Sie hat unsere Titelgeschichte „Bilder einer Geburt“ fotografiert. Aber wie läuft das eigentlich ab bei so einer Geburtsreportage und was bedeuten die Bilder den Familien? Ein Gespräch mit Cindy Villmann über Standby-Modus, Erinnerungslücken und unbezahlbare emotionale Momente.
Ästhetische Geburtsfotografie – was für manchen zunächst wie ein Widerspruch klingen mag, hat Cindy nicht nur in unserer „Bilder einer Geburt“-Geschichte verwirklicht. Werdende Eltern können sich bei der Geburt ihres Kindes von der erfahrene Familienfotografin begleiten lassen.
Liebe Cindy, stell dich doch bitte kurz vor.
Ich bin zusammen mit meinem Lebenspartner Kay als Fotografin selbstständig, zusammen sind wir Cindy und Kay Familienfotografie. Wir sind sozusagen ein Team in allen Lebenslagen. Beruflich wie privat, auch als Eltern von zwei wundervollen Mädchen.
Wir begleiten sonst zu zweit Familien in ihrem Alltag, in allen Lebenssituationen, in Form von Familienreportagen. Das heißt in ihrem ganz normalen Alltag, wie Familie halt so ist. Zum Beispiel begleiten wir einen normalen Morgen am Wochenende vom Aufstehen, Rumtoben, noch im Schlafanzug herumlaufen, kuscheln, spielen, Frühstück machen, einer geht Brötchen holen, Tisch decken bis zum gemeinsamen Frühstücken.
Wir bilden alles ab, was zum Familienleben dazu gehört, auch Haare kämmen, Zähne putzen, abwaschen. Alles, mit allen Emotionen, auch mit Streit, mit keine Lust haben, wir wollen einfach echte Bilder zeigen. Es gibt bei uns die Familienreportage in der Schwangerschaft mit Babybauch oder nach der Geburt im Wochenbettzeit, bei denen Momente aus der Schwangerschft oder dann eben mit dem Neugeborenen in der Familie festgehalten werden.
Und ich alleine begleite darüber hinaus auch noch Frauen oder Paare – die sich das wünschen – während der Geburt.
Wie läuft das ab bei einer Geburtsreportage?
Vorher treffe ich mich mit der werdenden Mutter und ihrem Partner oder ihrer Partnerin zum persönlichen Kennenlernen und Absprechen, damit auch das Vertrauen da ist. Falls wir uns nicht eh schon kennen, weil wir sie schon vorher als Familie begleitet haben.
Bei der Geburtsreportage stehe ich wie eine Hebamme auf Standby. Die werdenden Eltern geben mir schonmal Bescheid, wenn sie das Gefühl haben, dass es bald losgehen könnte. Und dann, wenn sie sich auf den Weg zum Krankenhaus machen oder bei Hausgeburten, die Hebamme auf den Weg zu ihnen macht, geht es auch für mich los.
Ich bleibe dann dabei, während der ganzen Geburt. Ich bin da als stille Beobachterin, nehme alle Situationen, Emotionen auf und bleibe auch bis zu zwei Stunden danach da, wenn das Baby auf der Welt ist.
Wie bist du zur Geburtsfotografie gekommen?
Es war eine Mischung aus allem. Durch die Begleitung von Familien in verschiedenen Lebenssituationen lag es nahe, sie auch in diesem besonderen Moment zu begeleiten. Ich finde, für mich als Fotografin ist es das Emotionalste und das Unplanbarste, was man fotografieren kann.
Ich habe es mir bei der Geburt unserer zweiten Tocher selbst gewünscht. Denn es hatte mir nach der Geburt meiner ersten Tochter gefehlt, Bilder vom ersten Moment mit ihr direkt nach der Geburt, aber eigentlich auch Bilder davon, was während der Geburt war. Klar, wir sind beide Fotografen, doch da greifen wir dann nicht selbst zur Kamera, sondern sind in dem Moment.
So haben wir uns bei der zweiten Geburt für einen Geburtsfotografen entschieden. Ich fand die Bilder da schon etwas ganz Besonderes, etwas ganz Spezielles, etwas Einmaliges. Ich habe mich aber nicht gleich selbst als Fotografin daran getraut. Bis mich eine Mama schließlich direkt gefragt hat, bei der Begleitung mit Babybauch, ob ich nicht auch bei der Geburt mit der Kamera dabei sein könnte.
Das war dann die erste Geburtsreportage, gleich eine Hausgeburt. Es war sehr, sehr aufregend. Und sehr schön, dabei zu sein und es mitzuerleben, aber auch die Reaktionen danach auf die Bilder.
Hast du nicht manchmal während der Geburt das Gefühl, du störst?
Ich hatte bislang noch nie das Gefühl, dass ich irgendwo gestört habe. Wir besprechen das ja auch vorher. Auch wenn die Hebamme meint, es sei besser, ich würde jetzt mal rausgehen, dann mache ich das natürlich. Genauso wie es jederzeit okay ist, wenn die Frau oder das Paar das Gefühl haben, für einen kurzen oder längeren Moment mal alleine sein zu wollen. Dann gehe ich raus und bleibe auf Standby.
Wichtig ist die offene und ehrliche Basis von Anfang an, das beruhigt, glaube ich. Aber es ist ja auch so, dass die Frauen, die sich schlussendlich für eine Geburtsreportage entscheiden, das ganz bewusst tun und das auch wollen. Ich habe noch nie erlebt, dass ich als störend empfunden wurde, ganz im Gegenteil, teilweise sogar als beruhigend.
Ich bin ja selbst Mama, habe zwei Geburten selbst erlebt, inzwischen einige begleitet, so kann ich auch mal unterstützend wirken. Auch wenn das immer ein schmaler Grat ist, ich bin ja keine Hebamme, aber ich bin trotzdem da.
Wie ist für dich, falls es mal Komplikationen bei einer Geburt gibt?
Ich würde jetzt lügen, wenn ich sagen würde, dass ich das total abschalten könnte in so einem Fall, das ginge nicht. Aber das Wissen ist bei mir da, dass es vorkommen kann. Bei einer Hausgeburt kann es sein, dass ins Krankenhaus verlegt werden muss. Da komme ich dann mit, auch wenn es zu einem Kaiserschnitt kommt.
Da bin ich natürlich nicht direkt dabei, aber davor und danach und begleite auch das. Das gehört dann zu dieser Geburt dazu, auch wenn man es sich anders gewünscht hat.
Was ist für dich der Unterschied zwischen der Geburtsfotografie bei einer Hausgeburt oder einer Klinikgeburt?
Ich kann nicht sagen, dass ich das eine lieber als das andere mache. Ich gehe immer neutral, immer mit Herz daran, egal, wo die Geburt stattfindet. Die Frau entscheidet sich ja bewusst oder aus bestimmten Gründen für den Geburtsort und das akzeptiere ich auch voll.
Ich freue mich über jede Geburt, die ich begleiten darf. Jede Geburt hat ihr ganz eigenes Flair, jede Frau, jedes Paar, jedes Baby. Und ja, der Ort spielt schon eine wichtige Rolle für die Frau, für mich, für die Fotografie eher weniger.
Meine Erfahrungen in den Kliniken waren bislang durchweg gut, die Hebammen der Geburtsfotografie gegenüber aufgeschlossen, die Kommunikation meist herzlich und offen. Die Frauen sprechen das aber auch immer vorher ab, dass ich dabei sein werde.
Zu Hause ist es natürlich etwas anderes, es ist viel privater für die Familien. Die Räume sind zu Hause schöner, aber ich achte auch bei den Klinikgeburten darauf, dass ich gute Perspektiven wähle, dass es einfach stimmig ist. Mir ist es wichtig, dass die Bilder authentisch, aber auch schön sind. Wenn es eine Klinikgeburt ist, dann kann und sollte man das auf den Bilder nicht verstecken, aber eine gute Blickrichtung macht schon viel aus.
Was bedeuten die Geburtsbilder den Familien?
Die Bilder erzählen eine Geschichte. Beim Fotografieren gucke ich, dass ich einen Ablauf drin habe. Ich fotografiere dann auch mal die Uhr, den Wechsel von einem Raum zum anderen, wenn Zeit ist, auch mal das Krankenhaus von außen. Das Paar bekommt ja gar nicht alle Situationen und Abläufe rund um die Geburt mit, die halte ich ebenfalls fest.
Das Gefühl für die Dauer und Chronologie kann sich in der Erinnerung an die Geburt total verschieben, es gibt Erinnerungslücken und die Bilder helfen, sich zu erinnern. Das ist der Grund, dass die Familien von uns einen kompletten Ablauf bekommen. Zuerst kriegen sie von uns ein kleines Video mit den schönsten Bilder und Musik mit einem Link, dass sich die Bilder anschauen können. Das ist meist schon ein ziemlich emotionaler Moment. Und dann etwas später eine Box mit dem Stick mit allen Bildern.
Ich würde nicht sagen, dass die Bilder helfen, die Geburt zu verarbeiten, das ist vielleicht nicht das richtige Wort, aber es nochmal durchzugehen, was da war, um Lücken zu schließen. Und natürlich auch, als Frau sich selbst zu sehen. Wir sind ja unter der Geburt emotional alles, von Wut über kraftlos über volle Kraft, alle Emotionen durch. Wie kraftvoll wir Frauen sind! Auch die Emotionen zwischen den Eltern werden sichtbar und der erste Moment mit dem Neugeborenen.
Ist die Geburtsfotografie in Deutschland noch unbekannter als in anderen Ländern?
In anderen Ländern ist es schon eher gang und gäbe, dass bei der Geburt gefilmt und fotografiert wird. Es ist aber bei uns leider immer noch eher unbekannt und wenn ich darüber ins Gespräch komme, haben die meisten sofort krasse Bilder im Kopf. Dass die Bilder einer Geburt aber authentisch und trotzdem ästhetisch und stilvoll sein können, erkennen aber viele, wenn ich ihnen Bilder zeige.
Ich würde Frauen wünschen, dass sie sich das gönnen. Es ist aber natürlich auch eine Budgetfrage, wenngleich keine:r der Geburtsfotograf:innen, die ich kenne, es des Geldes wegen macht. Man kann es ja nicht planen oder nach Stunden abrechnen. Den eigentlichen Arbeitswert könnte man nicht bezahlen, aber es ist für alle eine unbezahlbare emotionale Erfahrung.
Mehr über Cindys Geburtsfotografie und die Familienreportagen von Cindy & Kay seht und erfahrt ihr unter cindyundkay.de
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