Das Jahr startet mit vielen spannenden Ausstellungen, die ihr nicht verpassen solltet. Drei haben wir uns schon mal für euch angesehen: Dabei sind wir eingetaucht ins Werk eines beeindruckenden Künstlers, in die Lebensgeschichte unterschiedlicher Menschen und in die Straßen einer ganz besonderen Stadt.
Jüdisches Museum Berlin: Welcome to Jerusalem
Da hinten beliefert der LKW einen Laden, der Marktbetrieb ist schon in vollem Gange und irgendwo in einer Schule setzen sich die Kinder zur nächsten Schulstunde. Geschäftig geht es zu, auf den Straßen Jerusalems. Und wir sind direkt mittendrin, wenn wir die aktuelle Sonderausstellung „Welcome to Jerusalem“ im Jüdischen Museum betreten. Leinwände flimmern von jeder Wand und heißen uns inklusive original Geräuschkulisse willkommen in der für Christ*innen, Juden und Jüdinnen und Muslime/a „heiligen Stadt“. Die Stadt ist geprägt durch die drei monotheistischen Weltreligionen, genauso wie durch politische Brisanz, da Palästinenser*innen und Israelis Jerusalem als ihre Hauptstadt beanspruchen. Somit ist es auch eine geteilte Stadt und die Mauer nur über Checkpoints passierbar.
Die Ausstellung führt uns durch die uralte Geschichte Jerusalems und wir erfahren, dass der Ort vermutlich schon vor mehr als 5000 Jahren das erste Mal besiedelt wurde. Ein Raum mit einer digitalen Stadtkarte verbildlicht die Veränderung der Stadtgrenzen zu ganz verschiedenen Zeiten, zum Beispiel während der römischen Besatzung unter Herodes oder als die Stadt ein Teil des Osmanische Reichs war. Auch das Einnehmen Jerusalems durch die Briten nach dem ersten Weltkrieg wird abgebildet sowie viele weitere Stationen bis heute. Auf unserem Weg durch die Räume begegnen wir immer wieder Historiker*innen, Rabbinern und Bewohner*innen Jerusalems, deren Berichten wir über Kopfhörer lauschen können.
Sehr detailreich werden die verschiedenen Perspektiven Raum für Raum erläutert. Modelle des Felsendoms und der Klagemauer sowie Videoinstallationen, unter anderem aus der Dokumentation „24 Stunden Jerusalem“ von Volker Heise und Thomas Kufus, lassen die Stadt besonders plastisch werden. Gebetsgesänge eines Muezzins über Lautsprecher verstärken das Gefühl, in der Stadt selbst angekommen zu sein.
Die starke Verflechtung von Religion und Politik, die den Alltag der Jerusalemer*innen prägen, wird in der Ausstellung sehr gut, und vor allem nicht statisch oder einseitig, aufgearbeitet. Um den Konflikt zu verdeutlichen, werden beim Gang durch die einzelnen Stationen automatisch immer wieder die Perspektiven gewechselt. So wird das Hineinversetzen in alle Parteien möglich.
Empfehlenswert ist die Ausstellung in jedem Falle! Für kleinere Kinder sollte das Vermittlungsangebot in Anspruch genommen werden, da das Original-Videomaterial in dem Raum, der den Nahost-Konflikt thematisiert, sehr brutale Szenen enthält. Wir empfehlen einen Besuch erst ab 12 Jahren.
Am 8. Februar findet der Workshop „Drei Brote und ein Halleluja“ für Kinder statt, bei dem die Kinder die Bedeutung von Brot in Jerusalem erkunden und verschiedene Brotsorten gebacken werden. Eine Anmeldung ist erforderlich.
Welcome to Jerusalem, Jüdisches Museum Berlin, bis 30. April 2019, Lindenstraße 9-14, 10969 Berlin, www.jmberlin.de/jerusalem
Kupferstichkabinett: Willi Baumeister. Der Zeichner
Für den 1989 in Stuttgart geborenen Maler und Zeichner, der auch als Bühnenbildner, Typograph und Kunsttheoretiker wirkte, spielte die Zeichnung schon früh eine zentrale Rolle. Baumeister setzte sie nicht nur skizzenhaft zur Vorbereitung seiner Gemälde ein, sondern nutzte sie zur Realisierung bildhafter Kompositionen von ganz eigener Qualität. Dies gilt besonders für die Jahre der künstlerischen Isolation während der NS-Zeit. In seinem kleinen Atelier auf der schwäbischen Alb in Bad Urach lotete er mit organisch-amorphen Formen die Abstraktionsmöglichkeiten der menschlichen Figur aus.
Gleich zu Beginn der Ausstellung dürfen wir “Apoll” bestaunen. Ein Werk aus dem Jahr 1922 das schon früh den typischen Baumeister zeigt: Konstruktivistische, mit dem Zirkel und Lineal komponierte Linien, die den griechischen Gott in eine erhabene Position rücken. Oder das Bild “Mensch und Maschine”, eine Papierarbeit von 1924, die die Technikgläubigkeit und die Hoffnungen des Industriezeitalters aufzeigt. Ab 1933 entstehen seine “Sportbilder”, in denen er die Silhouetten von Sportlern zu archaischen Zeichen und Flächenformen abstrahiert, angeregt von der prähistorischen Höhlenmalerei. Immer wieder experimentierte er mit der Figur als Chiffre und organisches Formengebilde und den verschiedensten Techniken.
Die Ausstellung zeigt uns ein breites Spektrum der Arbeiten von Willi Baumeister und bringt uns so fast von Bild zu Bild immer mehr seine Sehnsucht nach ursprünglicher Schaffenskraft nahe. In Ausstellungsgesprächen können Kinder überlegen, mit welchen Formen sie den menschlichen Körper vereinfacht darstellen wollen. Während der Osterferien findet ein dreitägiger Workshop mit dem Titel “Kreis, Dreieck, Quadrat” statt, bei dem die geometrischen Formen in Willi Baumeisters Zeichnungen unter die Lupe genommen werden, um anschließend das eigene Lieblingsmotiv mit farbiger Modelliermasse, Papier, Karton und Schnüren festzuzurren. Eine Anmeldung über die Seite der Staatlichen Museum zu Berlin ist erforderlich.
Willi Baumeister. Der Zeichner – Figur und Abstraktion in der Kunst auf Papier, bis 08.04.2018, Kupferstichkabinett, Matthäikirchplatz, 10785 Berlin, www.smb.museum
Museum der Dinge: Foto | Album
Wenn man das Museum der Dinge betritt, wird einem eine Sammlung außergewöhnlicher und teilweise auch kurioser Dinge präsentiert. Von alten Schreibmaschinen aus dem Jahr 1912 oder Tischventilatoren von Siemens aus den 30ern bis Tischservicen mit fragwürdigem Design oder Materialfehlern wird einem alles geboten. Es gibt viel zu entdecken und man schreitet langsam durch die Gänge mit den hohen Vitrinen, um auch ja keine Rarität zu verpassen.
Seit Oktober gibt es hier auch die Ausstellung Foto | Album zu sehen. In einem separatem Raum werden eine große Kollektion an alten Fotos und Alben geboten, welche aus privaten Quellen stammen. Neben den vielen Fotos wird ein Bereich der Berliner Artistenfamilie Berg gewidmet. Ein bemerkenswerter Beitrag der Ausstellung und interessant für alle, die wissen, wie schön es ist in alten Erinnerungen zu schwelgen. Eine große Bilderwand auf der anderen Seite des Raums unterteilt Fotos in witzige Kategorien und verschiebt so die Blickwinkel.
Wie wurden Fotos damals gesammelt und präsentiert? Wie wurde mit Fotos umgegangen? Das lässt sich in dieser Ausstellung entdecken. Wer gerne Vergangenes aufleben lässt und der Nostalgie verfällt, sollte sich die Ausstellung im Musuem der Dinge nicht entgehen lassen. Für Familien und speziell für Kinder findet jeden dritten Samstag des Monats (der nächste am 20.01.) der Workshop Werkstatt der Dinge statt, bei dem eigene Dinge entworfen und gebaut werden. Die Teilnahme ist kostenlos und der Eintritt in die Ausstellung ist frei.
Foto | Album, Museum der Dinge, bis 26.2.18, Oranienstraße 25, 10999 Berlin, www.museumderdinge.de
Text:
Jüdisches Museum: Eva Schneider
Kupferstichkabinett: Gabriele Boulanger
Museum der Dinge: Alice Knabe
Bildnachweise:
Artikelbild: Blick auf den zentralen Ausstellungsraum „Die heilige Stadt“ © Jüdisches Museum Berlin, Foto: Yves Sucksdorff
Bild 2: Will Baumeister, Apoll, Blatt aus „Die Schaffenden“, 4. Mappe, 1922, Lithographie auf Büttenpapier, 40,9 x 30,7 cm, © Kupferstichkabinett – Staatliche Museen zu Berlin
Bild 3: Johannes Schubert, Willi Baumeister in der Werkstatt Erich Mönch, Akademie der Bildenden Künste, Stuttgart 1953, Schwarz-Weiß-Fotografie (Negativ), 6 x 6 cm, Archiv Baumeister im Kunstmuseum Stuttgart © Archiv Baumeister im Kunstmuseum Stuttgart
Bild 4: Nachlasskonvolut einer englischen Familie aus dem 19. Jahrhundert, Seidenbespannte Holzkiste mit Fotografien, Schmuck, Briefen und Stammbaum © Sammlung Werkbundarchiv – Museum der Dinge, Foto: Armin Herrmann