In vielen Familienwohnungen ist der Platz begrenzt, die Bedürfnisse umso zahlreicher. Wie man den verschiedenen Ansprüchen an Nachhaltigkeit, Design, Ordnung und Raum zum Spielen, Arbeiten, Zurückziehen gerecht werden kann, haben wir Kinderdesign-Expertin Katja Runge gefragt.
Katja empfiehlt uns regelmäßig sinnvolle und nachhaltige Spielprodukte, Wohnaccessoires und Kindermöbel von internationalen Designer:innen und inhaber:innengeführten Marken, die sich verantwortungsvoll und kreativ der Gestaltungswelt für Kinder widmen. Hier haben wir sie zum Thema Einrichten mit Kindern befragt.
Wie kann man Kinderzimmer nachhaltig einrichten?
Beobachtest du einen Wandel in der Kindermöbelbranche hin zu mehr Nachhaltigkeit?
Ja, immer mehr Eltern und auch Händler:innen legen Wert darauf, nachhaltig agierende Marken zu kaufen. Doch machen wir uns nichts vor. Neben den Vorreiter:innen in der Kindermöbelbrache – oftmals inhaber:innengeführte, kleine Labels, die bereits seit vielen Jahren verantwortungsvoll und nachhaltig agieren – gibt es viele große Namen, die jetzt auf den „Zug“ aufspringen wollen.
Nachhaltigkeit ist notwendig und macht sich hübsch im Marketing. Doch wenn beim Einkauf der Materialien trotzdem zuallererst auf den Einkaufspreis geschaut wird und nicht darauf, unter welchen Bedingungen das Material gewachsen oder hergestellt wird, ist Nachhaltigkeit mehr ein guter Wunsch, denn Realität.
Für mich fängt Nachhaltigkeit mit einer klaren, überprüfbaren Transparenz an. Die Lebensmittelbranche macht es uns vor. Gerade bei Produkten für Kinder, die sich noch nicht selber schützen können, sollte es das Ziel sein, transparent und offen über alle verwendeten Materialien und die Art und Weise der Herstellung zu berichten. Sodass Kund:innen aufgeklärte Entscheidungen treffen können.
Woran erkennt man nachhaltig und fair produzierte Kindermöbel?
An der Qualität des Materials, an der Herkunft des Materials und dem Herstellungsort und an der Frage, wer das Möbel produziert hat. Ein Beispiel: Ein mitwachsender Schreibtisch für Kinder aus Massivholz, mit Holz aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern in Deutschland oder Österreich, welcher in einer lokalen Schreinerei gefertigt wird, ist nachhaltiger als jedes Möbel, das aus Asien nach Europa transportiert wird.
Prinzipiell gilt: Je lokaler das Kindermöbel produziert wird, je lokaler der Bezug der nachwachsenden Materialen erfolgt, desto nachhaltiger ist das Möbel. Wichtig ist auch – um Schadstoffe zu vermeiden – zu schauen, ob das Holz unbehandelt, gewachst oder geölt ist.
Ein Anhaltspunkt sind auch Qualitätssiegel wie das TÜV-Siegel; das omnipräsente FSC-Siegel zertifiziert, ob das Holz aus umweltgerechten, sozial verträglichen und ökonomisch sinnvoll bewirtschafteten Wäldern stammt; das Öko-Kontroll-Schadstoff-Prüfsiegel bestätigt, dass ein Möbelstück schadstoffarm, natürlich, nachhaltig, hochwertig und in Deutschland oder dem nahen europäischen Ausland hergestellt wurde.
Das GS-Zeichen steht für „Geprüfte Sicherheit“ und bestätigt, dass die Möbel den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Und sobald ein „Blauer Engel“ auf einem Kindermöbel abgebildet ist, bedeutet das: Hier wurden keine Schadstoffe und Chemikalien, dafür aber Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft oder Althölzer verwendet. Als strengster Nachweis für geprüfte Möbelqualität in Europa gilt das RAL-Siegel.
Was sind die aktuellen Trends im Kinderdesignbereich?
Ich beobachte, dass sogenannte Bewegungsmöbel bei jungen Eltern beliebter werden: Möbel, die an die Lehren von Emmy Pickler oder Maria Montessori angelehnt sind. Und die Bewegungsimpulse und körperliche Entdeckungsfreude der Kinder anregen.
Weil in der Pandemie Kinder und Eltern mehr Zeit zu Hause verbringen, können die Möbel ein kleiner Ersatz für die „Draußen-Zeit“ sein. Außerdem steigt das Bewusstsein für mitwachsende Kindermöbel, seien es Kinderbetten oder Schreibtische und multifunktional einsetzbare Spielmöbel.
Ab wann braucht ein Kind ein eigenes Zimmer?
Meine Erfahrung ist, dass ein Kind ein eigenes Zimmer nicht vor dem dritten Lebensjahr benötigt. In den ersten drei Jahren hält es sich am liebsten bei seinen Bezugspersonen auf. Meistens sind das ja die Eltern, auf oder die Geschwister, mit ihnen schläft es gerne auch im gleichen Zimmer.
Ab dem dritten/vierten Lebensjahr wächst die Autonomie. Die Kinder beginnen, auch alleine zu spielen, bzw. fangen schon an, sich längere Zeit alleine in einem Raum aufzuhalten.
Dann macht ein Kinderzimmer auch Sinn und je nachdem wie groß das Zimmer ist, empfehle ich neben dem – idealerweise – mitwachsenden Kinderbett ein Regal für Bücher, Spielsachen etc. einen Schrank oder eine Kommode für die Kleidung, einen zurückhaltend gestalteten Teppich, der zum Spielen einlädt, gutes Licht und wenn noch Platz ist, ein multifunktionales Spielmöbel. Ab dem Schulalter kann dann auch ein mitwachsender Schreibtisch einziehen.
Wie verändern sich die Bedürfnisse, wenn die Kinder älter werden?
Das Bedürfnis nach Rückzug und der Wunsch nach eigenen Gestaltungsmöglichkeiten steigert sich zügig ab dem fünften/sechsten Lebensjahr. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es sinnvoll ist, die Wände so zu gestalten, dass die Kinder diese unkompliziert mit eigenen Bildern, Plakaten oder Fotos verändern können.
Auch die Möbel sollten mit dem Hintergedanken erworben werden, dass sich Geschmäcker und Vorlieben schnell ändern. Von einem rosafarbenen Prinzessinnenbett rate ich ab. Vielmehr sollte in langlebige, mitwachsende und zurückhaltend gestaltete Möbel investiert werden, die über viele Jahre die Kinder begleiten.
Je länger – je nachhaltiger! Und für den Rückzug helfen ein Sitzsack, Spielmatten, Kissen, Tücher oder eine Kuschelecke.
Stichwort mitwachsend – was empfiehlst du: Bei welchen Möbeln ist es sinnvoll, worauf sollten Eltern bei der Auswahl achten?
Hier liegt meine Empfehlung auf einem mitwachsenden Kinderbett, welches der Nachwuchs ab Geburt bis zum zehnten/zwölften Lebensjahr begleiten kann. Das spart Material und vermindert den ökologischen Fußabdruck wegen geringerem Herstellungsaufwand und Transportkosten. Zudem spart es auch Zeit und finanzielle Ressourcen der Eltern.
Ein qualitativ hochwertiges Kinderbett – zur Geburt oder vor dem Umzug in das eigene Bett erworben – und bis zum zehnten/zwölften Lebensjahr genutzt, kann im Anschluss auch weitergegeben oder verkauft werden. Sinn macht auch ein mitwachsender Kinderschreibtisch, der bis zum Jugendalter oder darüber hinaus mitwächst und das Kind begleitet.
Bei beiden Möbeln sollte auf natürliche, nachwachsende Materialien und eine qualitativ hochwertige Herstellung in Deutschland geachtet werden. Was mir persönlich noch am Herzen liegt, ist die bewusste Frage: Kaufe ich bei einer inhaber:innengeführten, unabhängigen Marke, die ihre Produkte vom Einkauf des Materials bis zum Versand genau kennt oder bei großen, anonymen Hersteller:innen?
Gerade nach den Erfahrungen der Pandemie – was sind deine Tipps um Bewegungsmöglichkeiten ins Kinderzimmer zu bringen?
Yoga mit Kindern. Dafür braucht es „nur“ einen Teppich oder eine Matte. Für kleinere Kinder eignen sich auch Bewegungsmöbel, wo geklettert und balanciert werden kann. Voraussetzung hierfür ist jedoch genügend Platz im Zimmer.
Und neben Yoga möchte ich für die kleineren Kinder noch den Bilibo empfehlen. Das Multifunktionsspielzeug zum Bewegen, Spielen, Toben sowie das.Brett für alle ab sechs bis 99 Jahre eignet sich zum Wippen, Bewegen und Balancieren. Last but not least: Wer entspannt mit seinen Möbeln und Stühlen zu Hause umgeht, kann den Kindern auch eine Bewegungsbaustelle bauen – im Flur, dem Wohnzimmer oder in der Küche. Meine Tochter hat das über viele Jahre geliebt.
Wunsch bei vielen Familien: nicht permanent im Chaos zu versinken. Welche Einrichtungslösungen können Kinder dabei unterstützen, etwas Ordnung zu halten?
Mein Tipp: In regelmäßigen Abständen gemeinsam mit den Kindern Spielzeug reduzieren, weggeben und verschenken. Die Möbel auf ein Minimum beschränken, genau zu überlegen: Was braucht ein Kind wirklich?
Die Bücher und Spielsachen in ein Regal oder in Kisten packen; eine offene Spielfläche zum Bauen etc. ermöglichen, die auch über mehrere Tage bestehen darf. Einen Platz für jedes Ding schaffen und den Kindern vorleben, was wir uns von ihnen wünschen.
Versinkt mein Wohnzimmer oder Schlafzimmer jedoch selbst im Chaos, kann ich mich selbst nicht trennen (von alten Büchern oder dem x-ten T-Shirt) und habe viel zu viel von allem, dann leben mir das meine Kinder in der Regel nach.
Generell ist mehr Stauraum, nicht nur im Kinderzimmer, ein Thema für Familien. Was gibt es da für intelligente Lösungen?
Auch hier gilt als erstes: ausmisten, weggeben, sich trennen. Dann Regale aufhängen und Wände als Stauraum nutzen, auch Ecken und Räume unter Treppen oder der Flur bieten Stauraum-Möglichkeiten. In den Zimmern können Möbel mit Stauräumen eingesetzt werden (z.B. ein Kinderbett mit Schubladen). Und wenn der Platz arg beschränkt ist? Lieber weniger Möbel anschaffen oder aber multifunktionale Kindermöbel, die im Verlaufe ihrer Nutzung mehr als eine Funktion erfüllen können.
Und wer das eigene Zuhause ein bisschen aufhübschen möchte, findet dafür einiges in den schönsten Wohnaccessoires-Läden der Stadt.
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