Mit einem Schreibaby zu leben, ist eine Herausforderung. Unsere Autorin Andrea Zschocher hat das gleich drei Mal erlebt. Sie sagt: Eltern brauchen Unterstützung und sollten sich nicht schuldig fühlen.
Das Leben mit Baby malen wir Eltern uns in der Schwangerschaft ja unterschiedlich aus. Wir hoffen, dass es dem Kind gut gehen wird, dass wir viel kuscheln und diesem kleinen Wesen beim Großwerden zuschauen. Auch wenn wir alle wissen, dass die Welt mit Baby nicht sorgenfrei und rosarot ist, in aller Regel freuen wir uns auf die neue aufregende Zeit.
Erfahrungen mit Schreibaby
So ging es mir auch, und, nur, dass wir uns da nicht falsch verstehen, ich bin unendlich dankbar und froh, dass meine Kinder so sind wie sie sind. Aber auch heute noch denke ich manchmal, dass ich gern vorher gewusst hätte, wie das Leben mit Baby auch sein kann. Denn bei uns hieß das in erster Linie Geschrei. Und zwar monatelang.
Alle meine drei Kinder waren sogenannte Schreibabys. An das erste Jahr mit Baby habe ich bei allen dreien wenig Erinnerungen, alles ist überlagert von Geschrei, einem Gefühl tiefer Erschöpfung und der Sorge, dass ich Schuld an dem vielen Weinen sein könnte. Weil ich mein Baby nicht verstand, weil ich in der Schwangerschaft vielleicht doch zu gestresst war, weil ich keine gute Mutter für mein Kind war.
Das alles sind natürlich keine Gründe dafür, warum ein Baby überdurchschnittlich viel weint. Es hat aber bis zum dritten Kind gedauert, bis ich das verstanden habe.
Wie du dein Schreibaby beruhigst
Damit es anderen Eltern nicht so geht wie mir, habe ich „Wie du dein Schreibaby beruhigst“ geschrieben. In diesen Ratgeber fließen meine eigenen Erfahrungen ein, aber ich habe auch über 50 Eltern von Schreibabys befragt, was ihnen geholfen hat, was sie gern vorher gewusst hätten und wie es ihnen in dieser Zeit ging.
Ebenfalls zu Wort kommen viele Expertinnen, die sich aus unterschiedlichen Disziplinen mit viel weinenden Babys befassen. Und tatsächlich geht es in dem Ratgeber eher um euch Eltern und weniger um die Kindern, denn ich bin davon überzeugt, dass ihr euch so gut ihr es eben könnt um sie kümmert.
Im Buch räume ich mit vielen Mythen über Schreibabys auf, etwa der, dass eine vermeintlich falsche Ernährung (von Mutter und Baby) Schuld am Geschrei ist. Oder, dass ein Schreibaby nur dann als Schreibaby gilt, wenn es mindestens drei Stunden innerhalb von drei Tagen an mindestens drei Wochen schreit.
Wenn euch diese 3er-Regel hilft, super. Wenn ihr nach anderthalb Stunden Geschrei an eure Grenzen kommt, dann braucht ihr trotzdem Unterstützung. Wir Eltern sind unterschiedlich und können auch unterschiedlich gut oder schlecht mit dieser herausfordernden Zeit umgehen. Das ist total ok, schaut immer auf euch und nicht darauf, was vermeintlich normal ist.
Sprecht über eure Erfahrungen mit einem Schreibaby
Wie geht es euch, wenn der neue Mensch, der da gerade erst zu euch in die Familie gekommen ist, gefühlt ununterbrochen schreit? Vermutlich macht es vieles schwerer, das Kennenlernen, das Kümmern, vielleicht sogar die Freude übers Baby.
Darüber zu reden fällt vielen auch nicht so leicht. Das führt dazu, dass wir uns im Zweifelsfall aber keine Hilfe holen und keine (emotionale) Entlastung erfahren können. Oft heißt es, dass es früher ja gar keine Schreibabys gab. Das stimmt aber nicht.
Früher hat sich aber die Sorge ums Baby auf mehr Menschen verteilt, so dass es schneller Entlastung gab. Heute fehlt uns das oft zitierte Dorf, dass es braucht um ein Kind großzuziehen. Natürlich kommen wir schneller an unsere Grenzen und sind erschöpft, wenn wir als Kleinfamilie alle Sorge tragen und eben immer zuständig sind. Das ist für die allermeisten Eltern auf die ein oder andere Art herausfordernd, mit einem Schreibaby ist es aber vielleicht noch etwas intensiver.
Hilfe suchen mit Schreibaby
Deswegen mein dringender Appell an alle Eltern: Sucht euch Hilfe. Redet über eure Müdigkeit, über die Herausforderungen und auch über eure schlechten Gedanken. Das ist nicht leicht sich anderen gegenüber so sehr zu öffnen. Aber nur so gelingt es euch, andere ins Boot zu holen und für euch und euer Baby gut zu sorgen. Niemand kann euch helfen, wenn niemand weiß, wie es euch wirklich geht.
Geht es den Eltern gut, geht’s dem Kind gut, das stimmt nun mal, auch wenn ich den Spruch überhaupt nicht leiden kann. Wer gut für sich selbst sorgt, kann gut fürs Baby da sein. Und für euch selbst sorgt ihr, indem ihr euch unterstützen lasst.
Die ersten vierzig Tage – was junge Mütter nach der Geburt stärkt
Fragt nach kleinen Gefallen, wie dem Vorkochen einer Mahlzeit, der Beaufsichtigung des Babys während ihr in Ruhe duscht, danach, ob das Geschwisterkind mit von der Kita abgeholt werden kann, damit ihr nicht in Terminstress geratet. Bittet um die Erledigung eines Einkaufs oder Begleitung bei einem Arzttermin. Alles, was euch das Leben ein bisschen leichter macht und bei euch den Druck rausnimmt, ist gut.
Nicht jeder Rat ist ein guter Ratschlag
Wenn ihr euch Hilfe bei Expert:innen sucht, dann achtet auch hier auf euch. Nicht jedes Angebot passt für jede Familie. Wenn euch geraten wird, eure Babys schreien zu lassen, wenn euch gesagt wird, euer Kind würde euch manipulieren, dann sucht euch Unterstützung, die besser passt.
Babys sind zur Manipulation nicht fähig.
Sie weinen so exzessiv, weil sie euch brauchen, eure Nähe, eure Zuwendung, ihren sicheren Hafen. Und dieses Dasein, das kostet unglaublich viel Kraft.
Ich erinnere mich, dass ich irgendwann kurz vorm Umkippen war, weil ich dachte, ich müsste mich Tag und Nacht allein ums Kind kümmern. Totaler Quatsch, auch der erwerbstätige Teil eurer Familie kann und muss nachts unterstützen. Ich holte meinen Mann mit ins Boot und es wurde tatsächlich ein bisschen leichter, weil ich wusste, ich muss da nicht allein durch.
Ich bekam nachts hin und wieder etwas mehr Schlaf, wir Eltern waren am nächsten Morgen gleich gerädert. Aber es entwickelte sich auch eine große Nähe aus dieser gemeinsamen Zeit, an der wir bis heute festhalten.
Erinnert euch an gute Zeiten
Ich wünsche euch alle Unterstützung dieser Welt für diese herausfordernde, kräftezehrende Zeit, die ihr vermutlich nie wieder vergessen werdet. Und ich wünsche euch, dass ihr trotz all der Anstrengungen das Lachen nicht vergesst, denn auch wenn es sich so anfühlt: Es ist da mehr als nur Geschrei.
Wir Eltern von Schreibabys müssen vielleicht ein wenig länger nachdenken, bis uns auch schöne Momente mit unseren viel weinenden Babys einfallen, aber sie sind da. Und sie sind es wert, gefeiert zu werden. Klopft euch ab und zu selbst anerkennend auf die Schulter. Was ihr leistet ist unglaublich.
Wie du dein Schreibaby beruhigst – das Buch
Andrea Zschocher: Wie du dein Schreibaby beruhigst. Die besten Tipps und Strategien für zufriedene Babys und gelassene Eltern, broschiert, 192 Seiten, TRIAS, 03/2021, 14,99 Euro. Bei eurem Lieblingsbuchhändler vor Ort, bei genialokal, dem Onlinehandel der Buchhandlungen, oder bei Amazon bestellbar