Die Berliner Clubszene der 90er- und 00er-Jahre hat heute Familie. Als Eltern erfreut sie sich noch immer an Musik und Kultur, so wie Katinka Brundiers von Zwergstadt. Bei Events schafft sie Räume für Familien, an denen alle gemeinsam feiern können – oder auch mal durchatmen.
Lollapalooza 2018 – wir treffen Katinka Brundiers im Kidzapalooza-Bereich. Nichts weiter als ein leises Schmatzen ist aus dem Publikum zu hören. Lange Kinderzungen schlecken über Wassereis, eng kuscheln sich die Kleinsten an ihre Eltern und folgen gebannt der Show: Unter einem gestreiften Lampenschirm, der auf einen Kinderwagen montiert wurde, gastiert heute der Flohzirkus Zakapüs. Winzige Artisten aus Plüsch balancieren auf einem Drahtseil, jonglieren und schwingen zu Akkordeonklängen die dünnen Beinchen, während über den Köpfen der Zuschauer Fransengirlanden und Seifenblasen tanzen.
Nichts deutet darauf hin, dass fünf Gehminuten entfernt 70 000 Menschen beim Lollapalooza-Festival zu Bands wie Kraftwerk, Freundeskreis oder Wolf Alice feiern. Auf einer großen Wiese, zwischen einer Ranch aus Steckenpferden, einer Rallye mit Rutschautos und einem Verkleidungszelt mit Regenbogenperücken und glitzernden Schuhen finden Familien hier eine eigene Welt. Dafür sorgen Katinka Brundiers und ihr Team. Nach rund 15 Jahren Erfahrung im Berliner Eventbereich gründete die Sozialpädagogin 2014 mit ihrer Zwergstadt einen mobilen Kinderspace für Veranstaltungen.
Je nach Größe eines Events – und davon gibt es für Katinka und Co. inzwischen über 15 im Jahr – kann er dank eines Modulsystems mitwachsen oder eben schrumpfen. Bei der eigenen Kidzparty in der Else, der Open-Air-Location von Katinkas Freund, wird die Zwergstadt groß. Das ist sie auch im Rahmen dieses Kidzapaloozas, dem Familienbereich des Lollapalooza-Festivals. In enger Zusammenarbeit mit den Lolla-Verantwortlichen haben die Zwergstädter hier einen Ort gestaltet, der allen offen steht, die zusammen mit den Jüngsten ein Festival besuchen wollen.
Katinka findet, man solle auch noch dabei sein dürfen, wenn man Kinder hat.
Als Mama von zwei kleinen Kindern weiß Katinka, wie schwierig das für Eltern sein kann. „Als mein erster Sohn geboren wurde, habe ich gemerkt, dass ich bei der Freizeitplanung oft außen vor war“, erzählt sie. „Ich finde, man sollte auch noch dabei sein dürfen, wenn man Kinder hat.“
Gemeinsam mit ihrem kreativen Mitstreiter Max Adam entwickelte sie die Idee für die Zwergstadt. Inzwischen leitet durch das Wunderland ein festes fünfköpfiges Team, ergänzt durch saisonale Kräfte, die allesamt an feuerroten Hüten zu erkennen sind. Die Zwergstadt bietet keine Kinderbetreuung, dafür aber einen Raum, in dem Kids aller Altersgruppen Spaß haben können – ohne dass die Grenzen fürs Spiel zu eng gesteckt werden.
Während die ganz Kleinen auf Decken über Berge aus Duploklötzen robben und ihre Eltern auf bunten Hockern entspannt am Kaffee nippen, fachsimpeln die Größeren am Legotisch nebenan über ihre Baukonstruktionen. „Kinder brauchen nicht das neueste, vermeintlich coolste Spielzeug. Sie haben selbst so viele eigene Ideen“, weiß Katinka.
Beim Kinderschminken sitzt deshalb auch kein Erwachsener, der extra dafür abgestellt wird, Pinsel und Schwämmchen zu schwingen. Stattdessen dürfen die Kids an einem langen Tisch mit Spiegeln selbst zu den Farben greifen. „Dadurch passieren ganz andere Dinge als beim üblichen Kinderschminken“, so Katinka. „Kinder schminken bei uns Kinder, Kinder schminken ihre Eltern. Und manche schminken statt des Gesichts zum Beispiel einfach ihr Bein.“ Ihre eigenen Kinder sind inzwischen sechs und acht Jahre alt – und schlüpfen zu Hause regelmäßig in die Rollen der Berater. Immerhin kennen sie die Zwergstadt von klein auf.
„Sie testen die meisten Sachen erst mal fachmännisch“, so Katinka mit einem Augenzwinkern. Für das musikalische Programm beim Kidzapalooza darf sie persönliche Empfehlungen aussprechen – das Booking selbst übernimmt das Team vom Lollapalooza. So lieferte 2018 zum Beispiel Bummelkasten, ein befreundeter Musiker der Zwergstadt, den Soundtrack für eine der berüchtigten Klopapierschlachten.
Die Spielstationen-Protagonisten wie Flohzirkusdirektorin Madame Zakapüs oder die Crew der Tomatenklang-Musikschule bringt Katinka ein, genauso wie das Herzstück der Zwergstadt: ein großes Spielmobil voller Bücher und Bastelmaterialien. „Manche Kinder verbringen alleine hier drei Stunden“, so Katinka über den bunten Truck, der in seinem früheren Leben ein Turnierpferdetransporter war.
Sie genießt die Freiheit, nur solche Angebote in die Zwergstadt aufzunehmen oder Partnerschaften zu schließen, von denen sie selbst überzeugt ist. Gerade ist das Team dabei, 90 Prozent des Bastelangebots auf Upcycling umzustellen. Ein großer Teil der Zwergstadt ist schon jetzt nachhaltig gestaltet. So stehen in einem Zelt lauter selbst bemalte alte Nachttischchen, die das Team gebraucht gefunden hat. Mit ein paar Handgriffen an Hammer und Säge und einem neuen Anstrich wurden sie in Spielküchen verwandelt.
Zukunftsmodell Zwergstadt – grenzenlos bunt, zunehmend nachhaltig.
Während des Festivals ist Katinka die ganze Zeit über mittendrin. In der Hand trägt sie ein Funkgerät. Schon seit Anfang der Woche hat sie ein Auge darauf, dass an diesem Wochenende alles läuft. „Manchmal ist der Job herausfordernd. Meine Hauptarbeitszeit fällt in die Sommerferien und auf die Wochenenden – wenn meine Kinder frei haben. Da gab es definitiv Zeiten, in denen ich gezweifelt habe, was ich hier eigentlich tue“, sagt sie.
„Aber am Ende ist die Zwergstadt genau der Job, den ich machen will. Oft, wie hier, kommen meine Kinder einfach mit zur Arbeit und haben Spaß. Das ist toll.“ Tatsächlich biegt kurz darauf ihr jüngerer Sohn um die Ecke. „Mama, wann hörst du auf zu reden?“, fragt er. „Komm jetzt mit.“ Und Katinka kommt.
Auch 2019 findet das Lollapalooza im Olympiastadion und Olympiapark Berlin statt und HIMBEER wird beim Kidzapalooza wieder vor Ort sein. Alle Veranstaltungen, bei denen Katinka und ihr Team sonst noch so mitmischen, findet ihr auf der Zwergstadt-Website: zwergstadt.de