BERLINER STADTGESTALTEN – Essen auf Rädern mal anders: Das KIMBAmobil fährt Berliner Schulen an, um mit Kindern gemeinsam zu kochen und Nahrungsmittel neu zu erleben. Was dabei alles herauskommt, hat unsere Autorin Sandy J. Bossier-Steuerwald entdeckt.
An der südlichen Stadtgrenze Berlins befindet sich die Annedore-Leber-Grundschule. Diese Woche gastiert ein unübersehbarer Besucher auf dem Schulhof: Ein ausrangierter Doppeldeckerbus, außen bunt bemalt mit Lebensmitteln aller Art und dem Slogan „Iss dich schlau!“.
Das KIMBAmobil
Das KIMBAmobil ist ein zur fahrbaren Lernküche ausgebauter, alter BVG Bus, der seit gut einem Jahr Kinder- und Jugendeinrichtungen im gesamten Stadtgebiet anfährt. In ihm werden unter professioneller Anleitung Kochkurse für Sechs- bis Sechzehnjährige angeboten.
KIMBA steht für KinderImbissAktiv und gehört zur Berliner Tafel, dem gemeinnützigen Verein, der sich seit 1993 vor allem der der Unterstützung von über 350 sozialen Einrichtungen widmet. Überschüssige Lebensmittel werden eingesammelt und an Obdachlose und andere Bedürftige weiter verteilt.
Das KIMBA-Projekt richtet sich dagegen nicht nur an sozial schwache Kinder und Jugendliche, sondern an alle Heranwachsenden. In seiner ersten Saison von März bis Dezember 2010 fuhr das KIMBAmobil 44 Schulen an und beherbergte knapp 1.000 Nachwuchsköche.
„Woher kommen Frühlingsrollen?“
Es ist halb zehn, als der diplomierte Ernährungswissenschaftler Timo Schmitt, der auch an der Konzeptentwicklung des KIMBAmobil beteiligt war, eine fünfte Klasse auf den Prüfstand stellt. „Aus China!“ ruft Luka.
Zwölf Kinder sitzen Beine baumelnd auf den Küchenarbeitsplatten im Untergeschoß des Busses, alle tragen königsblaue Kochschürzen mit selbstgeschriebenen Namensschildern. Timo gibt eine theoretische Einführung mit gängigen Küchenregeln und erläutert die anstehenden Rezepte des Mittagsmenüs, bevor im praktischen Teil das Essen gemeinsam zubereitet wird.
Die zwei Ehrenamtlichen Jenna und Claudi haben im Bus schon alles vorbereitet: Edelstahlschüsseln, Schneidebrettchen und Spezialmesser warten auf ihren Einsatz. Die Kinder- und Jugendabteilung der Berliner Tafel besteht mehrheitlich aus ehrenamtlichen Kräften, einigen Praktikanten sowie drei festen Mitarbeitern im KIMBA-Projekt.
„Wir werden ausschließlich regionale Produkte verwenden und darum nennen wir das Ganze Berliner Frühlingsrollen!“ Chefkoch Timo erklärt den begrifflichen Unterschied zwischen Pfann- und Eierkuchen, zählt mithilfe der Schüler:innen die Zutaten für den Grundteig auf und lässt sie Gemüsesorten für die Füllung benennen: „Karotten, Tomaten, Paprika… “
Das Geschwisterverhältnis von Gurke und Zucchini
Die anwesende Lehrerin mahnt zur Ruhe. Timo dagegen stört sich nicht an emotionalen Ausbrüchen und begeistert die Kinder mit seinen lockeren Sprüchen für das gesunde Grünzeug. Als sie über das Geschwisterverhältnis von Gurke und Zucchini aufgeklärt sind und Timo auf die Handhabung der Kräutermesser, Karottenschäler und Apfelausstecher hingewiesen hat, können sie endlich loslegen.
Beim Zubereiten der Speisen werden die Kinder ermutigt, alle Arbeitsschritte selbstständig durchzuführen und unbekannte oder nicht so beliebte Lebensmittel zu probieren. Hier „geht es in erster Linie darum, Heranwachsende unabhängig ihres sozio-ökonomischen Hintergrundes an ein verantwortungsbewusstes und selbstbestimmtes Leben heranzuführen, was deren Ernährung betrifft,“ schreibt Timo Schmitt in seiner Diplomarbeit zum Thema Ernährungsbildung von 2011.
Wenn der Nachwuchs kocht
Um kurz vor zehn wird die erste große Pause mit der Schulklingel eingeläutet, was jedoch niemanden im Bus zu interessieren scheint. Die zwölf emsigen Nachwuchsköch:innen sind viel zu konzentriert aufs Schälen und Schneiden, als dass sie sich von tobenden Mitschüler:innen, Fangspielen um den Bus oder vorpubertärem Mädchengekreische ablenken lassen würden.
Im unteren Geschoß schneidet Sinan die Zucchini in klitzekleine Stücke, während sich Luca den Paprikas widmet. Chefkoch Timo schaut vorbei. „Na, läuft alles nach Plan bei Euch?“ „Ja,“ strahlt Sinan, „obwohl ich vorher gar keinen Plan hatte!“ Nebenan wird lautstark der elektronische Handmixer in Betrieb genommen, um den Teig zu verrühren.
Eric hält als Mehlverantwortlicher die Rührschüssel in Position und feuert begeistert seinen Kumpel Eddy an: „ED-DY, ED-DY! Los, und jetzt den Turbo-Gang!“ Eddy gibt alles. „Wir sind das Dream Team!“ schreien sie sich begeistert über den lärmenden Mixer-Motor zu und wollen von Timo wissen, ob der nebenan kochende Reis von Onkel Bens sei („Nein!“) und warum das Desinfektionsmittel wie „Warzenzeugs“ rieche („Weil es Alkohol enthält!“).
Letzteres benötigt Timo gerade, um erste Hilfe bei Henriette zu leisten, die sich beim Apfelentkernen in den Daumen geschnitten hat.
Gemeinsam kochen, gemeinsam essen
Im oberen Teil des Busses mit einer Deckenhöhe von 1,80 Meter werden zur selben Zeit Obstsalat und Multivitaminsaft zubereitet. Die Kinder sind bei der Obstverarbeitung gut voran gekommen, es riecht süßlich nach Orangen und Bananen. Tobias, Laura und Pia sitzen sich am Tisch gegenüber, der kurze Zeit darauf auch als Tafel für das gemeinsame Essen dienen wird.
Kevin und Marlene werfen abwechselnd Apfel- und Rhabarberstückchen in den elektrischen Entsafter. Dann ist es endlich soweit, der lange Tisch im Obergeschoß wird von einer Arbeitsplatte in eine Essenstafel verwandelt: tiefe Teller, bunte Schüsseln und blaue Plastikbecher warten auf ihre Benutzung.
Sinan und Kevin überbrücken die letzten Minuten vor dem Mittagessen mit einem lebhaften Löffelfechtkampf zum Rocky Klassiker „Eye of the Tiger“: Lukas kommt mit den angerichteten Berliner Frühlingsrollen die schmale Bustreppe hoch, gefolgt vom dreiköpfigen KIMBAmobil-Team.
Chefkoch Timo und seine Helferinnen Jenna und Claudi wünschen einen guten Appetit und dann stürzen sich alle Kinder auf das Essen. Auf Pias Bemerkung „Kochen macht mir mehr Spaß als Fußball!“ antwortet Tobi prompt: „Mir auch!“ Er will ja auch mal Koch werden, wenn er groß ist.
KIMBAmobil c/o BERLINER TAFEL e.V., berliner-tafel.de/kimba
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