Endlich Urlaubszeit! Und wir wünschen uns nichts mehr, als faul in der Nachmittagshitze zu liegen und mal wieder ein richtig gutes Buch zu lesen. Fünf Empfehlungen – ausnahmsweise mal keine Kinderbücher, sondern richtig gute Lektüre für Erwachsene – wollen wir euch hiermit ans Herz legen.
Meistens reicht es im Alltag ja doch nur für drei, vier Seiten am Abend, bevor man das Buch wieder zuklappt oder das Aufschlagen gar nicht erst schafft. Wenigstens im Urlaub soll sich das jetzt mal ändern! Also Podcasts und Netflix bitte ausmachen und dafür diese großartigen Leseerlebnisse nicht verpassen – unsere Lesetipps für den Sommer!
Lesetipps für die Urlaubszeit
Von Altem und Neuem
Ferien-Lesetipps No.1: Judith Hermann: Daheim, gebunden, 192 Seiten, Fischer Verlag, 04/2021, 21 Euro, bei eurem Lieblingsbuchladen vor Ort, bei genialokal*, dem Onlinehandel der Buchhandlungen, oder bei Amazon* bestellbar
Über 20 Jahre ist es schon her, dass Judith Hermann mit „Sommerhaus, später“ der literarische Durchbruch gelang. Mit ruhiger Sprache und genauem Blick führte Hermann die Leser:innen damals ganz nah an die Protagonist:innen ihrer Erzählungen heran, die im Berlin der 90er Jahre seltsam verloren durch die Stadt streifen. Nicht umsonst rief Helmuth Karasek sie nach ihrem Debüt als Stimme einer Generation aus.
hr neuer Roman „Daheim“ beeindruckt wieder einmal mit einer ihr ganz eigenen Sprache, bei der jedes Wort an der richtigen Stelle sitzt und nichts überflüssig ist. Von der ersten Seite an ist man ganz nah an der Protagonistin, die ihr altes Leben hinter sich lässt und etwas Neues beginnen will. Sie zieht allein in ein Haus am Meer, erlebt neue Freundschaften und versucht sich in einer Affäre. Ihrem Exmann schreibt sie kleine Briefe über ihr neues Leben.
Leise und trotzdem voller Kraft erzählt Hermann nicht nur die Geschichte einer Frau, die einen Neuanfang wagt, sondern stellt auch die großen Fragen: Wer bin ich? Und wer wäre ich gewesen, wenn ich andere Entscheidungen getroffen hätte?
Aufbruchszeit
Ferien-Lesetipps No.2: Lutz Seiler: Stern 111, gebunden, 528 Seiten, Suhrkamp, 03/2020, 24 Euro, bei eurem Lieblingsbuchladen vor Ort, bei genialokal*, dem Onlinehandel der Buchhandlungen, oder bei Amazon* bestellbar
Zahlreich und ausführlich wurden Mauerfall und Wendezeit literarisch bearbeitet, selten jedoch so gelungen wie in Lutz Seiler es in seinem Roman „Stern 111“ getan hat. Zwei Tage nach dem Fall der Mauer verlassen Inge und Walter Bischoff ihr altes Leben – die Wohnung, den Garten, ihre Arbeit und das Land. Ihre Reise führt die beiden Fünfzigjährigen weit hinaus: Über Notaufnahmelager und Durchgangswohnheime folgen sie einem lange gehegten Traum, einem „Lebensgeheimnis“, von dem selbst ihr Sohn Carl nichts weiß.
Carl wiederum, der den Auftrag verweigert, das elterliche Erbe zu übernehmen, flieht nach Berlin. Er lebt auf der Straße, bis er in den Kreis des „klugen Rudels“ aufgenommen wird, einer Gruppe junger Frauen und Männer, die dunkle Geschäfte, einen Guerillakampf um leerstehende Häuser und die Kellerkneipe Assel betreibt. Im U-Boot der Assel schlingert Carl durch das archaische Chaos der Nachwendezeit, immer in der Hoffnung, Effi wiederzusehen, die Liebe seiner Jugendtage.
Nicht umsonst wurde Seilers Roman mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet, der es vermag, den:die Leser:in in eine Zeit der Orientierungslosigkeit zu versetzen und das nachkriegsgezeichnete graue Berlin im Kopf wieder auferstehen zu lassen. Eine wunderbare und zarte Familiengeschichte und ein grandioses Zeitenporträt.
Die nackte Menschlichkeit
Ferien-Lesetipps No.3: Juli Zeh: Über Menschen, gebunden, 416 Seiten, Luchterhand, 03/2021, 22 Euro, bei eurem Lieblingsbuchladen vor Ort, bei genialokal*, dem Onlinehandel der Buchhandlungen, oder bei Amazon* bestellbar
Wenn man das Buch nicht mehr weglegen kann und die Seiten verschlingt, handelt es sich oft um ein Werk von Juli Zeh. Schon ihr Roman „Unterleuten“ war ein riesiger Erfolg, und auch „Über Menschen“ widmet sich wieder der brandenburgischen Provinz und ihren vermeintlichen Abgründen.
Doch während sich in „Unterleuten“ die Bewohner:innen noch gegenseitig verdächtigten und zerfleischten, werden in „Über Menschen“ andere Töne angeschlagen. Zermürbt vom Lockdown und frisch getrennt von Robert, der als Verfechter der Corona-Maßnahmen immer fanatischer wird, zieht Dora nach Bracken, einem kleinen Dorf im Nirgendwo ohne Nahverkehr.
Hier sucht sie Stille und eine Weg aus der ständigen Unruhe, die sich immer weiter in sie frisst. Doch dann taucht ihr Nachbar auf, der kahlrasiert und biertrinkend im Garten das Horst Wessel-Lied grölt. Ein Klischee, wie es plakativer nicht sein kann, doch die Ereignisse zwingen Dora dazu, über das hinaus zu gehen, was sie über sich und andere zu wissen meint.
Auf die Lesenden wartet keine Abhandlung über links und rechts oder Stadt und Land, vielmehr gelingt Juli Zeh hier Erstaunliches: Nichts als die nackte Menschlichkeit jenseits aller Kategorien bleibt am Ende übrig und zerreißt einem fast das Herz.
Roadtrip durch die USA
Ferien-Lesetipps No.4: Benedict Wells: Hard Land, gebunden, 352 Seiten, Diogenes, 02/2021, 24 Euro, bei eurem Lieblingsbuchladen vor Ort, bei genialokal*, dem Onlinehandel der Buchhandlungen, oder bei Amazon* bestellbar
Mit seinem neuesten Werk hat Benedict Wells die perfekte Lektüre für flirrende Nachmittagshitze geschrieben. „Hard Land“ nimmt die Leserschaft mit auf einen echten Road Trip durch die USA, bei dem es um Identität, Liebe und das Erwachsenwerden geht.
Missouri, 1985: Um vor den Problemen zu Hause zu fliehen, nimmt der fünfzehnjährige Sam einen Ferienjob in einem alten Kino an. Und einen magischen Sommer lang ist alles auf den Kopf gestellt. Er findet Freunde, verliebt sich und entdeckt die Geheimnisse seiner Heimatstadt.
Zum ersten Mal ist er kein unscheinbarer Außenseiter mehr. Bis etwas passiert, das ihn zwingt, erwachsen zu werden. Eine Hommage an 80’s Coming-of-Age-Filme wie „The Breakfast Club“ und „Stand By Me“ – am Besten mit der dazugehörigen Playlist auf Spotify lesen!
Zeitreise
Ferien-Lesetipps No.5: James McBride: Der heilige King Kong, gebunden, 448 Seiten, btb, 03/2021, 22 Euro, bei eurem Lieblingsbuchladen vor Ort, bei genialokal*, dem Onlinehandel der Buchhandlungen, oder bei Amazon* bestellbar
Die ruhigen Tage scheinen gezählt in der kleinen Baptistengemeinde „Five Ends“ im Süden Brooklyns. An einem warmen Septembertag im Jahr 1969 tritt der alte Diakon Cuffy Lampkin, genannt „King Kong“, mit einer Waffe auf den zentralen Platz seines Sozialbauviertels, hält sie vor aller Augen dem hiesigen Drogendealer ins Gesicht – und drückt ab.
Ausgerechnet King Kong, der keiner Fliege etwas zuleide tun kann. Wie konnte es dazu kommen? Schnell zeigt sich, dass sich die Schicksale aller Gemeindemitglieder – der Afroamerikaner:innen wie der Latinos:Latinas, der abgehalfterten Mafiosi wie der korrupten Cops – in dieser unvorstellbaren Tat überkreuzen.
Und dass himmlische Gerechtigkeit und Strafe manchmal eine ziemlich irdische Angelegenheit sind … James McBride neuer Roman ist ein Meisterwerk, wer es einmal anfängt, kann es nicht mehr aus der Hand legen.
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