In seinem Dokumentarfilm "Das Prinzip Montessori – Die Lust am Selber-Lernen", der seit dem 6. September 2018 in den deutschen Kinos läuft, erweckt Alexandre Mourot mit seinen Bildern die Pädagogik Maria Montessoris zum Leben. Wir trafen ihn zum Interview in Berlin-Köpenick.
„Ich wusste nicht, wo die Reise hingeht, als ich mit den Dreharbeiten begann“, gesteht Mourot in der Freien Montessori Schule in Berlin-Köpenick. Die Schule stellt die perfekte Kulisse für das Gespräch über einen Film dar, der selbst 100 Minuten lang in einem solchen Raum spielt. Zum Interview sitzen wir in einem hellen freundlichen Raum mit niedrigen Stühlen und Tischen und jede Menge Materialien.
Im Film sehen wir 28 Kinder im Alter von zweieinhalb bis sechs Jahren beim Spielen oder Arbeiten mit eben diesen Materialien zu, den Gläsern, den Teppichen, die aufgerollt werden, den Buchstaben, den Büchern. Zu diesen langen Einstellungen mit den Kindern sind anfangs kurze Eindrücke und Beobachtungen des Filmemachers im Off zu hören, dann sind es Texte von Maria Montessori, in denen die Philosophie dieser Pädagogik deutlich wird. Grundsätzliches, das bei den Kindern, die die Dokumentation in ihrem Alltag des Lernens zeigt, sichtbar wird.
Als Vertreter seiner Zunft filmte er seine Tochter bei jeder Gelegenheit.
Als Mourot anfing, in Frankreichs ältestem Montessori-Kinderhaus in Roubaix zu drehen, hatte er keine Ahnung von Montessoris Lehren, kannte die Kinder nicht und wusste nicht, was ihn erwartete. Wie so oft bei solchen Projekten, gab es auch hier eine Initialzündung: Die Geburt seines ersten Kindes. Als Vertreter seiner Zunft filmte er seine Tochter bei jeder Gelegenheit. Als sie zu laufen beginnt und alles entdecken möchte. Er beobachtet sie durch die Kamera und greift auch nicht ein, als sie droht von der Leiter zu fallen. Es sind diese Momente des eigenständigen Lernens, die ihn faszinieren, und er beginnt sich für die reformpädagogischen Ideen Maria Montessoris (1870 – 1952) zu interessieren.
Somit überträgt Mourot quasi das Prinzip der Montessori-Pädagogik auch auf das Medium des Dokumentarfilms.
Einen Montessori-Lehrgang und 100 Stunden Drehmaterial später erklärt der Filmemacher, dass die Pädagogik Montessoris für ihn keine Methode sei, sondern vielmehr die Teilnahme an der Entwicklung des Kindes. Der Erwachsene soll das Kind in erster Linie beobachten und dabei bescheiden und demütig sein. Es ist die Perspektive des beobachtenden Erziehers, die Mourot hier einnimmt, und er lädt den Zuschauer dazu ein, es ihm gleich zu tun. Somit überträgt Mourot quasi das Prinzip der Montessori-Pädagogik auch auf das Medium des Dokumentarfilms. Die Kinder nehmen ihn kaum wahr, was ihm auch deshalb gelingt, weil er Ein-Mann-Team ist. Er ist Regisseur, Kamera- und Tonmann in einer Person.
Mourot suchte sich bestimmte Kinder heraus, deren Persönlichkeit ihn inspirierte, und filmte drauf los. Es sind lange Einstellungen, die unseren Sehgewohnheiten widersprechen. Das strengt an und wirkt auch erst einmal langweilig. Durchhalten lohnt sich aber. Denn gibt es etwas Schöneres, als ein Erfolgserlebnis hautnah mitzuerleben. Zum Beispiel als Géraud zum ersten Mal Reis aus einem kleinen Krug in einen anderen gießt. Es sind Momente reinen Glücks, die wir hier miterleben dürfen.
„Am meisten hat mich überrascht, dass Kinder derartig in alltägliche Tätigkeiten versinken können“, gesteht Mourot. In unserer schnelllebigen Welt neigten wir alle viel zu sehr dazu, Dinge nur oberflächlich zu überfliegen. Diese Intensität der Beschäftigung hat aber auch damit zu tun, dass die Kinder die Freiheit hätten, auszusuchen, womit sie sich beschäftigen wollen. „Ich habe mich in der Schule gelangweilt. Das wäre anders gewesen, hätte ich diese Freiheit auch gehabt“, glaubt Mourot.
Als er keine Geldgeber findet, finanziert er das Projekt über Crowdfunding.
„Hilf mir, es selbst zu tun“ und „Eine vorbereitete Umgebung und der vorbereitete Erzieher oder Lehrer sind das praktische Fundament unserer Erziehung“ sind für Mourot die zentralen Lehrsätze der „Montessori“-Pädagogik. „Was mich dabei am meisten fasziniert hat beim Drehen, war der respektvolle Umgang mit den Kindern, mit der Persönlichkeit der Kinder“, erklärt Mourot.
All das, was er in diesen drei Jahren erlebt hat, habe im absoluten Gegensatz zu seinen herkömmlichen Ideen von frühkindlicher Bildung gestanden. Diese Botschaften durch seinen Film in die Welt hinauszutragen, ist ihm sehr wichtig. Als er keine Geldgeber findet, finanziert er das Projekt über Crowdfunding.
Weltweit gibt es mittlerweile über 40.000 Montessori-Einrichtungen, in Deutschland sind es etwa 1000, aufgeteilt in rund 300 Grundschulen und 100 weiterführende Schulen. Kindertagesstätten (Kinderhäuser), die nach den Prinzipien der Montessori-Pädagogik arbeiten, gibt es etwa 600. Nicht zuletzt aufgrund der aktuellen Bildungsdebatte scheinen Eltern, Lehrer und Politiker die Montessori-Pädagogik, die mittlerweile über 100 Jahre alt ist, nun wiederzuentdecken. So wurden in den letzten 15 Jahren so viele Montessori-Schulen gegründet wie noch nie und auch in den Regelschulen insbesondere im Grundschulbereich wurden mittlerweile viele der pädagogischen Ansätze nach Montessori in die Bildungskonzepte aufgenommen.
„Mein Film ist ein Beweis dafür, dass das Prinzip Montessori funktioniert.“
Mourot ist ein begeisterter Verfechter von der Methode Montessori und wendet sie auch privat als mittlerweile zweifacher Vater an. Er sähe es gern, wenn staatliche Kindergärten und Schulen in Europa komplett auf die Montessori-Pädagogik umsteigen würden. Sein Argument: „Mein Film ist ein Beweis dafür, dass das Prinzip Montessori funktioniert.“
Mehr Infos zum Film in unserem
Filmtipp
Der Film läuft in München noch bis zum 24.09.2018 in verschiedenen Kinos.
Auf der Seite des Filmverleihs gibt es einen Kinofinder, weitere Informationen zum Film und den Trailer: www.das-prinzip-montessori.de
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