Sand unter den Füßen assoziiert ihr nur noch mit endlosen Nachmittagen auf Spielplätzen mit den lieben Kleinen? Erinnert euch an salzige Meeresbrisen, frische Bergluft und unbeschwerte Ferientage. Endlich können wir uns wieder frei bewegen und verwegene Urlaubspläne schmieden.
Allerdings haben wir uns mit der Welt und all den gravierenden Umbrüchen mitverändert. Wie wollen und können wir respektvoll und möglichst nachhaltig jetzt und in Zukunft reisen?
Um Antworten und Tendenzen auf diese nicht ganz einfache Fragen auszuloten, haben wir uns Expertenrat geholt. Denn das Thema „Reisen, Urlaub und kleine Fluchten“ boomt. Wir wollen raus und sehnen uns nach wohltuenden Eskapaden, gern auch mit der Familie.
Interview mit Bernd Neff
Bernd Neff ist kreativer Macher hinter dem Berlin Travel Festival, das als offizielle Nachfolgeveranstaltung der ehemaligen ITB Publikumstage Anfang Dezember stattfinden wird.
In seiner Agentur I LOVE TRAVEL vereint er seine langjährige Expertise aus verschiedensten Travel- und Lifestyle-Disziplinen. Er berät Hotels, Reisebüros und Destinationen zum Thema Customer Brand Experience. Gerade konnte er auf der diesjährigen ITB wieder neue Informationen, Visionen und Stimmungen einfangen.
Dein erster großer Trip: Wohin bist du gereist – und warum?
Mit 16 per Anhalter nach Südfrankreich, weil es eine Städtepartnerschaft zwischen meiner Heimatstadt und dem Hafenstädtchen La Ciotat gibt und ich mich in den Osterferien in eine Französin von dort verknallt hatte. „La Boum“ lässt grüßen.
Koffer oder Rucksack, nah oder fern, allein oder mit Familie? Wie reist du heute am liebsten?
Mit der großen Reisetasche (auf Rollen) im Zug mit der Familie. Regelmäßig nach Italien. Die Tagesverbindung Berlin – Florenz geht so easy.
Morgens um 08:30 Uhr in Berlin los, Umsteigen in München und Bologna und rechtzeitig zum italienischen Abendessen um 21.00 Uhr in Florenz ankommen.
War und ist die Corona-Pandemie eine Chance für eine neue, nachhaltige Art des Reisens?
Ich denke schon, dass sich das Reiseverhalten dadurch verändert hat. Die nahen Ziele haben eine höhere Aufmerksamkeit erfahren.
Ein anderer Effekt ist, dass die Preise für Flüge mittlerweile derart in die Höhe geschossen sind, dass viele nicht mehr so leichtfertig unzählige Kurztrips buchen, sondern sich eher für eine große, längere Reise im Jahr entscheiden und zwischendurch kurze Reisen (auf eigene Achse oder im Zug) in der näheren Umgebung unternehmen. Das ist vielleicht nicht nur auf Corona zurückzuführen, die Pandemie hatte aber sicher einen Einfluss.
Wie sieht eine nachhaltigere Reise aus? Was ist mittlerweile ein No-Go und was kredibel?
Es gibt sehr viele Formen wie man eine Reise nachhaltig gestalten kann. Entscheidend ist für mich die Reisedauer, die Entfernung und das entsprechende Transportmittel in Relation zu setzen. Kurztrips sollten über den Landweg erreichbar sein.
Langstrecken sollte man möglichst mit entsprechend längerer Verweildauer verbinden. Kombinationen aus Langstrecke und dann den Landweg in der jeweiligen Region finde ich persönlich sehr spannend.
Was sind die aktuellen Trends reiselustiger Familien? Und unterscheiden wir uns im Reiseverhalten von europäischen Nachbarländern?
Camping und Caravaning ist ein großer Faktor bei Familienreisen geworden.
Die mittlerweile riesige Bandbreite an mietbaren Wohnmobilen und Bussen und die Veränderung auf vielen Campingplätzen, bzw alternativen Angeboten an Stellplätzen haben dies sicher begünstigt. Slowtravel ist der Reisetrend schlechthin.
Auf welche Highlights und Neuerungen können wir uns auf dem Berlin Travel Festival im Dezember freuen?
Da wir uns im letzten Jahr mit den drei weiteren Freizeit- und Erlebnismessen Boot und Fun, Angelwelt Berlin und Auto Camping Caravan zusammengeschlossen haben, wird unser touristisches Angebot auch mehr aus diesen Bereichen beinhalten. Wir werden mehr Aussteller:innen für Reisen am und auf dem Wasser, aber auch für Camping und Caravan-Angebote haben.
Wandern wird ein anderer Schwerpunkt sein. Wir zeigen hier unter anderem einige tolle Regionen, die spezielle Angebote für Familien haben. Darüber hinaus bemühen wir uns gerade darum, eine Reihe von tollen europäischen Städten – die über die üblichen Touristen-Hotspots hinausgehen – zu präsentieren.
Ansonsten freue ich mich noch auf unseren Bereich mit Tiny-House Hersteller:innen und auf Orte und Unterkünfte, die sich perfekt für Work- ation-Aufenthalte eignen. Und wie immer gibt es spannende Vorträge, Workshops und Test-Areas. Der Besuch bei uns soll schon eine eintägige Erlebnisreise für sich sein, aber auch Inspiration und Unterstützung für die Planungen des dann kommenden Frühjahrs 2024 bieten.
Beeinflusst dich als Vater das Thema Kinderfreundlichkeit bei der Suche nach dem nächsten Reiseziel?
Unbedingt! Wie geht dieser Spruch? Happy child – happy life. Im Ernst, wir schauen natürlich immer danach, ob der Urlaub den Kindern Spaß macht. Das bedeutet aber nicht, dass wir nur an Plätze fahren, die ein Kinderbespaßungsprogramm haben.
Wir waren gerade mit zwei kleinen Kindern (sieben und neun Jahre) für eine Woche in Paris. Wichtig war, dass die Kids bei unserer Planung auch genügend Raum für ihre Interessen bekommen haben. Dann machen sie auch mal etwas drei bis vier Stunden mit, das sie nicht so sehr interessiert.
Welchen Rat gibst du Familien mit kleinen Kindern, wenn sie eine Reise planen?
Urlaub muss allen gerecht werden. Den Ort gemeinsam anschauen und mögliche Ziele und Aktivitäten zusammen planen. Unbedingt Absprachen vorher treffen, z.B. Screen-Time festlegen und sich selbst dann auch als Eltern daran halten.
Und was empfiehlst du für Reisen mit Jugendlichen?
Freiraum lassen. Ich halte es für wichtig, den Urlaub mit Jugendlichen so zu planen, dass sie genügend Raum haben, um ihren eigenen Interessen nachzugehen. Es kommt natürlich auch hier auf das Format an. Bei gemeinsamen Städtetrips sollten sich diese Zeiten auf Stunden oder halbe Tage beschränken, bei Strandurlauben vielleicht einfach gemeinsame Essenszeiten verabreden und punktuell gemeinsame Aktivitäten planen.
Wie werden wir in fünf bis zehn Jahren reisen?
Hoffentlich genauso wie heute. Im respektvollen Umgang mit Natur und Kultur. Empathisch, offen, tolerant, neugierig.
2016 gründete Bern Neff das Berlin Travel Festival. Als Vertreter einer neuen Generation von Reisenden setzt sich die Freizeitmesse für innovative, nachhaltige Konzepte und eine bessere gemeinsame Zukunft ein. Umwelt und Sozialverantwortung sind zentrale Bestandteile der Festivalphilosophie.
01.-03.12. 2023, 10:00-18:00, Berlin Travel Festival, Messegelände Berlin, berlintravelfestival.com
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