nur mal rauswagen.
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Wir bedanken uns bei TMB Tourismus-Marketing Brandenburg für die Unterstützung der Kanu-Tour, die ohne Entgelt oder Einflussnahme auf den Text oder Verlinkungen erfolgte.